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Bildung & Uni, Recht

Verfassungsrechtler Heinz Mayer: Die Justizreform ist eine offene Baustelle

Heinz Mayer © gst

Wien. Weiterhin viel Verbesserungsbedarf sieht Verfassungs- und Verwaltungsjurist Heinz Mayer an der österreichischen Justiz: Der Uni-Professor und Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien fordert eine unabhängige, gegenüber dem Justizminister nicht weisungsgebundene Staatsanwaltschaft.

Zu diesem Zweck schlägt Mayer die Einführung eines Bundesstaatsanwalts als oberste, politisch ungebundene Instanz vor. Das Argument, in der Praxis sei das zu schwierig, beantwortet Mayer so: „Beim Präsidenten des Rechnungshofs geht es ja auch.“

Alle Präsidenten des Rechnungshofs (RH) hätten das Ansehen ihrer Institution gewahrt – ganz im Gegensatz zu den bekannten Causen der jüngeren Vergangenheit, meinte Mayer beim „Business Breakfast“ der Wiener PR-Agentur Ecker & Partner zum Thema „Patient österreichische Justiz?“. Eine Reihe von Justizministern und -ministerinnen habe als „Fehlbesetzungen“ dazu beigetragen, der Justiz in Österreich zu schaden, so Mayer. Die Vorgängerin der amtierenden Justizministerin Beatrix Karl, Claudia Bandion-Ortner, sei „völlig überfordert“ gewesen.

In die Amtszeit von Karl fällt der Fall der Festnahme und Freilassung des per europäischem Haftbefehl gesuchten Ex-KGB-Offiziers Michail Wassiljewitsch Golowatow: Hier habe sich Österreich international blamiert, weil einige der Aussagen offizieller Stellen sich rasch als falsch entpuppt hätten, so Mayer.

Grundsätzlicher Verbesserungsbedarf

Mayer meinte, dass den in der Politik handelnden Personen das Wissen über den hohen Stellenwert der Justiz abhanden gekommen sei. Es sei für das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz nicht nur entscheidend, was passiert, sondern auch wie die Justiz repräsentiert wird und wer an ihrer Spitze steht.

„Wieso kann der Staatsanwaltschaft nicht jemand vorstehen, der außerhalb der Politik steht?“, so die Frage von Mayer. Ein solcher Bundesstaatsanwalt könne ähnlich dem Rechnungshof-Präsidenten vom Parlament gewählt werden, oder nach einem Dreiervorschlag durch die Höchstrichter vom Bundespräsidenten bestellt werden. „So lange die Politik der Justiz vorsteht“, so Mayer, „wird man der Strafjustiz auch weiterhin politische Gängelung vorwerfen.“

Grundsätzlich kritisierte Mayer den Stellenwert eines politischen Bewusstseins in Österreich: „Wir leiden in Österreich sicher an einem Mangel an politischer Bildung.“ Die Bedeutung der Justiz sei in der Bevölkerung zu wenig verankert: „Wir sind ein Volk von Untertanen.“

Auch die Richterschaft müsse für „Ordnung in den eigenen Reihen“ sorgen, sonst würde früher oder später „der Gesetzgeber zuschlagen“, warnt Mayer: Er spreche dabei Fälle an, die den Anforderungen ihres Amtes „offensichtlich nicht entsprechen wollen oder können“. Entscheidend sei aber vor allem ein verantwortungsvoller Justizminister, der das Gespräch mit den wichtigen Vertretern der Richterschaft suchen müsse.

Amtsgeheimnis überdenken

Anhand der in seiner Vorlesung vorgetragenen Abhörprotokolle aus dem BUWOG-Fall ging Mayer auch auf das Thema Datenschutz ein. Natürlich müsse dieser gewahrt werden, das Problem sei aber vielmehr ein Missbrauch des Amtsgeheimnisses. Als Beispiel nannte Mayer die Schwärzung von ganzen Passagen in den Akten, die dem Eurofighter-Untersuchungsausschuss vorgelegt wurden. „Die Rechtsordnung sieht vor, dass das Amtsgeheimnis im öffentlichen Interesse aufgehoben werden kann.“

Die Qualität der österreichischen Richter sei „im Großen und Ganzen in Ordnung, man muss sie nur ihre Arbeit tun lassen“, so Mayer. Das Jus-Studium in Österreich sei gut, allerdings könne die Universität nicht die Praxis ersetzen. Diese sei aber unbedingt notwendig, damit sich Juristen zu guten Staatsanwälten und Richtern entwickeln können.

Wichtig sei laut Mayer auch, dass im Laufe einer Karriere häufiger zwischen Straf- und Zivilrecht gewechselt werde. Die richterliche Laufbahn sollte so gestaltet werden, dass man nur ins Höchstgericht bestellt werden kann, wenn man zuvor zwischen diesen Bereichen gewechselt habe.

Neben der allgegenwärtigen Ressourcen- und Personalknappheit habe die Justiz in Österreich laut Mayer aber vor allem ein Hauptproblem. Entscheidend sei der Stellenwert, den die Politik der Justiz beimesse. Und weiter: „Sie werden von mir nie etwas gegen die Staatsanwälte hören. Staatsanwälte sind nicht bessere oder schlechtere Menschen als alle anderen“, so Mayer. „Das Problem ist, dass sie einem Politiker untergeordnet sind.“

Als Diskussionsteilnehmer und im Publikum gesichtet wurden u.a. Barbara Helige (Präsidentin der Richtervereinigung), Franz Floss (Geschäftsführer des Vereins für Konsumenteninformation, VKI), Gabriele Zgubic-Engleder (Leiterin der Abteilung Konsumentenpolitik in der AK Wien), Christian Winternitz (Kraft & Winternitz Rechtsanwälte), Michael Oberhummer (Vorstand Intermarket Bank), Oliver Stauber (Chief Financial Officer bei Lansky, Ganzger + partner) sowie Sophie Karmasin (Karmasin.Movtivforschung).

Link: Ecker & Partner

 

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