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Recht, Tipps

Warnung vor dubioser Klagsflut aus Deutschland

Wien. Erneut wird vor dubiosen Klagsangeboten aus Deutschland gewarnt: Unter dem Deckmantel des Anlegerschutzes streben immer häufiger fragwürdige Kanzleien Klagen gegen Emissionshäuser oder Kapitalanlagegesellschaften an. Dabei prozessiert man gegen angebliche Prospektmängel und keilt Anleger mit sogenannter Kaltakquise, der unverhofften Kontaktaufnahme zur Neukundengewinnung. „Um Mandate zu erlangen, tun einige Kanzleien alles. Rechtliche und moralische Hemmschwellen werden überschritten und Anleger systematisch mit Tausenden Briefen und Postwurfsendungen massiv eingeschüchtert. Mit ernst gemeinter Rechtsvertretung hat dies nichts mehr zu tun“, unterstreicht Anwalt Peter Mattil von der gleichnamigen Kanzlei http://www.mattil.de auf Nachfrage von pressetext.

Eine Ursache des Problems ist in dem hohen Wettbewerb unter Anwälten in Deutschland zu suchen. Daher richten findige Juristen ihren Fokus auf Nischenbereiche wie den Kapitalmarkt. In dieser wettbewerbsarmen Nische winken lukrative Honorare – und das, obwohl nur in den wenigsten Fällen ein begründbarer Einspruch gegeben ist. „Viele Kanzleien, die fragwürdige Klagen einbringen, haben zuvor noch nie auf diesem Gebiet gearbeitet und agieren insgeheim ausschließlich aus finanziellen Renditeerwägungen. Gutgläubige Mandanten werden damit zu Treibwild und sind leichte Beute“, verdeutlicht Mattil auf Nachfrage von pressetext. Laut dem Wirtschaftsrechtsexperten wüssten viele dubiose Kanzleien sogar, dass sie Prozesse verlieren und Klagen vor Gericht fallen gelassen werden. Anleger, die sich von derartigen Anwälten zum Einschreiten überreden lassen, bleiben somit häufig auf den Kosten sitzen.

Einem Bericht der Wirtschaftswoche nach kostet die „Rechtsberatung“ durch profithungrige Anwälte deutschen Anlegern jährlich zwischen 20 und 30 Mrd. Euro. „Aufgrund des großen Verdrängungswettbewerbs hat sich die Masche mittlerweile zu einem Trend entwickelt. So werden Anleger hemmungslos verunsichert und rechtschaffende Fondsgesellschaften in den meisten Fällen zu Unrecht an den Pranger gestellt“, sagt ein Brancheninsider im Gespräch mit pressetext. Dabei sei die Vorgangsweise oft in gleicher Form gestrickt. Beispielsweise stellen selbsternannte Anlegerschützer Fondsprodukten ein sogenanntes „Transparenz-Rating“ aus, um Emissionshäusern einige Wochen später nach der zuvor bescheinigten hohen Transparenz ein Angebot zu unterbreiten. Lehnen die Firmen aber den Zugang zu internetorientierten und umsatzaktiven Vertriebsmodellen ab, würden Rachefeldzüge gestartet, weiß der Insider.

Aufgrund der großen Schwemme und damit dem Überangebot an Anwälten in Deutschland scheint das Geschäft mit fragwürdigen Mandaten ein lukrativer Weg zu sein, hohe Honorare einzustreichen. Allein 2007 wurden in der Bundesrepublik im Schnitt über 20 Prozent der bereits einmal angestellten Advokaten arbeitslos. Dadurch, dass in Deutschland jährlich knapp 10.000 neue Absolventen hinzukommen, herrscht ein aggressiver Verdrängungswettbewerb. „Bedingt durch die Finanzkrise und beträchtliche Verluste bei vielen Anlegern, scheinen sich diese besonders leicht von schwarzen Schafen zu unnötigen Klagen hinreißen lassen“, erklärt Mattil. So gebe es Kanzleien mit eigenen Abteilungen, die täglich Handelsregister durchforsten, um an Adressen der Emissionshäuser und auch der Anleger zu gelangen. Auch würden standardisierte Rundschreiben massenweise verschickt.

„Bei dieser Art der Mandantenkeilerei verlieren alle Seiten. Das beklagte Unternehmen hat mit Rufschädigung zu kämpfen und der Anleger muss am Ende noch für die Prozesskosten aufkommen“, meint ein betroffener Branchenvertreter im Gespräch mit pressetext. Kritisiert werden aber auch dubiose Fragebogenaktionen in Form von Postwurfsendungen. Der Online-Branchendienst fondstelegramm warf in dieser Hinsicht beispielsweise der Kanzlei Thieler & Partner 2007 „Bauernfängerei“ vor. Im Vorjahr sorgte auch die Klage gegen den Fondsemittenten Fidura http://www.fidura.de für Aufsehen. Damals hatte die Kanzlei Witt Nittel http://www.witt-nittel.de gegen angebliche Prospektmängel des ersten Fidura-Fonds geklagt. Den Stein für die Klage ins Rollen brachten damals Angriffe des selbsternannten Anlegerschützers Heinz Gerlach. Witt Nittel griffen die Vorwürfe auf und starteten einen Prozess gegen Fidura.

Die drei Senate des Oberlandesgerichts München entschieden in voneinander unabhängigen Urteilen, dass die von Witt Nittel behaupteten Prospektmängel nicht bestehen und die gegenständlichen Prospekte entsprechend fehlerfrei sind (AZ 8U 2677/08; AZ 10U 2332/08; AZ 23U 2544/08). Auch das Argument, mit Sammelklagen ließe sich das individuelle Kostenrisiko für die Anleger senken, lassen Rechtsexperten nicht gelten. Schließlich besteht trotz Sammelklagen nach wie vor die Möglichkeit, dass diese vor Gericht getrennt werden. Der Anleger hat in einem solchen Fall das individuelle Kostenrisiko der Klage allein zu tragen. „Die Lage ist schlimm. Kaltakquise und Treibjagd nehmen zu und die Anwaltskammern legen die Hände in den Schoß“, so Mattil abschließend. (pte)

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