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Recht

Gastbeitrag: Welche Neuerungen auf das Wiener Schiedsgericht 2013 zukommen könnten

H. Halbartschlager ©Konrad & Partners
H. Halbartschlager ©Konrad & Partners

Wien. Das Internationale Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Österreich ist eine der wichtigsten Schiedsinstitutionen in Europa – und die aktuelle Fassung seiner Schiedsordnung, der „Wiener Regeln“, ist noch kaum sieben Jahre alt. Nun wird bereits eine weitere Modernisierung vorbereitet, die die Rolle Wiens im Arbitration-Standortwettbeweb weiter verbessern soll.

Expertin Heidrun Halbartschlager von der Wiener Kanzlei Konrad & Partners schildert in ihrem Gastbeitrag für Recht.Extrajournal.Net Dossier, welche Änderungen sich derzeit bereits abzeichnen und möglicherweise schon im Sommer 2013 in Kraft treten könnten.

Am 1. Juli 2006 wurde die derzeit gültige Fassung der Schiedsordnung (Wiener Regeln) des Internationalen Schiedsgerichts der Wirtschaftskammer Österreich („Vienna International Arbitral Centre“ oder „VIAC“) vom Erweiterten Präsidium der Wirtschaftskammer Österreich beschlossen, mit welcher den durch das Schiedsrechtsänderungsgesetz 2006 eingeführten Änderungen des österreichischen Schiedsverfahrensrechts Rechnung getragen wurde.

Die 1975 erstmals verfassten Wiener Regeln zeichnen sich durch ihre Kürze und Flexibilität aus, die in einer Umfrage unter Praktikern Anfang 2012 als besonders geschätztes Charakteristikum hervorgehoben wurde. Die aktuelle Fassung wird nunmehr seit beinahe sieben Jahren in der Praxis angewandt und ist auf breite Akzeptanz gestoßen. Vor diesem Hintergrund mag es daher zunächst überraschen, dass seit etwa einem Jahr eine weitere Adaptierung der Regeln diskutiert wird.

Sowohl die laufende Entwicklung in internationalen Schiedsverfahren, als auch die Erfahrungen im praktischen Umgang mit den Regeln aus 2006 bieten jedoch die Möglichkeit, durch Detailänderungen der grundsätzlich bewährten Regeln die Position des VIAC als eine der wichtigsten Schiedsinstitution Europas zu bestätigen und zu stärken. Eine finale Fassung des Texts der Überarbeitung ist zwar noch nicht beschlossen, doch lassen sich die wichtigsten Neuerungen bereits absehen.

Die wesentlichen Eckpunkte der geplanten Novellierung sollen im Folgenden kurz zusammengefasst werden:

  • Nicht jedes Schiedsverfahren basiert ausschließlich auf einem zweipersonalen Vertragsverhältnis, sodass in der Praxis immer wieder Situationen zu bewältigen sind, in denen die Beteiligung einer Mehrzahl von Parteien (sowie einer Mehrzahl von Ansprüchen) notwendig oder zumindest zu entscheiden ist. Eine geplante Neuerung ist daher die strukturierte Regelung des Mehrparteienschiedsverfahrens etwa bei Klagehäufungen, Konsolidierungen oder Widerklagen.
  • Damit im Zusammenhang stehen auch neue Bestimmungen über die Einbeziehung Dritter in das Schiedsverfahren. Diese Themenkomplexe sollen einer möglichst übersichtlichen und verständlichen Regelung zugeführt werden, ohne dass dabei die Flexibilität im Einzelfall verloren geht.
  • Eine Neuerung stellen auch die Bestimmungen zum Beschleunigten Verfahren dar. Für einfache oder kleine Verfahren sind die üblichen Fristen und Verfahrensschritte im Schiedsverfahren oft nicht angemessen. Die überarbeiteten Regeln sollen daher den Parteien die Möglichkeit bieten, sich auf die Anwendbarkeit des beschleunigten Verfahrens, welches verkürzte Fristen und eine noch effizientere Verfahrensführung vorsieht, zu einigen. Damit soll insbesondere dem Anliegen Rechnung getragen werden, die Geltendmachung eines an sich berechtigten aber geringen Anspruchs nicht am unverhältnismäßigen Aufwand der Verfahrensführung scheitern zu lassen.
  • Auch soll es Neuerungen im Bereich des Kostenvorschusses geben: Kommt eine Partei ihrer Verpflichtung hinsichtlich der Erlegung des Kostenvorschusses nicht rechtzeitig nach, und erlegt die andere Partei den jeweiligen Anteil, so kann das Schiedsgericht, unter der Voraussetzung, dass es seine Zuständigkeit bejaht, auf Antrag der erlegenden Partei der anderen Partei mit einem Schiedsspruch auftragen, der erlegenden Partei den auf sie entfallenden Anteil zu ersetzen. Damit soll dem in der Praxis mittlerweile sehr häufig gewordenen Verhalten beklagter Parteien begegnet werden, den auf sie entfallenden Anteil am Kostenvorschuss ohne entsprechende Begründung nicht zu erlegen, wodurch die jeweilige schiedsklagende Partei den gesamten Kostenvorschuss bisher in der Regel vorfinanzieren musste.
  • Die Zustellbestimmungen sehen nunmehr klarstellend vor, dass eine Zustellung auch als ordnungsgemäß durchgeführt gilt, wenn sie per Email erfolgt (die derzeit geltende Fassung nennt, den eingeschriebenen Brief, Kurierdienst, Telefax und andere Formen der Nachrichtenübermittlung, die einen Nachweis der Übermittlung sicherstellen, die auch schon jetzt die Zustellung per Email impliziert).
  • Eine erfreuliche Neuerung stellt der Entwurf einer neuen Bestimmung zur Fristenberechnung dar. Dieser sieht Klarstellungen zur Berechnung sowohl des Beginns, als auch des Forstlaufs von Fristen vor.
  • Neu geregelt werden soll auch das Verfahren zur Bestellung von Schiedsrichtern. Vorgesehen ist eine Bestimmung, wonach die Bestellung eines Schiedsrichters durch die Parteien in zwei Schritten erfolgen soll – zunächst nominiert die jeweilige Partei ihren Wunschkandidaten; dieser soll anschließend, nach Abgabe einer Unabhängigkeits- und Unparteilichkeitserklärung, durch den Generalsekretär des VIAC bestätigt werden. Erst ab diesem Zeitpunkt gilt der Schiedsrichter als bestellt.
  • Bei der Bestellung von Schiedsrichtern im Mehrparteienverfahren soll die Parteienautonomie unterstrichen werden. Entgegen einigen anderen internationalen Schiedsordnungen soll in einem Verfahren, in dem sich eine Seite nicht auf einen Schiedsrichter einigen kann, das Recht der jeweils anderen Seite auf Benennung ihres eigenen Schiedsrichters nicht verloren gehen. Zur Gewährleistung von Flexibilität hinsichtlich der Angemessenheit im Einzelfall soll jedoch ein Vorbehalt eingefügt werden, der es dem Präsidium des VIAC erlaubt, im Ausnahmefall das gesamte Schiedsgericht im Wege der Ersatzbestellung zu besetzen.
  • Darüber hinaus soll eine Reihe von Detailregelungen überarbeitet und eingefügt werden, die einerseits der Klarstellung und dem besseren Verständnis dienen, andererseits dem internationalen Charakter der Regeln Rechnung tragen sollen. Letzteres soll erzielt werden, indem österreichische Spezifika entfernt, beziehungsweise international weit verbreitete (in Österreich bisher jedoch nicht relevante) Rechtsinstitute berücksichtigt werden. So soll etwa eine allgemeine Regelung geschaffen werden, die es dem Präsidium und dem Generalsekretariat des VIAC erlaubt, Vorkehrungen für Fälle zu treffen, in denen ein staatliches Gericht (v.a. nach einem Aufhebungsverfahren) einen Streitfall an das Schiedsgericht zurückverweist.

Die dargestellten Bestimmungen der neuen Wiener Regeln sollen die Attraktivität des VIAC als international ausgerichtete Schiedsinstitution, insbesondere aber auch die Bedeutung Österreichs als Schiedsort im internationalen Vergleich steigern. Sie sollen für alle Verfahren gelten, die nach deren In-Kraft-Treten eingeleitet werden. Ein In-Kraft-Treten erscheint derzeit bereits im Sommer dieses Jahres als möglich.

Autorin Dr. Heidrun Halbartschlager ist Expertin für internationale Schiedsgerichtsbarkeit bei Konrad & Partners in Wien.

Link: Konrad & Partners

 

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