Linz. In seiner Eröffnungsrede am Anwaltstag 2012 in Linz ortete ÖRAK-Präsident Wolff Verbesserungsbedarf in vielen Bereichen. Den Zugang zum Recht in Österreich bezeichnete Wolff als „dornig und voller schwer überwindbarer Hindernisse“.
Die Gebührenlast sei groß, zugleich würden Serviceleistungen zurückgefahren. Dass sich die Justiz auf ihrer Website selbst als „Großunternehmen“ bezeichnet, missfällt Wolff. „Die Justiz ist kein auf Profit ausgerichtetes Unternehmen und darf dies auch nicht anstreben“, so Wolff.
Die vergangene Woche präsentierte CEPEJ-Studie des Europarates zeige, dass Österreichs Justiz 110 Prozent ihrer Ausgaben aus Gerichtsgebühren finanziert. Der europäische Durchschnitt liegt bei 22 Prozent.
„Das ist kein Grund zum Feiern. Wer sich gegen eine überhöhte Handyrechnung wehrt, einen Besuchsrechtsantrag einbringt oder einen Grundbuchsauszug benötigt, bezahlt nicht unbeträchtliche Gerichtsgebühren ins allgemeine Budget um Löcher im Staatshaushalt zu stopfen. Der Bürger bezahlt in Wahrheit eine versteckte Steuer“, kritisiert der ÖRAK-Präsident.
Gebühren „zu hoch“
Als aktuelles Beispiel nannte Wolff den Entwurf einer Nachfolgeregelung der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Eintragungsgebühr im Grundbuch. Diese ist fällig, sobald ein neuer Eigentümer einer Immobilie im Grundbuch eingetragen wird.
Statt dem dreifachen Einheitswert soll künftig der Verkehrswert als Berechnungsgrundlage herangezogen werden. Dies führe zu einer erheblichen Mehrbelastung der breiten Bevölkerung, so Wolff.
Auch 60 Cent pro kopierter Aktenseite seien noch immer zu viel und der digitale Akt in Zivil- und Strafsachen werde dringend benötigt, meint der ÖRAK-Präsident.
Außerdem fordert Wolff eine Deckelung der Gerichtsgebühren bei hohen Streitwerten und eine Abschaffung der Vergleichsgebühr.
Dass die Dauer des Gerichtspraktikums sowie die Bezahlung der Gerichtspraktikanten gekürzt wurden, sei angesichts von steigenden Gebühreneinnahmen ein „Unding“. Wolff ist für eine Rückkehr zur alten Regelung.
Grundsätzlich sei eine sich selbst finanzierende Justiz „rechtsstaatlicher Unfug, auf den man nicht stolz zu sein braucht“, meint der ÖRAK-Präsident.
Staatsanwaltschaft und Gerichte „massiv unterbesetzt“
Sowohl im Bereich der Staatsanwaltschaft als auch an den Gerichten sei die österreichische Justiz massiv unterbesetzt, so Wolff. Laut CEPEJ-Studie kommen im europäischen Durchschnitt auf 100.000 Einwohner 11 Staatsanwälte. In Österreich sind es 4. Jeder Staatsanwalt hat hierzulande 1.602 Fälle pro Jahr zu bearbeiten, der europäische Durschnitt beträgt 615.
Knapp 18 Richter leistet sich die Republik pro 100.000 Einwohner. Der europäische Durchschnitt liegt bei 23.
„Hier ist die Politik gefordert, Geld für den Rechtsfrieden in diesem Land in die Hand zu nehmen und nicht den Arbeitsanfall an den Gerichten durch überhöhte Gebühren zu regulieren“, fordert Wolff.
Keinen Zusammenhang kann der ÖRAK-Präsident zwischen einer geringeren Anzahl an Gerichtsstandorten und schnelleren Verfahren feststellen. Jene Länder, die als neues Vorbild bei der Anzahl an Gerichtsstandorten genannt werden, sind „genau diejenigen, die sich mit wesentlich längeren Verfahrensdauern herumschlagen müssen“, erklärt Wolff.
„Waffengleichheit“ im Strafrecht
Im Strafrecht sei es laut Wolff an der Zeit „Waffengleichheit“ herzustellen, zum Beispiel bei Gutachten. Der Staatsanwalt könne einen Sachverständigen beauftragen, ihn aus Steuergeldern bezahlen und ihn als Hilfsperson des Gerichts einführen. Dem Beschuldigten stehe aber kein Recht zu, einen Privatsachverständigen gleichrangig im Strafverfahren einzubinden, kritisiert Wolff.
Außerdem fordert er das Recht auf einen Simultandolmetscher im Strafverfahren für diejenigen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind.
Die Liste der Teilnehmer am diesjährigen Anwaltstag umfasst u.a. Justizministerin Beatrix Karl, Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl, sowie den Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins Wolfgang Ewer.
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