Washington/Wien. Medizinstudenten, die soziale Online-Netzwerke wie Twitter, Facebook usw. zum Informationsaustausch nützen, publizieren dabei vertrauliche Daten von Patienten, mit denen sie in Kontakt gekommen sind, warnt die US-Ärztevereinigung. Offensichtlich sei den Studenten nicht bewusst, dass die ärztliche Schweigepflicht auch für sie bereits gilt – und dass durch solche Vorgangsweisen verletzt wird.
Online-Plattformen sind im Trend, gerade bei jungen Leuten – und Studenten zählen zu den häufigsten Anwendern. Das Journal of the American Medical Association hat jetzt eine Studie veröffentlicht, die zeigt, wie häufig Medizinstudenten private Krankengeschichten ihrer Patienten und medizinische Details posten. Mehr als die Hälfte der 78 untersuchten medizinischen Hochschulen meldete Fälle von Studenten, die einschlägige Inhalte online stellten. Eines von zehn dieser Postings enthielt deutliche Verletzungen der ärztlichen Schweigepflicht.
Laut Studien-Team um Katherine Chretien vom VA Medical Center handelt es sich in den meisten Problemfällen um Blogs unter anderem auf Facebook; die Einträge enthielten oft genug medizinische Details, um einen Patienten zu identifizieren. Viele der Postings enthielten außerdem Obszönitäten und Diskriminierungen. Die meisten Vorfälle führten zu informellen Verwarnungen. Einige waren jedoch so ernst, dass sie zu einem Verweis von der Universität führten.
Fazit: Richtlinien zum Bloggen erforderlich
Daten zur Situation in Europa sind derzeit nicht öffentlich bekannt. Die US-Studie hält fest, dass nur wenige der Einrichtungen über Richtlinien für den Umgang mit Social Networking im Internet und Bloggen verfügen – das dürfte in Europa nicht viel anders sein. Chretien meint, dass die Medizinstudenten sich wahrscheinlich nicht bewusst waren, welche negativen Auswirkungen das Posten auf die Professionalität als Mediziner oder ihre Karrieren haben konnte. Auch die Verletzungen der ärztlichen Schweigepflicht könnten ohne Absicht geschehen sein. Man ist nicht generell gegen das Bloggen, sondern fordert einen seriöseren Umgang damit: Der respektvolle Austausch von Patientengeschichten ohne persönliche Details könne auch Reflexion, Empathie und Verstehen fördern, heißt es.
Die Wissenschaftler warnen jedoch, dass Krankengeschichten auch ohne Namen und andere Details eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht bedeuten können. Auch die Trennlinie zwischen Redefreiheit und unangebrachten Postings sei vielen Studenten offensichtlich unklar. Die Medizinstudenten sollten in ihrer Ausbildung über das Risiko derartiger Postings im Internet informiert werden, fordern die Mediziner. Ganz selbstverständlich sollte ihnen auch beigebracht werden, wie auf diesen Sites die Privatsphäre geschützt werden kann und wie man den einschlägigen Content gezielt auf die Nennung des eigenen Namens absucht.
Prinzipiell wird Twittern & Co. auch für die eurpäischen Mediziner zum Thema: So hat sich gerade der deutsche Berufsverband Niedergelassener Chirurgen (BNC) gegen Twitter-Informationen direkt aus dem Operationssaal ausgesprochen. „Wir sollten nicht jede Mode mitmachen, die aus den USA herüberschwappt“, teilte BNC-Präsident Dieter Haack in Hamburg mit. Wartende Angehörige könnten am Ablauf einer Operation ohnehin nichts ändern, aber verunsichert werden, wenn Komplikationen auftreten. (pte/red)