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Recht, Tipps

Anwälte warnen vor eingeschleustem Durchsuchungs-Gesetz gegen Anwälte, Ärzte und Journalisten

Rupert Wolff © ÖRAK / Niko Formanek

Wien. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) warnt „mit großer Sorge“ vor einem Gesetzesentwurf, der jetzt im Rahmen des Sparpakets von der Regierung abgesegnet wurde, sich aber keineswegs mit Budgetthemen befasst: Die geplante Neufassung des §112 der Strafprozessordnung (StPO) sieht vor, dass die Beschlagnahmung von Unterlagen, die dem Berufsgeheimnis von Anwälten, Journalisten, Ärzten und ähnlichen Berufsgruppen unterliegen, erleichtert bzw. die Einsichtnahme durch die Staatsanwaltschaft ermöglicht wird.

Was Anwälte-Präsident Rupert Wolff besonders erzürnt: die Neufassung von §112 StPO wurde erst nachträglich, also nach Ende der öffentlichen Begutachtung, in den Entwurf „eingeschleust“ und damit einer öffentlichen Diskussion entzogen. Die Anwälte fordern, dass der Nationalrat diesem Entwurf nicht zustimmt.

Der betreffende Passus wurde zwar von der Rechtsanwaltschaft mit Stellungnahme vom 7. Februar 2012 begutachtet, doch kam es erst nach Ablauf der Begutachtungsfrist (7. Februar 2012) und vor der Behandlung im Ministerrat (28. Februar 2012) zu wesentlichen Änderungen, so die Anwälte.

Diese waren damit – weil nachträglich in den Text eingefügt – einer Begutachtung entzogen.

Die geplanten Änderungen der Strafprozessordnung besitzen „enorme gesellschaftliche Tragweite und Brisanz“, so die ÖRAK. Laut ihrer Stellngnahme handelt es sich dabei um die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen, unter denen Redaktionsgeheimnis, anwaltliche Verschwiegenheit und eine Reihe weiterer gesetzlich geregelter Verschwiegenheitspflichten und –rechte problemlos von der Staatsanwaltschaft ausgehebelt werden können, und zwar ohne Einbindung eines unabhängigen Gerichts, dessen Kompetenzen im Strafverfahren weiter zugunsten der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft eingeschränkt werden.

Staatsanwalt entscheidet selbst, was relevant ist

Knackpunkt ist, dass der neue §112 StPO für gesetzlich legitimierte Geheimnisträger wie etwa Anwälte plötzlich sehr weitreichende Ausnahmen formuliert, wenn diese in der fraglichen Causa selbst als Beschuldigte gelten. Dazu könne es aber sehr rasch kommen, so die Anwälte. Und vor allem: Heutzutage werden üblicherweise ganze Festplatten beschlagnahmt, die dann alle Akten bzw. alle Daten der jeweiligen Kanzlei oder Redaktion enthalten.

Nach dem neuen Entwurf soll nicht mehr wie bisher ein Richter das Material einsehen und dann darüber entscheiden, ob und wenn ja welche beschlagnahmten Daten Inhalt des jeweiligen Verfahrens werden – sondern in gewissen Fällen der betreffende Staatsanwalt selbst.

Dieser würde also als Vertreter der Anklagevehörde den gesamten Informationsbestand einsehen können und müsste dann selbst entscheiden, ob er diese Informationen quasi offiziell zur Kenntnis nimmt – oder aber sie, weil nicht zur Sache gehörend, nun bloß inoffiziell kennt. Zwar kann vom Betroffenen Widerspruch gegen die Entscheidung des Staatsanwalts eingelegt werden – doch selbst wenn diesem stattgegeben wird, führt dies dann wiederum bloß dazu, dass die Anklagebehörde offiziell nicht weiß, was sie in der Praxis bereits zur Kenntnis genommen hat. In den Augen der Anwälte ein untragbares Szenario.

Auch § 116 StPO soll durch den Entwurf (entgegen der letzten öffentlichen Fassung) stark abgeändert und richterliche Kompetenz zugunsten der Staatsanwaltschaft beseitigt werden, beklagen die Anwälte. „Offenbar sollen die Gerichte ausgebremst werden, indem man die Kompetenzen des Richters im Strafverfahren einschränkt“, so Wolff. „Die Macht des weisungsgebundenen Staatsanwaltes soll hingegen immer größer werden“.

Dies sei umso besorgniserregender, wenn derartige Regelungen geheim, unter Umgehung der Begutachtung, in einen vorhandenen, unverdächtigen Entwurf eingeschleust werden. Außerdem würden dadurch versteckt und entgegen Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) die Verschwiegenheitspflichten und -rechte zahlreicher Berufsgruppen ausgehebelt. „Im Rahmen eines ordentlichen Begutachtungsverfahrens wären diese Pläne von allen Experten in der Luft zerrissen worden“, so Wolff, der die Vorgehensweise des Justizministeriums als inakzeptabel bezeichnet.

Link: ÖRAK

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