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Recht

Litigation PR als Kunst des goldenen Mittelwegs: „Nicht schweigen – aber auch nicht gleich ans Telefon gehen“

Herbert Langsner ©gst

Wien. Ex-„Format“-Herausgeber Herbert Langsner hat sich mit seiner seit zwei Jahren bestehenden Agentur HLC auf „Litigation PR“ spezialisiert.

Sein Job ist sozusagen zum aufsehenerregenden Gerichtsverfahren die passende Öffentlichkeitsarbeit: Immerhin hat Langsner als Ex-Chefkommunikator der Meinl Bank eine der aufsehenerregendsten Causen Österreichs selbst betreut. Eine der wichtigsten Regeln: Schweigen ist nicht Gold – doch zuviel kommunizieren auch nicht.

Langsner, selbst studierter Jurist (mit Gerichtsjahr), hat lange Dienstjahre bei den Nachrichtenmagazinen „profil“ und „News“ in leitender Funktion hinter sich. Dann wechselte er 2007 vom Nachrichtenmagazin „Format“ (wo er sieben Jahre lang Herausgeber war) zur Meinl Bank. „Das war ein klassischer Litigation-PR- und Krisen-PR-Job“, so Langsner gegenüber der Zeitung „Medianet“.

Auf diese Themen ist seine Agentur Herbert Langsner Communications (HLC) spezialisiert, die er vor über zwei Jahren gegründet hat. Bedarf sei hier auf dem Markt eindeutig vorhanden – denn ebenso wie bei den Anwälten sei auch auf dem Gebiet der Public Relations ein Trend zur Spezialisierung festzustellen.

Zu seinen Kunden kommt Langsner häufig über Anwälte, die für Mandanten in spektakulären Causen unterstützende Öffentlichkeitsarbeit brauchen. Litigation PR ist freilich nicht auf Strafverfahren beschränkt. Auch privatrechtliche Auseinandersetzungen, Sammelklagen sowie Umweltrecht und Vorgänge an der Börse (Übernahmen, Streitigkeiten zwischen Shareholdern, usw.) stehen immer mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit.

Gericht und Medien

In Krisensituationen, die mit Gerichtsverfahren verbunden sind, kommt es auf den richtigen Know-how-Mix an: „Dazu muss man die Abläufe vor Gericht und bei der Staatsanwaltschaft kennen und auch das Sachwissen haben, um mit den Anwälten auf Augenhöhe auch über juristische Themen reden zu können.“

Gleichzeitig wird ein Verfahren, das im Brennpunkt der Aufmerksamkeit der Medien steht, auch von ganz eigenen Charakteristika beherrscht. Man müsse also auch wissen, wie man mit Journalisten umgeht, was sie interessiert und welchen Informationen sie zugänglich sind, so Langsner: „Oft geht es für die Klienten darum, am besten gar nicht erst in der Berichterstattung vorzukommen – zum Beispiel in Affären wie der Hypo Alpe Adria-Verluste oder jetzt im Telekom-Untersuchungsausschuss.“

In der Regel gehe es aber auch bei Litigation PR darum, die Argumente des Kunden an die richtigen Zielgruppen zu kommunizieren. Dabei gilt es, die vielen Teilöffentlichkeiten zu berücksichtigen: nicht bloß die Leserschaft der Medien, sondern auch die Staatsanwaltschaft, die Politik, die Rechts-Community, die übrigen Anteilseigner eines Unternehmens usw.

Reputation Management

Hier hat Langsners Tätigkeit viel mit Reputation Management zu tun. So kann etwa ein Unternehmen gemäß dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz für Missetaten seiner Untergebenen bestraft werden, die es wegen gravierender Organisationsmängel nicht verhindern konnte. Das bedeutet nicht zuletzt eine schwere Blamage für das Management. „In einem solchen Fall wiegt der Imageschaden viel schwerer als die Geldstrafe.“

Naturgemäß müsse ein Litigation-PR-Profi also „Hand in Hand mit den Anwälten“ arbeiten, damit nicht ein juristischer Sieg in den Augen der Öffentlichkeit als trickreiches Winkeladvokatentum erscheint und den Imageschaden noch vergrößert. „Journalisten stehen in der Regel auf Seiten des Schwächeren, und als solchen sehen sie ein Unternehmen meist nicht“, sagt Langsner. „Da muss der PR-Berater – oder, besser, der Unternehmenschef selbst – mit den Journalisten in Kontakt treten und um Verständnis werben.“ Es hilft, dass gerade bei sensiblen Causen die Zahl der investigativen Reporter in Österreich begrenzt ist – Profis wie Langsner kennen die meisten von ihnen persönlich.

Freilich müsse er auch die Einstellung seiner Kunden manchmal zurechtrücken, wie er betont. „Viele Mandanten glauben, dass Journalisten von Haus aus ihre Gegner sind sind. Dabei haben sie lediglich einen bestimmten Informationsstand, von dem sie ausgehen. Sie können zum Beispiel von der Gegenseite mit Informationen gefüttert worden sein.“ Dem gelte es entgegenzutreten – und dabei gleichzeitig im Kopf zu behalten, dass – im Gegensatz zum Gericht – Journalisten in Österreich keineswegs verpflichtet sind, 20seitige Schriftsätze der Verteidigung von der ersten bis zur letzten Seite durchzulesen, geschweige denn, sie zu veröffentlichen.

Die Kunst des Kommunikationsberaters bestehe also darin, auch komplizierte juristische Zusammenhänge knapp und allgemein verständlich zu formulieren und als klare Botschaft zu verpacken.

Tipps für Krisen- und Litigation PR:

  • Nicht zu spät beginnen. Grundsätzlich sollen frühzeitig das Kommunikations-Ziel und davon abhängig die Strategie und die nötigen Maßnahmen festgelegt werden.
  • Ganz oben beginnen. Bei der Festlegung der Kommunikationsstrategie müssen der Vorstand/Chef, dessen Anwalt und der PR-Berater gemeinsam an einem Tisch sitzen.
  • Hintergründe recherchieren. Warum fahren die Gegner eine bestimmte Kommunikationsstrategie? Wer steckt wirklich hinter den lauten Stimmen in der Öffentlichkeit?
  • Recht und Image abwägen. Was rechtlich eine gute Maßnahme ist, kann in der Öffentlichkeitsarbeit ein Schuss ins Knie werden.
  • Nie sofort verbinden lassen. Journalistenanfragen sollten nie sofort beantwortet werden, auch wenn sie harmlos scheinen – es herrsche Überrumpelungsgefahr, so Langsner. Er empfiehlt, sich stets Name und Medium geben zu lassen und dann – nach gebührender Hinterfragung – zurückzurufen oder Fragen per Email zu beantworten. Allerdings zeitnah, um den Redaktionsschluss der Medien zu beachten.
  • Schweigen ist nicht Gold. Die Strategie „Kein Kommentar zu laufenden Verfahren“ ist bequem, aber oft gefährlich – vor allem, wenn die Gegner proaktiv kommunizieren und so das Terrain für sich erobern.
  • Manchmal muss der Chef sprechen. Der deutsche Ex-Bundespräsident Wulff schickte wochenlang Sprecher und Anwälte ins mediale Feuer, statt selbst aufzutreten; gleiches geschah bei der BP-Ölkatastrophe im Golf von Mexiko. Ein schwerer Fehler, so Langsner. Es sei Aufgabe des Beraters, festzustellen wann es nicht mehr genüge „reaktiv“ zu sein, sondern „proaktiv“ kommuniziert werden muss.
  • Realistisch bleiben. Ist das Problem einmal da, wird der Tenor der Berichterstattung nicht immer umgedreht werden können – aber sie kann durch die richtigen Kommunikationsmaßnahmen sehr wohl differenzierter und objektiver werden, sagt Langsner.
  • Dimensionen verstehen. Ein einzelner negativer Bericht in einem regionalen Medium ist noch keine Katastrophe und nicht jede Kritik ist eine Kampagne. Ein erfahrener Medienberater könne auch die Dimension des Problems richtig einschätzen – und verhindern, dass eine überzogene Reaktion erst recht unerwünschte Aufmerksamkeit hervorruft.

Grundsätzlich sieht Langsner sein Geschäftsfeld auf dem aufsteigenden Ast. „Viele der aktuellen Causen haben mit der Finanzkrise zu tun, mit den Verlusten für die Anleger. Dadurch sind viele Dinge in den öffentlichen Blickpunkt geraten, um die andernfalls wahrscheinlich kein Aufhebens gemacht worden wäre. Doch es gilt darüber hinaus generell, dass alles immer öffentlicher und schneller wird.“

Dabei sind auch Social Media wie Facebook, Twitter, Blogs und Diskussionsforen mit ihren ganz eigenen Öffentlichkeiten und Eigendynamik ein wesentlicher Antrieb. Viele Unternehmen unterschätzen noch immer die Bedeutung der Social-Media-Kommunikation, die meist auch mit erheblichen Kosten verbunden ist, heißt es. Aber, so Langsner, wer in der Öffentlichkeit steht, muss auch nach ihren Regeln spielen.

Link: HLC

 

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