
Wien. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an Hitler-Deutschland 1938 wurden fast zwei Drittel der österreichischen Rechtsanwälte von den Nazis mit Berufsverbot belegt, zeigt ein neu erschienenes historisches Fachbuch im Verlag Manz.
Das Schicksal der 1.914 meist wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgten Mitglieder wurde im Auftrag der Rechtsanwaltskammer von Historikern dokumentiert und in Buchform veröffentlicht. Laut den Autoren Ilse Reiter-Zatloukal und Barbara Sauer wurden 303 österreichische Anwälte von den Nazis ermordet, weitere 39 in den Selbstmord getrieben. Diejenigen, denen die Flucht glückte, arbeiteten im Ausland in den verschiedensten Berufen – doch nur in den seltensten Fällen als Jurist, zeigt das Buch.
Dokumentiert sind etwa Fälle von im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina lebenden Exil-Österreichern, die als Bauarbeiter oder Nachtwächter arbeiteten, meldet „Der Standard“.
Die Tätigkeit im neuen Rechtssystem hätte Kenntnisse des britischen, türkischen sowie auch religiösen Rechts erfordert und dazu Prüfungen in zwei bis drei Amtssprachen.
Kammer wehrte sich nicht
Ein Berufsverbot aus rassistischen Gründen wurde durch die Nationalsozialisten bereits im Herbst 1938 verhängt, ein halbes Jahr nach dem „Anschluss“. “ Bis Jahresende 1938 mussten jüdische Rechtsanwälte aus den Anwaltslisten „gelöscht“ werden. Widerstand seitens der Rechtsanwaltskammern scheint es gegen die Maßnahmen keinen gegeben zu haben, heißt es: allerdings seien auch viele Akten vernichtet worden.
Gerhard Benn-Ibler, heutiger Präsident der Rechtsanwaltskammer (ÖRAK) sieht das Motto des Buches den Opfern gewidmet: „Wir haben Euch nicht vergessen“. Über die Täter wurde nichts Näheres erhoben, so Rechtsanwältin Alix Frank-Thomasser vom Verein zur Erforschung der anwaltlichen Berufsgeschichte: dafür seien weitergehende Recherchen notwendig.
249 Rechtsanwälte kehrten nach dem Fall Hitler-Deutschlands nach Österreich zurück; das sei eine ungewöhnlich hohe Rückkehrrate, die sicherlich durch die schwierigen Arbeitsmöglichkeiten in den Aufenthaltsländern bedingt sei, so die Historikerinnen.
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