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Recht

Insolvenz-Reform in der Praxis: Start gelungen, doch neue Probleme tauchen auf

Gerhard M. Weinhofer © Creditreform

Wien. Seit 1. Juli ist die Reform der Insolvenzordnung in Österreich in Kraft: Sie soll mit den neuen Sanierungsverfahren dafür sorgen, dass Insolvenzen nicht im Konkurs, der Auflösung des Betriebs und dem Verlust aller Arbeitsplätze enden, sondern mit einer Rettung des Unternehmens.

Tatsächlich wurden in den vergangenen zwei Monaten bereits 88 der neuen Sanierungsverfahren eingeleitet, so Gerhard Weinhofer, Leiter Insolvenz bei Creditreform. Dagegen gab es im gleichen Zeitraum 2009 nur 23 der alten Ausgleichsverfahren: „Man kann sagen, das ist ein guter Start.“

Doch noch ist nicht alles gewonnen, warnen Gläubigerschützer: Es gibt weiterhin zu viele Konkurse, und Schuldner brauchen buchstäblich mehr Cash als früher, um ein Sanierungsverfahren überhaupt starten zu können.

Durch die neue Insolvenzordnung wurde das alte Instrument des Ausgleichs, der ein Weiterbestehen des Unternehmens zwar ermöglicht, in der Praxis aber nur selten eingesetzt wurde, durch die sogenannten Sanierungsverfahren mit und ohne Eigenverantwortung ersetzt.

Bei den Verfahren mit Eigenverantwortung (das Management des betreffenden Unternehmens darf die Sanierung selbst leiten) wurden seit 1. Juli 2010 immerhin 29 Verfahren eingeleitet. Dieses Instrument entspricht am ehesten dem früheren Ausgleich mit 40 Prozent-Quote, so Weinhofer. Gegenüber dem Vergleichszeitraum 2009 gab es einen Anstieg um 26 Prozent (wenn man die Zahl mit den damals eingeleiteten Ausgleichsverfahren vergleicht).

Bei den Verfahren ohne Eigenverantwortung (das Management wird entmachtet, die Quote kann aber unter 30 Prozent liegen) wurden 59 Verfahren eingeleitet. „Die hätte es früher so gar nicht gegeben, es wären Konkurse gewesen, die vielleicht mit Glück in einen Zwangsausgleich geführt hätten“, so Weinhofer.

Man könne in Summe also sagen, dass der Markt „die neue Diktion angenommen hat“, meint er. Die Zahl der Konkurse, die zu bekämpfen ja ein erklärtes Ziel der Insolvenzreform war, ist tatsächlich seit 1. Juli 2010 rückläufig: 510 eingeleitete Konkursverfahren bedeuten einen Rückgang um 9 Prozent.

In absoluten Zahlen ist das allerdings weiterhin hoch. Viele der Konkurse wären aber ohnehin unvermeidlich gewesen, egal unter welcher Insolvenzordnung, so Weinhofer. In anderen Fällen müsse sich eben erst herumsprechen, dass es jetzt die neuen Sanierungsverfahren gibt und wann sie eingesetzt werden können – und zwar sowohl bei den Wirtschaftstreibenden wie teilweise auch den damit befassten Richtern.

„Es dauert, bis es in der Praxis akzeptiert wird. Vor allem ist es auch nötig, dass das Ziel der Insolvenzreform, nämlich Unternehmern einen gesellschaftlich akzeptierten neuen Start zu ermöglichen, sich in der Bevölkerung durchsetzt. Aber für die Entstigmatisierung der Insolvenz könnte es der richtige Weg sein.“ Wirklich zu beurteilen sei das aber erst in ein bis zwei Jahren, so der Creditreform-Experte.

Die Nachteile

Die neuen Verfahren haben auch Nachteile, die sich jetzt in der Praxis zeigen. So verlangen alle Gläubigerschutzverbände – AKV, Creditreform, KSV – in bestimmten Fällen nun eine um die Hälfte höhere „Barquote“, so Weinhofer. Das bedeutet: wer sich sanieren will, braucht gleich am Anfang mehr Bargeld als früher, sonst heißt es doch Konkurs.

Der Grund liegt in der Art und Weise, wie ein Unternehmen sich entschuldet: Bekanntlich muss bei einem Sanierungsverfahren eine bestimmte Quote der Schulden innerhalb von zwei Jahren zurückgezahlt werden, damit das Unternehmen entschuldet weitermachen kann. Beim Sanierungsverfahren mit Eigenverantwortung sind es konkret 30 Prozent.

Davon muss ein Teil sofort am Anfang des Verfahrens bar hinterlegt werden, damit die Schuldner (vertreten durch die Gläubigerschutzverbände) zustimmen – die sogenannte Barquote. Der Rest der 30 Prozent wird dann in einzelnen Raten während der zwei Jahre bezahlt, damit das Verfahren erfolgreich endet. „Früher haben wir 5 Prozent in bar verlangt. Da aber in der neuen Insolvenzordnung die Forderungen nicht wieder aufleben, wenn ein Unternehmen während der Sanierung seine Raten nicht mehr bezahlen kann, muss es am Anfang mehr sein.“

Und daher werde nun zwischen 7 und 9 Prozent sofort verlangt, so Weinhofer. Also haben vor allem finanzkräftige Schuldner die Chance auf ein Sanierungsverfahren, so paradox es klingt.

Ein zweiter Nachteil: im neuen Verfahren kann die Sanierungsfrist nicht mehr verlängert werden, sie beträgt fix zwei Jahre. Das sei dann schädlich, wenn ein Unternehmen sich während der Sanierung unerwartet rasch erholt: früher verlangten die Gläubiger dann zwar eine höhere Quote, also beispielsweise 25 statt 20 Prozent, erstreckten aber gleichzeitig die Frist um ein Jahr, um kein Risiko einzugehen. „Nun ist das nicht mehr möglich. Man kann zwar eine höhere Quote verlangen, dem Unternehmen aber nicht mehr Zeit geben. Das bedeutet, man erhöht damit das Risiko, dass das Unternehmen scheitert.“ In Summe sei das neue Insolvenzrecht also „deutlich unflexibler als früher“.

Link: Creditreform

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