Wien. Im „Strafrechtlichen Kompetenzpaket“ soll unter anderem die Einführung einer großen Kronzeugenregelung im österreichischen Strafrecht erfolgen.
Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) lehnt in einer Stellungnahme die Einführung einer großen Kronzeugenregelung aus grundsätzlichen Überlegungen ab, wie es heißt.
Derzeit liege in Österreich jedem Strafverfahren der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit zugrunde. Dieser Grundsatz des Rechtsstaates würde durch die geplante Einführung der Kronzeugenregelung verloren gehen, meint die ÖRAK. „Ein Verzicht des Staates auf die Erforschung der materiellen Wahrheit wäre ein Bruch mit der österreichischen Strafrechtstradition“, so ÖRAK-Präsident Gerhard Benn-Ibler.
Dass im Strafverfahren plötzlich nicht mehr die Erforschung der Wahrheit im Vordergrund stünde sei einem hochentwickelten Rechtsstaat unwürdig. In der vorgeschlagenen Regelung sieht Benn-Ibler eine „Totgeburt“, die einen Rückfall in die Geisteshaltung des Mittelalters mit sich brächte.
„Punktuelle Schwächen des Entwurfs“
Abgesehen von grundlegenden Bedenken sieht die Rechtsanwaltschaft aber auch punktuelle Schwächen im ausgesandten Entwurf, heißt es. So würde dem potenziellen Kronzeugen nicht von vornherein Straffreiheit zugebilligt, sondern es läge einzig und allein im Ermessen des Staatsanwaltes, ob der potenzielle Kronzeuge tatsächlich in den Genuss der Kronzeugenstellung kommt oder nicht. Die Staatsanwaltschaft entscheidet dies erst nach der „Offenbarung“ des potenziellen Kronzeugen.
„Der Kronzeuge müsste also Wissen preisgeben, ohne jedoch die Gewissheit zu haben, tatsächlich auch unter die Kronzeugenregelung zu fallen“, erklärt Benn-Ibler.
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