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Recht

Notare fordern EU-Richtlinie zu Firmensitz-Verlagerung innerhalb Europas

Michael Umfahrer, Notariatsakademie

Salzburg. Österreichs Notare fordern eine klare EU-Regelung zur Verlegung von Unternehmenssitzen über nationale Grenzen hinweg. Das ist eines der Ergebnisse der 22. Europäischen Notarentage, die gerade in Salzburg zu Ende gegangen sind.

Die Rechtsform der britischen Limited, die auch in Österreich bereits öfter zum Einsatz kam, wird von den Notaren heftig kritisiert.

Bei den 22. Europäischen Notarentagen diskutierten Mitglieder europäischer Institutionen, österreichische EU-Parlamentarierer, Vertreter von Regierungen zahlreicher EU-Länder und mehr als 200 Notare aus Österreich und anderen europäischen Ländern die „Unternehmensmobilität im Binnenmarkt“. Ziel müsse es sein, den Unternehmen seitens der EU mehr Flexibilität und Bewegungsfreiheit zu geben, ohne bewährte nationale Standards aufs Spiel zu setzen, hieß es nach der Veranstaltung.

Klare Regelung gefordert

Eine EU-Sitzverlegungsrichtlinie müsse dem Schutz von Arbeitnehmern, Gläubigern und Konsumenten Rechnung tragen und den hohen Ansprüchen der Transparenz von Unternehmensdaten gerecht werden.

Ohne EU-Mindeststandards drohe aufgrund eines ungezügelten Wettbewerbs der Rechtsordnungen der EU-Staaten „das Fortschreiten einer Nivellierung des hohen österreichischen Schutzniveaus nach unten“, heißt es. „Eine EU-Regelung ist daher im Interesse des Wirtschaftsstandortes Österreich“, so Michael Umfahrer, Präsident der Österreichischen Notariatsakademie.

Solides Wirtschaften als Vertrauenssache

Die Wiederherstellung des Vertrauens auf die Konjunkturerholung hat hohen Stellenwert. Daher setzen sich die Notare für die Schaffung von vertrauensbildenden Maßnahmen für Unternehmen ein, heißt es. Auch dazu gehöre die Forderung nach einer EU-Sitzverlegungsrichtlinie.

Die Richtlinie soll Unternehmen ermöglichen, aufgrund einer europaweit harmonisierten Rechtslage ihren Satzungs- und Verwaltungssitz innerhalb des EU-Binnenmarktes zu verlegen. Derzeit stellt sich das Problem, dass jeder Mitgliedstaat diese Frage für sich beurteilen kann und die Bedingungen der gültigen Sitzverlegung dementsprechend unterschiedlich sind.

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) habe nur punktuell für Klärung gesorgt, so die Notare. Eine Harmonisierung würde Vorteile, insbesondere Rechtssicherheit, bringen, aber auch positive Effekte für Gläubiger, Arbeitnehmer und Konsumenten.

Briefkastenfirmen verhindern

Um die Gründung von Briefkastenfirmen möglichst zu unterbinden, hat eine Sitzverlegungsrichtlinie die Registrierung des Unternehmens in jenem Staat vorzusehen, in dem die Hauptniederlassung und damit die Hauptverwaltung des Unternehmens liegt, fordern die Notare.

„Hier liegt der Knackpunkt bei Verhandlungen für eine derartige Richtlinie“, unterstreicht Umfahrer. Die Mitgliedstaaten haben in diesem Punkt unterschiedliche Herangehensweisen.

Europäische Privatgesellschaft dreht sich im Kreis

Ein weiteres wichtiges Thema: Seit 2008 laufen Verhandlungen über den Vorschlag der EU-Kommission für eine Europäische Privatgesellschaft (SPE).

Derzeit blockiert der EU-Ministerrat die Verhandlungen. Zu Recht, meinen die Notare, denn vor allem Deutschland und Österreich haben wegen drei Punkten große Bedenken:

  1. dem niedrigen geplanten Mindeststammkapital von einem Euro
  2. der freien Trennbarkeit von Satzungs- und Verwaltungssitz
  3. der unbefriedigenden Vorschläge zur Arbeitnehmermitbestimmung

Die EU-Kommission pochte bislang auf ihre Vorschläge. „Doch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wird der Ruf nach Sicherheit, Stabilität und Vertrauen besonders laut. Eines zeigt die Praxis: Wo das Mindestkapital gering ist, ist das Insolvenzrisiko hoch“, so eine Aussendung der Notare.

„Wo Transparenz und Information keinen Stellenwert haben und nicht eingefordert werden, bleiben Arbeitnehmer, Gläubiger und Konsumenten im Insolvenzfall oft auf der Strecke. Denn wie sollten sie ihre Rechte gegenüber einem Unternehmen geltend machen, wenn es sich um eine Briefkastenfirma handeln würde? Dazu kommt, dass dem Staat wertvolle Steuereinnahmen entgehen würden“, so die Notare weiter.

„Wir Notare fordern daher bei der Europäischen Privatgesellschaft einen Kurswechsel bei den Verhandlungen. Mit einem deutlicheren Zugehen der Kommission und der jeweiligen Ratspräsidentschaft auf die österreichische Verhandlungsposition wäre es möglich, doch noch zu einem Ergebnis zu gelangen,“ so Umfahrer.

Harte Kritik an der Limited

Will man die Wirtschaft im Binnenmarkt wieder ankurbeln, müssen auch vertrauensbildende Maßnahmen für den Ausbau des Rechtsrahmens der Unternehmen gesetzt werden. Das sei die Botschaft der Notare an den neuen EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier.

„Das Unternehmertum soll gefördert werden, aber mit soliden Regelungen, die Vertrauen und Stabilität schaffen“, so Umfahrer. Wie wichtig dies ist, zeige die Vergangenheit: Die englische Private Limited Company by Shares kurz „Limited“ genannt, bei der ein Unternehmen mit einem Euro Kapital im englischen Handelsregister eingetragen werden kann, habe sich als Flop erwiesen.

Die billig angepriesene Alternative zur österreichischen GmbH koste spätestens dann Geld, wenn es um Übersetzungen von Texten oder die Aufklärung von Missverständnissen geht. Diese entstehen zwangsläufig durch die verschiedenen Rechtskulturen, so die Notare.

Ein Zusatzproblem ergebe sich, da die Daten des englischen Handelsregisters bei weitem nicht die Verlässlichkeit des österreichischen Firmenbuchs aufweisen.

„Die EU kann und muss dazu beitragen, dass alle Bürger und Unternehmen in der Europäischen Union künftig ihre Rechte noch besser geltend machen können,“ so Umfahrer.

Rückblick: 22 Jahre Europäische Notarentage

Die Europäischen Notarentage, die seit 1988 im Frühjahr in Salzburg stattfinden, haben sich zum Fixpunkt und zur wichtigsten Fachveranstaltung des österreichischen Notariats entwickelt, heißt es.

Zentrales Anliegen sei das Bewusstmachen europäischer Prozesse, rechtspolitischer Entwicklungen im Inland aufgrund EU-Initiativen und deren Auswirkungen auf die Umsetzung im Notariat.

Besonders stolz sind die österreichischen Notare darauf, dass in Salzburg immer wieder neue Ideen und Initiativen des Notariats für die Rechtspolitik entwickelt und präsentiert wurden, wie es heißt.

Link: Europäische Notarentage

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