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Recht

Ratingagenturen sollen die Schäden der Finanzmarktkrise bezahlen

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New York/Wien. Die Ratingagenturen Moody’s und Standard & Poor’s sollen für die Schäden der Finanzmarktkrise aufkommen, fordern streitbare Großanleger: Ein US-Gericht hat ihre entsprechende Sammelklage jetzt zugelassen. Auch in Österreich und Deutschland wären Klagen denkbar, sagen Anwälte.

Konkret müssen sich die welweit führenden Ratingagenturen Moody´s und Standard & Poor´s vor Gericht einer Sammelklage wegen Betrugs stellen. US-Bundesrichterin Shira Scheindlin lies die Klage zu, trotz angestrengter Bemühungen der beklagten Parteien. Kläger sind derzeit die Abu Dhabi Commercial Bank und King County aus dem Bundesstaat Washington – doch es wird erwartet, dass sich rasch weitere Geschädigte anschließen könnten, und dass in ähnlichen Fällen weitere Sammelklagen eingebracht werden, wenn sich hier ein Erfolg abzeichnet.

Schön verpackt und doch pleite

Der Vorwurf der Kläger ist, dass ihnen als nichtsahnenden Finanzinvestoren zweitklassige Hypotheken „schön verpackt“ und mit einem guten Rating versehen verkauft wurden – doch die von Cheyne Structured Investment verkauften Papiere wurden wertlos, als Cheyne im August 2007 zahlungsunfähig wurde. Morgan Stanley habe die Anleihen ungerechtfertigterweise als hoch-qualitativ bezeichnet, und die Ratings von Moody’s und Standard & Poor’s dafür seien viel zu gut gewesen, meinen die Kläger. Die Beklagten haben derartige Vorwürfe in der Öffentlichkeit bisher immer vehement zurückgewiesen.

Auch in Österreich oder Deutschland könnten Ratingagenturen von Anlegern grundsätzlich zum Schadenersatz herangezogen werden – zu diesem Schluss kommen die international tätigen Wirtschaftsanwälte Gerhard Wildmoser (Wildmoser/Koch & Partner, Linz/Wien) und Jan Schiffer (Schiffer & Partner, Bonn) in einer umfassenden Analyse. In ihrer Arbeit, die im Oktober in der Fachzeitschrift „Recht der Internationalen Wirtschaft“ in Langfassung publiziert wird, argumentieren sie, dass die Arbeit der Ratingfirmen der von Wirtschaftsprüfern vergleichbar sei.

Die beiden Top-Anwälte und Bernd Langoth, RA-Anwärter bei Wildmoser/Koch & Partner führen die Haftungsgrundlagen entsprechender Klagen, insbesondere in Deutschland, auf. Die Erklärungen in Ratingverträgen, wonach die Ratingagenturen keinerlei Haftungen übernehmen würden, sind nach Ansicht von Wildmoser/Schiffer/Langoth rechtlich völlig unwirksam. „Die Stellung der Rating-Agenturen als Experten ist jener der Wirtschaftsprüfer durchaus vergleichbar, sodass haftungsbegründende Schutzpflichten gegenüber Anlegern bestehen. Zudem ist die beabsichtigte Drittwirkung von Ratings viel stärker ausgeprägt als bei Wirtschaftsprüfern, was umso mehr für eine Haftung der Rating-Agenturen spricht.“

„Wie Wirtschaftsprüfer haftbar machen“

Wildmoser/Schiffer/Langoth meinen, dass sämtliche Anleger in den Schutzbereich des jeweiligen Ratingvertrages eingezogen werden, da „es gerade Sinn und Zweck des Ratings entspricht, Ratings gegenüber potentiellen Anlegern zu veröffentlichen.“ Daher sei davon auszugehen, dass Anleger in den Schutzbereich des Ratingvertrages zwischen Emittenten und Rating-Agenturen einbezogen seien. „Die allumfassenden Haftungsfreizeichnungen der Rating-Agenturen sind unwirksam, sodass bei Verletzung der Kardinalpflichten bereits leichte Fahrlässigkeit zur Haftung der Ratingagentur führen kann.“ Freilich müsse ein Anleger bei seiner Klage, die Kausalität nachweisen, nämlich dass das Rating für sein Investment entscheidend gewesen sei. Es empfehle sich daher eine entsprechend nachvollziehbare Dokumentation. Die drei Autoren sehen aber realistische Chancen und verweisen ausdrücklich auf die jetzt in New York eingebrachte Sammelklage als Indiz dafür, dass die juristische Front bröckelt.

Lehman hatte vor Pleite immer noch Top-Rating

In ihrem Beitrag führen Wildmoser/Schiffer/Langoth auch Beispiele dafür an, wie Rating-Agenturen deutliche Hinweise ignoriert und somit eindeutig falsche Beurteilungen abgegeben hätten. So wies etwa die Bonität der Lehman Brothers Holding Inc. bis zum Tag der Anmeldung des Gläubigerschutzverfahrens hervorragende Ratings auf (Standard & Poor’s: A, Moody´s: A2, Fitch: A+).

Die Ratings deuteten somit allesamt auf eine gute Zahlungsfähigkeit hin. Hinweise, dass Lehman um die Existenz kämpft, gab es demgegenüber schon monatelang davor, so die Autoren.

Der Zeitpunkt für dieses Beispiel ist passend: Genau vor einem Jahr brach die US-Investmentbank Lehman Brothers zusammen, doch die Folgewirkungen werden, wie die aktuell drohende Welle an Sammelklagen andeutet, auch auf juristischer Ebene noch lange nicht bewältigt sein.

Link: Wildmoser / Koch & Partner

Link: Schiffer & Partner

Link: Verlag Recht und Wirtschaft

Link: Moody´s

Link: Standard & Poor´s

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