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Recht

VKI-Rechtschef Kolba: Sammelklagen-Reform zur Entlastung der Justiz

Peter Kolba, VKI

Wien. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) wird seine geplanten 2200 Klagen gegen den AWD wegen angeblicher Fehlberatung bei Immobilienaktien voraussichtlich bis Ende Jänner einbringen, sagt VKI-Rechtschef Peter Kolba.

Dass die neuen Sammelklagen für das Handelsgericht Wien eine enorme Belastung darstellen werden, sieht auch Kolba so. „Man muss endlich die seit langem geplante neue Form der Gruppenklage einführen, die ja auch im Regierungsabkommen steht.“

Schon jetzt stöhnt die Justiz bekanntlich unter zahlreichen Wirtschaftscausen. Kolba fühlt mit: „Dass wir in Österreich mehr Leute in der Justiz brauchen, ist klar. Sonst leidet die Rechtssicherheit.“

Immerhin habe das Handelsgericht Wien aber vor kurzem drei zusätzliche Richter bekommen, die sich gerade um Anleger-Verfahren verstärkt kümmern sollen. Vor allem: „Schon seit Jahren ist in Österreich die Einführung einer neuen Form der Gruppenklage geplant, die es ermöglichen soll, genau solche Causen mit sehr vielen betroffenen Geschädigten anhand einiger weniger Fälle exemplarisch abzuhandeln. Zuletzt wieder stand die Gruppenklage im Regierungsübereinkommen, sogar ein Entwurf wurde versandt. Doch gekommen ist sie bis heute nicht. Hätten wir sie schon, hätte die Justiz jetzt nicht diese Belastung.“

Aufteilung geplant

Die 2200 AWD-Fälle werden vom VKI aus strategischen Gründen auf mehrere Sammelklagen nach bisherigem österreichischem Recht aufgeteilt. Dabei treten die Geschädigten ihre Ansprüche an die Verbraucherschutzorganisation ab, eine Möglichkeit, die die Zivilprozessordnung (ZPO) ausdrücklich vorsieht. Zwei solche Sammelklagen mit in Summe 300 Geschädigten hat der VKI bereits gegen den AWD laufen.

Insgesamt werden die Monsterverfahren mit rund 2500 Geschädigten einen Streitwert von 37 Millionen Euro haben, sagt Kolba. „Die Kosten werden explodieren, das ist keine Frage.“ Der Prozessfinanzierer Foris hilft dem VKI, sie zu tragen, und profitiert im Gegenzug von etwaigen erstrittenen Zahlungen.

Die gesamte Causa AWD bzw. Immofinanz/Immoeast dürfte mit den neuen VKI-Sammelklagen sogar noch größer werden als der WEB-Prozess in den 1980er Jahren, der bisher mit 3200 Geschädigten den Rekord hält: Zu den 2500 Geschädigten, für die der VKI klagt, kommen weitere 1000 bis 1500, die rechtsschutzversichert sind und daher einzeln vor Gericht ziehen: 400 bis 500 von ihnen haben bereits Klage gegen den AWD eingebracht, sagt Kolba.

Und der Prozessfinanzierer Advofin vertritt ebenfalls mehr als 1000 Immofinanz-/Immoeast-Anleger. Bei WEB hatten dagegen Verbraucherschützer und Rechtsschutzversicherte ein gemeinsames Verfahren geführt.

Sicher oder nicht

Insgesamt haben sich allein beim VKI 7000 Anleger gemeldet, die sich vom AWD schlecht beraten fühlen. „Wir waren überrascht, dass es so viele sind“, so Kolba.

Der VKI behauptet, dass der AWD die Immofinanz/Immoeast-Aktien massenhaft als bombensichere Geldanlage verkauft hat, ohne ausreichend auf das Risiko eines Aktien-Investments hinzuweisen. „Das hat System gehabt“, behauptet Kolba. Viele Anleger hätten gar nicht gewusst, dass sie in Aktien investierten.

Der AWD weist das zurück und präsentiert Beratungsprotokolle, die untermauern sollen, dass seine Berater ordentlich beraten haben. Und dass Aktien eine Risikokomponente haben, müsse als allgemein bekannt vorausgesetzt werden.

Natürlich könne es schwarze Schafe unter deen Beratern geben, bei denen das Gesprächsprotokoll nichts die tatsächliche Beratungssituation wiedergebe, doch seien dies Einzelfälle.

Erst neulich sei man vor Gericht in 1. Instanz gegen einen Kläger erfolgreich gewesen. Einige der vom VKI präsentierten Geschädigten seien noch dazu in Wahrheit gar nicht vom AWD beraten worden. Daher verlangt der AWD die (auch gerichtliche) Prüfung jedes Einzelfalls für sich.

„Nicht lauter Einzelfälle“

Genau die vom AWD vorgeschlagene Vorgangsweise, jeden Anleger-Fall einzeln zu prüfen, lehnt Kolba aber vehement ab. Der Richter müsse auch „die gesamte Systematik“ und den Wert der Protokolle an sich prüfen, meint Kolba.

Der VKI hätte es vorgezogen, nur einige Musterprozesse zu führen, weil das „kostenökonomischer“ gewesen wäre, betont der VKI-Rechtschef. Doch man müsse jetzt vor Gericht gehen, weil sonst die Verjährung drohe: Denn vor drei Jahren, im Jänner 2007, brach der Kurs der Immoeast-Aktie das erste Mal ein.

Damit sei den Anlegern das erste Mal einklagbarer Schaden entstanden. „Wir sind damit übervorsichtig. Denn die Verjährungsfrist beginnt ab Kenntnis von Schaden und Schädiger zu laufen. Die ersten breiten Medienberichte über den Kurseinbruch gab es erst im Sommer 2007“, sagt Kolba.

Der VKI hatte den AWD aufgefordert, einen sogenannten Verjährungsverzicht auszusprechen. Doch dem habe der AWD eine Absage erteilt.

Verfahrensdauer bis zu 10 Jahre

Werden alle 2500 AWD-Fälle des VKI durchjudiziert, würde das wohl bis zum Jahr 2020 dauern. Doch soweit werde es kaum kommen: Die ersten OGH-Entscheidungen werden als richtungsweisend eingeschätzt. Hat der VKI mit ihnen ganz oder teilweise Erfolg, erhofft man sich einen Vergleich mit dem AWD.

Link: VKI-Rechtsportal

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