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Recht, Veranstaltung

40. Präsidentenkonferenz der Anwaltsorganisationen nahm Gefahren für Rechtssysteme unter die Lupe

©EPK

Wien. Zum 40. Mal trafen rund 200 Vertreter aus Anwaltschaft und Justiz von 40 Ländern zur Europäischen Präsidentenkonferenz der Rechtsanwaltsorganisationen (EPK) in Wien zusammen. Im Mittelpunkt der vom Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) veranstalteten Tagung stand das Thema „Justiz in Gefahr – was tun?“.

Thematisiert wurden die Auswirkungen der europäischen Schuldenkrise auf die Rechtssysteme und mögliche  Vertrauenseinbußen seitens der Bürger.

Es gab u.a. Referate der ehemaligen OGH-Präsidentin Irmgard Griss, des Dekans der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Wien Heinz Mayer, des Präsidenten der US-amerikanischen Rechtsanwaltskammer William T. Robinson und des Vorsitzenden der ständigen Delegation des Rates der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) beim EuGH, Hugh Mercer. Auch die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und Justizkommissarin Viviane Reding setzte sich im Rahmen eines Festvortrages mit dem Tagungsthema auseinander, heißt es in einer Aussendung.

Rechtsanwälte warnen vor Angriffen auf Rechtssysteme

„Es sind gleich mehrere Gefahren, denen die jeweiligen Rechtssysteme derzeit ausgesetzt sind“, so ÖRAK-Vizepräsidentin Marcella Prunbauer-Glaser, die in diesem Jahr als Präsidentin des Rates der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) über eine Million Rechtsanwälte aus ganz Europa vertritt.

„Einerseits lässt sich quer durch Europa unter den Bürgern ein Vertrauensverlust in ihre Justiz ausmachen, andererseits bleiben auch die Rechtssysteme nicht von Auswirkungen der Staatsschuldenkrise verschont“, so Prunbauer-Glaser.

In jenen Ländern, die von der Krise am meisten betroffen sind, werden von der „Troika“ auch Änderungen im Rechtssystem verlangt. In Irland ist die Einrichtung eines von der Politik besetzten Regulators vorgesehen, der in weiterer Folge auch für die Zulassung und Streichung von Rechtsanwälten zuständig sein soll.

„Ein Angriff auf die demokratischen Strukturen, der in keinem Zusammenhang mit der Krisenbewältigung steht“, so Prunbauer-Glaser. Das Recht jedes Bürgers auf einen unabhängigen Rechtsanwalt sei wie die Unabhängigkeit der Richter ein Grundpfeiler des demokratischen Rechtsstaates.

„Wie soll der Einzelne gegen den Staat auftreten und seine Ansprüche geltend machen, wenn ihm die Unterstützung durch einen unabhängigen Rechtsanwalt verwehrt wird. In Kombination mit einer systematisch geschwächten Justiz, die allerorts im Sparzwang der Politik gefangenen ist, führt dies unweigerlich zur Ausdünnung des Rechtsstaates“, so Prunbauer-Glaser.

„Die ohnehin schon knappen Justizbudgets drohen weiter gekürzt zu werden, die Gebührenlast wird immer größer und mancherorts geraten sogar demokratische Grundprinzipien wie das Recht jedes Bürgers auf einen unabhängigen Rechtsanwalt in Gefahr“, warnt ÖRAK-Präsident Rupert Wolff. Nicht zuletzt sei auch der Vertrauensverlust in der Bevölkerung gefährlich für die Justiz.

Rechtsanwälte fordern Umdenken der Politik im Umgang mit der Justiz

Die Rechtsanwälte fordern ein Umdenken der politischen Verantwortungsträger. „Wird im Bereich der Justiz von Effizienz gesprochen, dann in der Regel von Kosteneffizienz. Ich halte das für den völlig falschen Zugang. In Wahrheit muss es um effiziente Verfahrensabläufe, um die Qualität der Rechtsprechung, um Rechtssicherheit, den Zugang zum Recht und Rechtsschutz gehen. Das alles macht einen funktionierenden Rechtsstaat aus“, so Wolff.

Die Kosten der Justiz in Form von Gebühren ausschließlich auf die rechtsuchende Bevölkerung abzuwälzen, hält der ÖRAK-Präsident für verfehlt. „Eine funktionierende Gerichtsbarkeit gehört zu den Kernaufgaben des Staates und liegt im Interesse der Allgemeinheit. Sie darf daher nicht ausschließlich durch die Gebühren der Betroffenen finanziert werden, wie es derzeit der Fall ist“, so Wolff.

Die Justiz dürfe nicht als staatliche Einnahmequelle betrachtet werden. Ihre Aufgabe sei es, den Rechtsfrieden zu garantieren. „Justiz darf nicht käuflich sein!“, warnt Wolff.

Über Strukturreformen wie etwa im Bereich der Gerichte könne man jederzeit nachdenken, wenn es tatsächlich um die Verbesserung des Zugangs zum Recht und der Rechtsstaatlichkeit gehe, aber nicht um gegenüber der Öffentlichkeit staatlichen Einsparungswillen zu demonstrieren. Dafür sei die Justiz das falsche Exempel, denn hier werde bereits kosteneffizient gearbeitet. Dies sei schon daran zu erkennen, dass die Justiz durch Gebühreneinnahmen einen Überschuss erwirtschafte.

„Weitere Einsparungen in Höhe der kolportierten 6 Millionen Euro im Jahr bedeuten nichts anderes, als der rechtsuchenden Bevölkerung ohne Gegenleistung 6 Millionen Euro abzunehmen“, so Wolff. „Der Fokus einer Diskussion über die Gerichtsorganisation muss auf tatsächliche Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger gerichtet sein“, befindet Wolff, „mag dies auch Geld kosten. Denn ein funktionierendes Rechtssystem ist ein entscheidender Faktor für den Wirtschaftsstandort“, so Wolff.

Rechtssicherheit und eine Justiz, der man uneingeschränkt vertrauen kann, sei sowohl für Unternehmer als auch Arbeitnehmer eines der wichtigsten Kriterien bei der Standort- und Arbeitsplatzsuche.

Initiative Justiz und Wahrnehmungsbericht zur Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit

Als erfreulich bezeichnet Wolff den nun im Rahmen der Initiative Justiz eingeschlagenen Weg, gemeinsam mit Justizministerium und allen justiziellen Berufsgruppen Verbesserungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Ziel sei es, Verfahren für die Bürger nachvollziehbar, fair und in angemessener Zeit zu führen.

„Ich bin zuversichtlich, dass uns Verbesserungen gelingen werden“, so Wolff. Dieses Projekt sei auch beispielgebend für andere Staaten. Ebenso wurde von Wolff im Rahmen der Konferenz der jährliche Wahrnehmungsbericht der österreichischen Rechtsanwälte, der als „Fieberkurve des Rechtsstaates“ Probleme und Fehlentwicklungen in Rechtspflege und Verwaltung aufzeigt, vorgestellt.

„Damit ist es möglich, Rechtsstaatlichkeit messbar zu machen“, so Wolff. Der CCBE wird unter Federführung seiner Präsidentin Marcella Prunbauer-Glaser diese Idee aufgreifen und plant, künftig einen Bericht über den Zustand der Justiz in Europa zu erstellen.

„Damit können europaweit Vergleiche angestellt, Schwachstellen aufgezeigt und konkrete Verbesserungsmaßnahmen im Sinne der Rechtsstaatlichkeit erarbeitet werden. Unser Ziel muss sein, die heimische Justiz zur Nummer eins in Europa zu machen“, so Wolff.

Link: Europäische Präsidentenkonferenz

 

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