Wien. Die Standesvertretung der Rechtsanwälte reagiert mit Ablehnung auf die Familienrechtsnovelle. Sie sei überhastet entstanden und benachteilige die, die sie eigentlich schützen will. Statt der Einführung von mehr teuren Notariatsakten sei mehr Beratung der Ehepartner durch Rechtsanwälte besser.
In einer Aussendung bezeichnet Gerhard Benn-Ibler, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK), das in Form eines Initiativantrags der Regierungsparteien im Nationalrat eingebrachte Familienrechtsnovelle als „Rückschritt, nicht die beabsichtigte Weiterentwicklung“.
Der Entwurf sieht vor, dass zukünftig bestimmte vor der Eheschließung getroffene Vereinbarungen über die Vermögensaufteilung im Scheidungsfall eines Notariatsaktes bedürfen. Betroffen sind Vereinbarungen, die im Voraus die Aufteilung der Ehewohnung bzw. der ehelichen Ersparnisse regeln.
Schaden statt Nutzen
Motiv sei das durchaus berechtigte Bestreben des Gesetzgebers, den schwächeren Partner im Falle einer späteren Scheidung nicht zu benachteiligen. „Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall“, widerspricht Benn-Ibler vehement. „Weder gelingt dadurch eine Annäherung an das ursprüngliche Reformziel einer tatsächlichen Modernisierung des Familienrechts, noch wird dem Schutz des schwächeren Partners Rechnung getragen.“
Da einer Vereinbarung über die Aufteilung der ehelichen Wohnung naturgemäß eine Beratung beider Partner und damit gegebenenfalls widerstreitender Interessen vorangehen muss, sei es problematisch, wenn dies in gemeinsamer Form geschieht. Genau das sieht der aktuelle Entwurf in Form eines zwingenden Pakts beider Partner vor dem Notar aber vor, kritisiert der Rechtsanwälte-Präsident.
Die Schutzfunktion des Notariatsaktes beschränkt sich „einzig und allein auf die Form“, nicht aber auf den Inhalt. „Das richtige Instrument um tatsächlich vor einer Übervorteilung zu schützen, ist die längst fällige Einführung einer nachweislichen, unabhängigen rechtlichen Beratung jedes Einzelnen.“ Das sei ursprünglich auch für die einvernehmliche Scheidung vorgesehen gewesen und „bewährt sich im Wohnungseigentumsgesetz bestens“, erklärt Benn-Ibler.
Anwalt statt Notar
Die Rechtsanwaltschaft fordert nun, von einer Ausweitung des Notariataktes als zwingend erforderliches und zugleich „teures und unnotwendiges Formalelement“ im Eherecht gänzlich abzusehen. „Sowohl Vereinbarungen über die spätere Aufteilung der Ehewohnung als auch hinsichtlich der ehelichen Ersparnisse erfordern keinen kostspieligen Notariatsakt um ausreichend Sicherheit und Schutz vor Übervorteilung zu gewährleisten“, so Benn-Ibler.
Wesentlich günstiger und effektiver wäre seiner Meinung nach „die Einführung einer nachgewiesenen, verpflichtenden, unabhängigen rechtlichen Beratung sowie einer schriftlichen Vereinbarung ohne weiteren Formzwang.“ Generell sieht der ÖRAK keinerlei Notwendigkeit, eine derart wichtige Gesetzesnovelle plötzlich im Eilverfahren ohne vorherige Begutachtung im Nationalrat einzubringen. „Diese Vorgehensweise halte ich für völlig unnotwendig und rechtsstaatlich bedenklich“, kritisiert ÖRAK-Präsident Benn-Ibler abschließend.