Wien. Bald ist das neue, reformierte österreichische Insolvenzrecht ein Jahr alt – und es wird ein Erfolgsjahr, meint Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer des Österreichischen Verbandes Creditreform: Allein im ersten Quartal 2011 gab es in Summe 183 der neuen „Sanierungsverfahren“ – ein rasanter Zuwachs.
Seit 1. Juli 2010 soll das Instrument des Sanierungsverfahrens dafür sorgen, dass weniger in Schieflage geratene Unternehmen im Konkurs enden – oder gar nicht erst ein formelles Insolvenzverfahren bekommen, weil nicht genug Geld da ist, um die Kosten dafür zu decken.
Ein Sanierungsverfahren endet je nachdem mit Entschuldung oder Exitus des betroffenen Unternehmens – wobei der Unternehmer die Sanierung selbst kommandieren kann, wenn er im Gegenzug bereit und in der Lage ist, den Gläubigern eine höhere Quote zu bieten. Tatsächlich wird das Instrument bereits zahlreich eingesetzt.
Die bisherigen Erfahrungen deuten in Summe darauf hin, dass das Ziel der Reform erreicht ist, sagt Weinhofer. So gab es im ersten Quartal 2011 insgesamt einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um 3,5 Prozent auf 1692. Die Zahl der eröffneten Insolvenzen stieg überproportional, nämlich um 5,2% auf 891. Von diesen Insolvenzverfahren waren 708 Konkursverfahren, ein Rückgang um 15,2 Prozent. Gleichzeitig gab es 47 Sanierungsverfahren mit Eigenverantwortung (entspricht dem bisherigen Ausgleichsverfahren), ein Anstieg um 291,7 Prozent – also eine Vervierfachung. An Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung gab es 136 – dieses Instrument ist völlig neu und ohne Entsprechung.
Unterm Strich greift das neue Instrument also. Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2009, also dem letzten vollen Jahr vor Inkrafttreten der Insolvenzreform, gab es 7076 Insolvenzen, von denen nur etwas mehr als ein Prozent, nämlich 76, durch Ausgleich und nicht durch Konkurs beendet wurden. Gleichzeitig wurde rund die Hälfte der Pleiten mangels kostendeckender Masse abgewiesen, landete also gar nicht erst im Konkurs.
Auch eine Imagefrage
Zum Erfolg trägt bei, dass bei den Unternehmern das neue Instrument des Sanierungsverfahrens offensichtlich populärer ist als der frühere Ausgleich, sagt Weinhofer: „Wir haben gemerkt, dass viele Unternehmen bis zum Inkrafttreten der Reform gewartet haben, um dann nach dem 1. Juli ein Sanierungsverfahren anzumelden.“ Die Ziele des Gesetzgebers, nämlich mehr Unternehmen zu retten, die Pleite zu entstigmatisieren und auch die Zahl der abgewiesenen Insolvenzanträge zurückzudrängen können damit als erfüllt gelten, so Weinhofer.
Zu den wichtigsten Merkmalen der Sanierungsverfahren zählt:
- Den Gläubigern muss eine Quote von mindestens 30 Prozent ihrer Forderungen angeboten werden (beim alten Ausgleich waren es 40 Prozent)
- Vertragspartner sind 90 Tage lang an bestehende Verträge gebunden – vom Mietvertrag für das Firmenbüro über den Handyvertrag bis hin zu laufenden Lieferverpflichtungen können sie also nicht bei Eintreten der Insolvenz vorzeitig kündigen. Möglich ist aber, dass für diesen Fall z.B. Lieferung nur gegen Barzahlung oder Bankgarantie vereinbart wird, rät Weinhofer.
- Das Unternehmen muss einen Sanierungsplan erstellen, dieser wird von den Gläubigern mit einfacher Mehrheit angenommen oder abgelehnt. Beim alten Ausgleich war Dreiviertelmehrheit erforderlich; wenn ein großer Gläubiger lieber einen Konkurs als einen Ausgleich wollte, konnte er damit leichter als jetzt die Sanierung scheitern lassen. In der Praxis reduziert dies vor allem die Macht der Krankenkassen und anderer öffentlicher Gläubiger, die sich oft als wenig sanierungsfreudig zeigen, heißt es.
Allerdings seien die neuen Sanierungsverfahren in manchen Bereichen zu unflexibel, was sich etwa im Fall der Pleite von A-Tec gezeigt habe. So ist zwingend nach spätestens 90 Tagen eine Tagsatzung, also eine Gläubigerversammlung vorgeschrieben, die über die Annahme oder Ablehnung des Sanierungsplans und damit über Wohl oder Wehe (Sanierungsverfahren oder Konkurs) entscheidet. „Das ist extrem kurz. Im Fall der A-Tec war es zu kurz“, kritisiert Weinhofer.
Denn der Industriekonzern musste bis dahin auf die Werthaltigkeit aller Beteiligungen abgeklopft werden, es mussten Kaufinteressenten gesucht und mit ihnen verhandelt werden – und vor allem brauchte es einen Finanzinvestor, der A-Tec durch das Sanierungsverfahren helfen würde. Endgültige Ergebnisse gab es bis zur Tagsatzung aber keine. Um das Unternehmen zu retten, wurde bei der Tagsatzung von den Gläubigern dennoch einem Sanierungsverfahren mit 47 Prozent Quote der Sanktus erteilt – wissend, dass ohne Finanzinvestor (der noch nicht gefunden war) dieser Sanierungsplan scheitern würde. Nur eine Umwegkonstruktion, bei der der Insolvenzverwalter als Treuhänder bestellt wurde (um den Finanzinvestor suchen oder das Unternehmen notfalls liquidieren zu können) machte diesen Ausweg möglich. „Hier wäre eine flexiblere Handhabung nötig.“
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die starre Fristenregelung im Sanierungsverfahren: Es ist zwar möglich – wenn das Sanierungsverfahren sehr gut läuft – die Quote nachträglich noch zu erhöhen, nicht aber die Frist, bis zu der diese Quote bezahlt werden muss, zu verlängern. Damit setzt man das Unternehmen aber seitens der Gläubiger der Gefahr aus, dass die Erfüllung der erhöhten Quote scheitert und doch noch ein Konkurs resultiert.
Es ginge auch anders
Was Weinhofer auch noch anmerkt: Viele Unternehmer beantragen sofort ein Sanierungsverfahren – es gibt aber auch die Möglichkeit zunächst ein Konkursverfahren zu beantragen und dann nachträglich noch einen Sanierungsplan einzureichen und eine fremdverwaltete Sanierung anzustreben. Das sei etwa dann überlegenswert, wenn das Unternehmen noch gar nicht sicher sei, ob ein Sanierungsversuch überhaupt sinnvoll und vor allem finanzierbar sei.
Nicht geändert haben sich übrigens auch im Jahr 2011 die üblichen Gründe, warum ein Unternehmen überhaupt insolvent wird: Managementfehler, zu wenig Eigenkapital, zu wenig Risikobewusstsein und die sprichwörtliche „Buchhaltung in der Schuhschachtel“ statt einer vernünftigen Planung sind weiterhin die häufigsten Ursachen, sagt Weinhofer. Auch die hohe Zahl der Privatkonkurse – sie steigt seit einiger Zeit in Österreich – ist zum Teil auf Unternehmenspleiten zurück zu führen: 25 bis 30 Prozent der Privatkonkurse sind die Konsequenz gescheiteter Selbständigkeit, heißt es.
Eine Reform des Privatinsolvenzrechts wurde seitens der früheren Justizministerin Claudia Bandion-Ortner angepeilt, hängt nun aber in der Schwebe; frühestens 2012 dürfte es damit ernst werden, schätzen Experten.
Link: Creditreform