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Recht

Arbeitsrechtsexperte warnt vor Nachteilen durch das geplante Lohndumping-Bekämpfungsgesetz

Wolfgang Kapek, enwc Rechtsanwälte

Wien. Zur Vorbereitung auf die Ostöffnung des Arbeitsmarktes im Mai 2011 wurde am 14. Juli 2010 ein Ministerialentwurf zum so genannten „Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz“ eingebracht.

Wolfgang Kapek, Arbeitsrechtsexperte bei enwc Rechtsanwälte in Wien, warnt vor massiven Nachteilen für österreichische Firmen und zweifelt an der Durchführbarkeit des geplanten Gesetzes in der Praxis.

Wenn ein Arbeitnehmer einer Firma aus den neuen EU-Staaten nach Österreich entsandt wird, muss ihm für die Zeit die er in Österreich arbeitet, jener Lohn gezahlt werden, der im jeweiligen österreichischen Kollektivvertrag vorgeschrieben wird. Durch das vorliegende Lohndumping-Bekämpfungsgesetz sollen Kontrollmöglichkeiten und Strafen geschaffen werden, um dies in der Praxis durchzusetzen und ein Lohndumping am österreichischen Arbeitsmarkt zu verhindern, so der Experte.

Zu beachten sei aber, dass dieser Gesetzesentwurf „nicht nur für die Prüfung von ausländischen Arbeitnehmern, sondern auch für österreichische Unternehmen gilt und erhebliche Auswirkungen haben könnte“, so Kapek.

„Das geplante Gesetz in seiner jetzigen Form trifft vor allem österreichische und seriöse ausländischen Firme durch einen erhöhten Verwaltungsaufwand, Kosten und mögliche Strafen. Wer es darauf anlegt es zu umgehen, wird es schaffen“, so der Experte. Das Gesetz sieht vor, Arbeitnehmer bei der Arbeit zu kontrollieren und im Falle eines Verstosses die Arbeitgeber zu einer Einhaltung der Mindestlöhne und zu Geldstrafen zu verurteilen.

Schwierig in der Praxis durchzusetzen

„Ich sehe ein massives Problem, das Gesetz in der Praxis durchzusetzen. Die schwarzen Schafe auszuschließen – das darf man sich durch dieses Gesetz nicht erwarten“, analysiert Kapek die Praxistauglichkeit.

Auch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK), die Wirtschaftskammer Österreich und die Industriellenvereinigung haben in ihren Stellungnahmen u.a. Kritik an dem Gesetz geäußert, erklärt Kapek.

So verlangt das neue Gesetz, dass Arbeitgeber die zur Ermittlung des Mindestentgelts notwendigen Unterlagen in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung der Arbeitnehmer am jeweiligen Einsatzort bereitzuhalten haben. Sei die Bereithaltung der Unterlagen am Arbeitsort nicht zumutbar, so müssen die Unterlagen jedenfalls in Österreich bereitgehalten werden und auf Verlangen binnen 24 Stunden den Organen der Abgabenbehörde nachweislich übermittelt werden.

Große Bürde für ausländische Unternehmen

Dies ist in den Augen von Kapek eine „große Bürde für ausländische Unternehmen, die Mitarbeiter nach Österreich entsenden“. Die ausländischen Firmen könnten es sich zweimal überlegen, ob sie einen derartigen bürokratischen Mehraufwand in Kauf nehmen wollen, um in Österreich Geschäfte zu machen.

Auch zitiert Kapek den Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, der in seiner Stellungnahme erklärt:“Das Bereithalten der Unterlagen erfüllt nicht den Zweck der Gesetzesbestimmungen, da das Mindestentgelt nicht nach der Tätigkeitsbeschreibung, sondern anhand der konkreten Tätigkeit des Arbeitnehmers bestimmt wird, die sich aus den Unterlagen aber nicht ergibt.“

Das Bereithalten vor Ort, noch dazu in deutscher Sprache, sei in der Theorie sicher „perfekt“, sollten die Kontrollorgane auf ausländische Arbeitnehmer stoßen die nur wenig Deutsch können, meint Kapek. Eine Beschaffung der Unterlagen „in angemessener Zeit“ sollte aber ausreichen, so sein Vorschlag.

Gefahr von Imageschäden für Firmen

Auch sieht das Gesetz vor, dass die Organe der Abgabenbehörde jede Person, die sie am Betriebsort antreffen, befragen dürfen. Dies würde also auch auf Kunden und Lieferanten zutreffen. Dies könnte einen „enormen Imageschaden nach sich ziehen und sollte auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer reduziert werden“, unterstreicht Kapek die Meinung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags.

Die geplanten Strafen sind erheblich:

  • Bei einer Zutrittsverweigerung zur Betriebsstätte soll eine Geldstrafe zwischen 5.000 und 50.000 Euro, im Wiederholungsfall zwischen 10.000 und 100.000 Euro verhängt werden.
  • Werden die erforderlichen Unterlagen zur Kontrolle des Mindestentgelts nicht bereitgehalten, sind Strafen von 500 bis maximal 10.000 Euro im Wiederholungsfall pro Arbeitnehmer geplant.
  • Wird dem Arbeitnehmer nicht das zustehende niedrigste Grundgehalt bezahlt oder das zustehende Mindestentgelt erheblich unterschritten, drohen Geldstrafen von 5.000 bis 100.000 Euro pro Arbeitnehmer.
„Zu hohe Strafen“

„Da diese Strafen pro Arbeitnehmer zu rechnen sind, könnten diese bei einer größeren Gruppe eine exorbitante Summe ausmachen“, so Kapek. Auch Wirtschaftskammer, Wirtschaftsministerium und ÖRAK teilen diese Meinung in ihren Stellungnahmen. Darüber hinaus sei die Vollstreckbarkeit im Ausland „mehr als fraglich“, so der Experte. Das Gesetz soll in vier Wochen den Ministerrat passieren.

Link: enwc Rechtsanwälte

Link: Gesetzesentwurf und Stellungnahmen

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