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Recht, Tipps

Anwaltstag 2009 will dem Großen Bruder Schranken auferlegen

Gerhard Benn-Ibler ©ÖRAK

Wien. Österreichs Rechtsanwälte haben ihren Anwaltstag ´09 mit harten Forderungen an die Politik beendet: Sie verlangen nicht nur einen Verzicht auf  Überwachung ohne richterliche Kontrolle, sondern auch eine Überprüfung und eventuell Streichung  bestehender problematischer Maßnahmen: Es gebe keinen Nachweis, dass flächendeckende Videoüberwachung und Datenspeicherung überhaupt die Sicherheit erhöhen.

In drei Kommissionen wurden am Anwaltstag ´09 von Vertretern der österreichischen Rechtsanwälte sowohl juristisch als auch gesellschaftlich brisante Themen diskutiert, Antworten gesucht und Lösungsvorschläge entwickelt, so die Kammer. Der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK) Gerhard Benn-Ibler: „Es wurde Zeit, dass wir Rechtsanwälte auch außerhalb des Gerichtssaales als laute Stimme für den Rechtsstaat und für jede einzelne Bürgerin, jeden einzelnen Bürger und deren Freiheit und Rechte wahrgenommen werden. Es war Zeit, konkrete Forderungen und Maßnahmen zu entwickeln um dafür zu sorgen, dass sich der Staat demokratie- und rechtspolitisch weiterentwickeln kann“, so Benn-Ibler.

Der von Elisabeth Rech, Vizepräsidentin der Rechtsanwaltskammer Wien, geleitete Ausschuss „Überwachung versus Freiheit“ (namensgebend für den Anwaltstag 09) beschäftigte sich intensiv mit dem Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit. Der ständige Drang der Zeit, Bürgerrechte und Freiheiten einer „nie wirklich objektivierbaren oder gar garantierten“ Sicherheit zu opfern, und so eine Aushöhlung gesellschaftlicher Grundwerte zu fördern, stand am Beginn der Auseinandersetzung mit dem Thema, hieß es. Die Gefahr des „Gläsernen Menschen“ durch an George Orwells Roman „1984“ erinnernde Instrumentarien sollte evaluiert werden.

Droht der gläserne Mensch?

Benn-Ibler: „Wir haben versucht jenseits von Emotionen und politischen Ideologien diese, für mich beinahe wichtigste Frage des Jahrzehnts sinnvoll und lebensnah zu beantworten, und daraus Empfehlungen abzuleiten, die ich den politisch Verantwortlichen vehement ans Herz legen werde.“

Die Forderungen des Anwaltstags im Detail:

  • Grundrechte, wie das auf Freiheit, dürfen nicht zur Diskussion stehen und sind nicht abwägbar.
  • Bereits bestehende Überwachungsmaßnahmen müssen auf deren Sinnhaftigkeit und Effektivität hin evaluiert werden. Derzeit gibt es keinen Hinweis, dass Überwachungsmaßnahmen wie flächendeckende Videoüberwachung, Datenspeicherung etc. zu einer Verbesserung der Sicherheit führen.
  • Keine interpretierbaren Formulierungen, sondern konkrete Voraussetzungen müssen für den Einsatz von Überwachungsmaßnahmen im Gesetz festgeschrieben werden. Dies präzise und von Gerichten überprüfbar.
  • Überwachte Personen müssen nachträglich verständigt werden um ihre Rechte wahren zu können. Das derzeitige Rechtsschutzdefizit bei Handyortung und Videoüberwachung muss behoben werden.
  • Überwachungsmaßnahmen dürfen nicht ohne Verdacht eingesetzt werden. Verdachtsunabhängige Überwachung wird strikt abgelehnt.
  • Überwachungsmaßnahmen dürfen, wenn überhaupt, dann nur mit richterlichem Beschluss eingesetzt werden.

Daraus abgeleitet folgt für die Rechtsanwälte ein Forderungskatalog, der das Sicherheitspolizeigesetz, die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung und die Datenschutznovelle betrifft. Benn-Ibler: „Ich bitte die politisch Verantwortlichen unsere Forderungen nicht auf die leichte Schulter, sondern ernst zu nehmen. Diese Forderungen sind rechtsstaatliche Notwendigkeiten und keine Fleißaufgabe“.

Sicherheitspolizeigesetz

Die österreichischen Rechtsanwälte fordern eine Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes unter Berücksichtigung der genannten Grundprinzipien. Diese Prinzipien sollen auch in zukünftigen Regelungen gelten. „Ein Mehr an Rechtsstaatlichkeit sollte ursprünglich das Ziel des Sicherheitspolizeigesetzes sein, dies klingt angesichts seiner heutigen Ausformung schon fast zynisch“, so Benn-Ibler.

Vorratsdatenspeicherung

Bei der bevorstehenden Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung wird seitens der Rechtsanwälte die minimalste Variante als kleinst mögliches Übel gefordert. Konkret heißt das: eine möglichst kurze Speicherdauer, einen Zugriff auf Daten nur bei schweren Straftaten, nur bei konkretem Tatverdacht und ausschließlich auf Daten die sich auf den konkreten Tatverdacht beziehen. Das alles selbstverständlich nur mit richterlichem Beschluss, betont die Rechtsanwaltskammer.

Die Kritikpunkte zur Datenschutzgesetz-Novelle 2010 sind im Wesentlichen folgende:

  • Überwachung des öffentlichen Raums darf nicht wie im Entwurf vorgesehen durch private Sicherheitsanbieter geschehen,
  • die Kennzeichnung der Überwachung muss konkreter als geplant definiert werden, und
  • keine Unterscheidung zwischen digitaler und analoger Speicherung, sondern gleiche Rechtsschutzmaßnahmen auf hohem Niveau.

Link: ÖRAK

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