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Recht

Rechtsanwälte-Präsident Gerhard Benn-Ibler: Bereitgestellte Geldmittel fließen nicht in die Justiz

Gerhard Benn-Ibler ©ÖRAK

Wien. Der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK), Gerhard Benn-Ibler, kritisiert mangelnden Reformwillen des Staates: es seien bereits sämtliche Geldmittel vorhanden, um den Stufenplan der Richter zur Linderung der Personalnot endlich umzusetzen.

Es sei nicht nachvollziehbar warum die zusätzlichen Mittel von 20 Mio. Euro  – die durch die Justiz selbst erwirtschaftet wurden – nicht endlich der Justiz zu Gute kommen. Offenbar wolle man „die Situation lieber aussitzen, statt Lösungen umsetzen“.

Die zunehmend größer werdende Kluft zwischen budgetären Möglichkeiten und justiziellen Notwendigkeiten müsse nunmehr endlich geschlossen werden, heißt es in einer Aussendung der ÖRAK. Benn-Ibler hält echte Maßnahmen in der Aussendung für „überfällig“: man habe bereits seit langer Zeit beständig vor einem Qualitätsverlust der österreichischen Gerichtsbarkeit gewarnt, so Benn-Ibler.

„Stets haben wir die politisch Verantwortlichen mit konstruktiven Vorschlägen unterstützt und unsere Erfahrungen in die österreichische Justizpolitik einfließen lassen“, resümiert Benn-Ibler die bisherigen Bestrebungen der Rechtsanwälte.

„Man will Probleme aussitzen“

„Leider habe ich derzeit das Gefühl, man will eher Probleme aussitzen, als Lösungen umsetzen. Ich habe das in einem gestrigen Gespräch auch den Standesvertretern der Richter in Bezug auf ihre Protestmaßnahmen mitgeteilt. Dass selbst solche Maßnahmen von der Politik offenbar nicht wirklich ernstgenommen werden, ist bedauerlich. Sie werden daher den Bemühungen für eine Qualitätssicherung des Rechtsstaates kaum nützen, auch wenn ich großes Verständnis für die Sorgen der Richterinnen und Richter habe“, so Benn-Ibler weiter.

20 Mio. Euro scheinen verfügbar

Nicht nachvollziehbar ist für den ÖRAK-Präsidenten, warum bereits vorhandene Mittel nicht schon längst zur Schließung der klaffenden Personallücke in der Justiz eingesetzt werden. Durch das sogenannte Justizentlastungspaket I, bei dem es sich in Wahrheit „um ein reines Bürger-Belastungspaket handle“, so Benn-Ibler, seien für die Justiz bereits 8 Mio. Euro an Mehreinnahmen erzielt worden, meint er. Dazu würden noch 12 Mio. Euro an Minderausgaben dazukommen, heißt es.

„Insgesamt stehen dem Finanzminister also bereits zusätzliche 20 Mio. Euro zur Verfügung, die völlig ausreichend wären, um den Stufenplan der Richter zur Gänze umzusetzen und somit die dringend notwendigen Planstellen einzurichten. Diese Mittel dürfen der Justiz nicht vorenthalten, sondern sollten umgehend zur Problembehandlung bereitgestellt werden“, fordert Benn-Ibler, der nicht nachvollziehen kann, warum dies bis jetzt noch nicht geschehen sei.

Weitere Einschnitte seien geplant

Durch das in Vorbereitung befindliche Justizentlastungspaket II, das dem Vernehmen nach für Herbst 2010 geplant ist, sollen in Kürze sogar weitere Einschnitte und Gebührenerhöhungen erfolgen, erklärt Benn-Ibler. „Bedenkt man, dass die Justiz bereits jetzt beinahe kostendeckend arbeitet, ist es unerträglich mitansehen zu müssen, wie sich die Politik nach und nach eine für den Staat rentable >Cash-Cow< formt, die man zugleich auf üppiger Wiese aushungern lässt“, kritisiert Benn-Ibler.

Auf der einen Seite durch Einschnitte und Gebührenerhöhungen lukrative Zusatzeinnahmen für den Bundeshaushalt zu generieren, diese aber andererseits dem gewinnbringenden Justizressort selbst wiederum vorzuenthalten, befindet der ÖRAK-Präsident als völlig inakzeptabel. „Keine Budgetkonsolidierung auf Kosten des Rechtsstaates“, warnt Benn-Ibler.

Die Schraube noch weiter anzuziehen wäre fatal, arbeite die Justiz bekanntermaßen ohnehin schon am Limit, meint er.

Umstrukturierung sei ernstzunehmender Vorschlag

Der aktuelle Vorschlag von Rechtsanwalt und Nationalratsabgeordneten Peter Fichtenbauer, die Aufgaben der Finanzprokuratur strukturell völlig neu zu ordnen und das dadurch frei werdende Personal der Justiz zur Verfügung zu stellen, sollte nach Ansicht des ÖRAK-Präsidenten ernsthaft diskutiert werden.

„Top ausgebildete Prokuraturanwälte, die allesamt über abgelegte Rechtsanwaltsprüfungen verfügen, könnten nach Absolvieren einer Ergänzungsprüfung problemlos in den Justizdienst integriert werden“, so Benn-Ibler.

Es sei zudem erfreulich, dass gerade die in der Politik tätigen Rechtsanwälte immer wieder sehr konkret versuchen, neue Möglichkeiten auszuloten, um Rechtsstaat und Rechtssicherheit auch in Zeiten der Budgetsanierung zu garantieren und weiterzuentwickeln, heißt es in der Aussendung.

Verwaltungsreform ist notwendig

Nur eine echte Verwaltungsreform werde langfristig und nachhaltig jene Ressourcen liefern können, die tatsächlich nötig sind, um für die Bürgerinnen und Bürger einen modernen und sicheren Rechtsstaat auch in Zukunft garantieren zu können.

„Der bisher erste Reformansatz – die gerade in Begutachtung stehende Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle – wirkt an vielen Enden nicht ausreichend durchdacht und unfertig. Das politische Ziel einer Einsparung kann auf dem eingeschlagenen Weg sicher nicht erreicht werden, sondern führt ausschließlich zu einem Qualitätsverlust in der Verwaltung“, so Benn-Ibler, der auf die bevorstehende, kritische ÖRAK-Stellungnahme zum Ende der Begutachtungsfrist verweist.

Forderung nach konkreten Schritten

„Wir Rechtsanwälte fordern endlich konkrete, sinnvolle Schritte anstatt bloße Versuche, schnelle tagespolitische Erfolge zu erzielen“, ergänzt der ÖRAK-Präsident.

„Eine Umstrukturierung der Finanzprokuratur mit der einhergehenden personellen Umschichtung zur Justiz, scheint viel eher Anstoß und Richtungspfeil zu einer umfassenden Verwaltungsreform und einem starken, für jedermann zugänglichen Rechtsstaat zu sein“, so Benn-Ibler abschließend.

Link: ÖRAK

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