Wien. Alle Kommunikationsverbindungen der Österreicher werden ab 1. April aufgezeichnet und 6 Monate lang gespeichert. Doch halt: Macht beispielsweise ein Internet-Provider unter 277.000 Euro Umsatz, dann muss er gar nicht speichern. Wer betroffen ist, sei nicht bekannt, lautet einer von vielen Kritikpunkten der Arge Daten. Vor allen Dingen existiere für diese neue Datenspeicherung noch kein Antrag an die Datenschutzkommission – weshalb die Arge dort Antrag auf Untersagung gestellt hat.
Weitere Kritiker finden sich in so unterschiedlichen politischen Lagern wie den Grünen und den Kärntner Freiheitlichen: Mehrere Verfassungsklagen gegen die Vorratsdatenspeicherung rollen an.
„Chaotisch und dilettantisch“ werde der größte Grundrechtseingriff der Zweiten Republik organisiert, formuliert es die Arge Daten. Die Grundlagen: Mit 1. April 2012 müssen bestimmte Internet- und Telefonanbieter das Kommunikationsverhalten ihrer Kunden sechs Monate „auf Vorrat“ speichern. Wer mit wem telefoniert hat, wer wem ein SMS oder eMail geschickt hat, wer im Internet war und in welcher Mobilfunk-Zelle jemand telefoniert hat wird aufgezeichnet. Das Motto sei „verdächtig sind alle“, kritisiert die Arge Daten.
Alle bis zu diesem Zeitpunkt vorhanden Betriebsdaten der letzten sechs Monate dürfen nicht mehr gelöscht werden und werden automatisch zu „Vorratsdaten“ erklärt.
„Seit knapp einem Jahr existiert das Gesetz, wie sich jetzt herausstellt, wurden die Vorbereitungen offenbar völlig chaotisch abgewickelt“, heißt es: Wesentlicher Kern der Vorratsdatenspeicherung ist die sogenannte Durchleitstelle, eine vom BMVIT eingerichtete und vom Bundesrechenzentrum betriebene Stelle, die die Vorratsdaten von den Anbietern zu Polizei und Justiz weiterleitet. Doch die betreffende Datenverarbeitung wurde nicht zeitgerecht bei der Datenschutzkommission zur Genehmigung gemeldet, zürnt die Arge Daten.
Sowohl der schon jetzt laufende Probebetrieb, als auch der mit 1. April startende Echtbetrieb erfolge damit entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes.
Umsatzgrenze entscheidet
Zur Vorratsdatenspeicehrung sind Anbieter nur dann verpflichtet, wenn sie 2012 eine geplante Umsatzgrenze von 277.000 Euro überschreiten, so die Arge Daten weiter. Rund 142 Unternehmen sind das, doch wieviele und welche es tatsächlich sind, „will sich das BMVIT nicht festlegen“. Viele kleine Internetprovider fallen nicht darunter, heißt es jedenfalls.
Drei Tage vor Start der Datenspeicherung gebe es jedenfalls keine verbindliche Liste wer speichern muss und wer nicht. Arge Daten-Obmann Hans G. Zeger: „Gerade in der E-Mail-Nutzung kann es ein wesentliches Kriterium für die Auswahl des Anbieters sein, zu wissen, ob ein Provider den E-Mail-Verkehr ‚bevorratet‘ oder er keine Aufzeichnungspflicht hat.“
Darüber hinaus seien auch die Vorratsdatenspeicherungen der Kommunikationsunternehmen meldepflichtig; auch das sei im überwiegenden Teil der Fälle nicht erfolgt.
Stopp wegen Datenschutz-Verstoß?
Solange nicht alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, müsse die Vorratsspeicherung ausgesetzt werden, so die Arge Daten: Man habe daher mit 28. März 2012 bei der Datenschutzkommission den Antrag auf sofortigen Stopp der Speicherung gestellt.
Auf der Ebene der Grundrechte wollen andere Akteure gegen die Vorratsdatenspeicherung vorgehen: Die Vereinigung AK-Vorrat und die Grünen präsentieren morgen eine Verfassungsklage. Und Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) stellt beim Verfassungsgerichtshof Antrag auf Aufhebung der Bestimmungen über die Vorratsdatenspeicherung; eine solche direkte Anrufung des Höchstgerichts ist eines der Rechte der österreichischen Bundesländer.
Befürworter der Vorratsdatenspeicherung erhoffen sich eine effektivere Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Terrorismus sowie klarer geregelte Befugnisse der Exekutive.
Link: Arge Daten