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Recht, Tipps

Nationalrat feiert 200 Jahre Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) in Österreich

© Peter Korrak / Parlament

Wien. Jubiläum und Rekord besonderer Art im Parlament: Das „Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch“ (ABGB), zentrale Richtschnur der österreichischen Rechtspflege, wurde vor 200 Jahren erlassen – und gilt immer noch. Nur der Code Napoleon erwies sich (relativ knapp) als langlebiger.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer lud zu einer Geburtstagsfeier ins Hohe Haus, mit zahlreichen prominenten Gästen. Den Festvortrag hielt em. Univ.-Prof. Rudolf Welser.

Prammer nannte in ihrer Begrüßungsansprache die heutige Veranstaltung den Auftakt einer groß angelegten Würdigung des ABGB, wobei das Parlament wohl der geeignete Ort sei, die Schaffung eines solchen Gesetzeswerkes entsprechend zu begehen, so eine Aussendung der Parlamentskorrespondenz.

Im Herbst werde es eine weitere Veranstaltung zum Thema geben, kündigte die Präsidentin an, bei welcher sich dann Studierende mit der Thematik auseinandersetzen würden. Prammer meinte, man sei stolz darauf, die zweitälteste Privatrechtskodifikation der Welt zu haben. Es möge das ABGB für den normalen Menschen ein Buch mit sieben Siegeln sein, dennoch betreffe es alle, heißt es. Daran würden auch diverse Erneuerungen nichts ändern – so stehe im Herbst eine Neufassung des Schadensersatzrechts an -, denn in seiner Gesamtheit werde das ABGB auch weiterhin seine Wirkung entfalten.

Blick in die Geschichte

Der ehemalige Dritte Präsident des Nationalrats und Vorstand des Instituts für Rechts- und Verfassungsgeschichte der Universität Wien, Wilhelm Brauneder meinte, es sei überaus selten, dass ein Gesetzeswerk 200 Jahre alt werde. Lediglich der Code Napoleon habe es 2004 zu einem solchen Jubiläum gebracht. Der 200. Geburtstag des ABGB sei umso bemerkenswerter, als sich der staatliche Geltungsbereich dieses Codex mehrmals grundlegend gewandelt habe. Ursprünglich für das Kaisertum Österreich erlassen, galt es ein halbes Jahrhundert für die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie, wenngleich es im ungarischen Reichsteil formal nicht in Kraft war.

Nach dem staatlichen Zusammenbruch des Habsburgerreiches übernahmen mehrere Nachfolgestaaten, etwa die Tschechoslowakei, Polen und Jugoslawien, den Gesetzestext des ABGB in ihren Rechtsbestand. Das ABGB überstand somit den Übergang von der Monarchie zur Republik und ging auch aus dem temporären Ende Österreichs letztlich unbeschadet hervor, heißt es.

Das Universalgesetzbuch

In seinem Festvortrag erklärte der emeritierte Universitätsprofessor Rudolf Welser, ungefähr 60 Jahre lang seien für dieses Gesamtwerk des bürgerlichen Rechts Vorarbeiten geleistet worden, in deren Verlauf die Kodifikation klarer, verständlicher und abgerundeter, ja sogar kürzer geworden war. Die Arbeit wurde von den besten Juristen aus allen Teilen der Monarchie geleistet, als eigentliche Verfasser gelten aber Karl Anton von Martini und Franz von Zeiller.

Damals hätte wohl noch niemand vorhergesehen, dass dieses Gesetz auch 200 Jahre später noch umfassende Geltung besitzen würde, so Welser.

Das ABGB sei ein Gesetz, mit dem man schon bei der Geburt Bekanntschaft mache, nach welchem man sich verlobe, verheirate und scheiden lasse, ein Gesetz, nach dessen Vorschriften man sein Haus, sein Grundstück, seinen Acker gekauft habe, nach dem man seine täglichen Geschäfte mache, sein Brot verdiene, seine Wohnung miete, seine Jause kaufe, sich Geld ausleihe, im Gasthaus zahle und zuletzt sein Hab und Gut weitervererbe.

Das Gesetz sei „allgemein“, weil es für alle gleichermaßen gilt. Dass es bürgerlich heiße, deute nicht auf Bourgeoisie, auf einen besonderen Bürgerstand, sondern auf das römische Zivilrecht, das Recht der cives Romani hin. Eine Bevorzugung der Bürger im Sinne der französischen Revolution liege darin nicht, im Gegenteil: die vielzitierten Paragraphen, welche die grundlegenden Rechte einzelnen Personen zuordnen, beginnen mit „Jeder“ oder „Jeder Mensch“.

Das ABGB habe freilich nur deshalb überlebt und sich bewährt, weil es immer wieder novelliert und den Entwicklungen und Notwendigkeiten verschiedener Zeiten angepasst wurde, erinnert Welser: Bis heute ist dies 83mal geschehen. Daneben wies Welser auf eine andere Erscheinung hin: Manche große Rechtsgebiete hätten sich als Ganzes überhaupt vom ABGB emanzipiert und seien „selbständig“ geworden. Dies gelte vor allem für das Arbeitsrecht.

Wie reformieren?

Gerade in letzter Zeit würden Stimmen laut, die für eine Art „Generalüberholung“ des ABGB einträten. Eine Kodifikation, die sich 200 Jahre bewährt habe, tiefgreifend zu reformieren, sei allerdings keine leichte Aufgabe. Nur eine der Fragen, die sich dabei stelle, sei jene, für welche Änderungen wirklich ein Bedarf besteht. Genügten theoretische Anliegen, etwa die Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Strömungen, oder sollte auch in der Praxis eine gewisse Unzufriedenheit mit dem bisherigen oder ein Gefühl der Lückenhaftigkeit bestehen?

Es müsse vermieden werden, dass es zu einer sogenannten „Professorenreform“ kommt, für die über den Kreis der Gelehrten hinaus kein Bedarf wahrgenommen wurde, mahnte Welser.

Das ABGB habe jedenfalls seine Lebenskraft bewiesen, hielt Welser abschließend fest. Es brauche weder vom Inhalt noch von der Form her den Vergleich mit jüngeren Gesetzen zu scheuen. Natürlich seien aber Reformen, Anpassungen an die heutigen sozialen Gegebenheiten, an den internationalen Handel und an sonstige Umstände, vor allem aber an die europäische Rechtsentwicklung notwendig: „Haben wir keine Angst vor Reformen, auch nicht vor einer Generalüberholung, aber machen wir sie so, dass Wesen und Wert des ABGB erhalten bleiben, so dass wir es auch nach der Reform noch als Ganzes, als unsere Kodifikation, wiedererkennen. Möge die künftige Reform ebenso gelingen wie das heute zweihundert Jahre alte ABGB gelungen ist“, so Welsers Resümee.

Link: Parlament

 

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