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Bildung & Uni, Recht

Gastbeitrag: „Fachspezifische Informationsflut ohne elektronische Hilfsmittel nicht mehr zu schaffen“

Elisabeth Staudegger ©Martin Grabmayer
Elisabeth Staudegger ©Martin Grabmayer

Wien. Österreich ist bei Rechtsdatenbanken Vorreiter: Das Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramts arbeitet bereits seit den 1980er Jahren, zuletzt haben die Online-Angebote von Verlagen wie LexisNexis, Linde, Manz, Österreich oder auch die der Unis rasant zugelegt.

Univ.-Prof. Elisabeth Staudegger, Expertin für IT-Recht und Rechtsinformatik am Institut für Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie und Rechtsinformatik der Karl-Franzens-Universität Graz, analysiert im aktuellen Recht.Extrajournal.Net Dossier den Status Quo der Rechtsdatenbanken.

Österreich ist beim Einsatz von Rechtsdatenbanken traditionell Vorreiter: Das Rechtsinformationssystem des BKA (RIS) wurde in den 1980er Jahren entwickelt, ging schon 1997 als Web-Applikation ins Internet und ist seit 2008 barrierefrei abrufbar. Es ist als kostenlose Informationsquelle für Bundes- und Landesrecht und die Entscheidungen der drei Höchstgerichte (VfGH, VwGH, OGH) schon für sich genommen ein herausragender Dienst, der international seinesgleichen sucht (Deutschland zB hat kein vergleichbares Angebot).

Darüber hinaus werten bemerkenswerte Details das RIS noch zusätzlich auf. So werden Normen des Bundesrechts seit Anfang 2004 im RIS kundgemacht (zum Vergleich: Die EU wird eine solche rechtsverbindliche elektronische Kundmachung der Rechtsakte in einer elektronischen Ausgabe des Amtsblatts erst ab Juli 2013 ermöglichen).

Außerdem kann man neben den Judikaten der Höchstgerichte eine Vielzahl weiterer Entscheidungen (zB UVS, Umweltsenat, Datenschutz­kommission uvm) abrufen. Schließlich sind historische Texte (Entscheidungen bis 1869, Rechtstexte bis 1740) mittels Verlinkung auf die Österreichische Nationalbibliothek zurückwirkend erschlossen.

Anfang 2001 beschloss die EU, ihre Dokumente den Bürgern zugänglich zu machen und entwickelte mit EUR-Lex ein System, in dem Unionsrecht und die Rechtsprechung der Unionsgerichte – wie im RIS unentgeltlich und ohne Registrierungszwang – abgefragt werden können. Darüber hinaus werden Vorarbeiten, parlamentarische Anfragen, nationale Recht­sprechung und künftig auch nationales Recht eingebunden.

Im Literatursektor ist in Österreich seit 1982 die Rechtsdatenbank GmbH, kurz: RDB, einer der maßgeblichen Anbieter (2009 mit mit der Manz’schen Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH, von jeher Träger der RDB, verschmolzen). Seit 2007 wird der Markt auch von LexisNexis Online bedient, die ebenfalls eine juristische Fachdatenbank anbieten. Die Rechtsindexdatenbank, RIDA, unter Insidern als „elektronischer Hohenecker“ bekannt, hat sich neben ihrer Kerntätigkeit am Index immer mehr zur Verlagsdrehscheibe für PDF-Dokumente entwickelt.

Seit 2009 ist auch Linde mit eigenem Datenbank-Angebot online. Springer hat Anfang 2013 seine österreichischen juristischen Produkte dem Verlag Österreich überlassen, der seinerseits kürzlich eine Kooperation mit LexisNexis bekannt gab und ankündigte, die Zeitschriften und Bücher ab Herbst 2013 in LexisNexis®Online anbieten zu wollen.

Rechtsdatenbanken werden über die klassische online Nutzung hinaus – dem Smatphone- und Tablet-PC-Trend folgend – immer öfter auch mobil abgefragt. So ist RIS/Bundesrecht seit 2012 über die RIS:APP abfragbar, LexisNexis bietet den „LexisNexis Newsmonitor“ als Applikation an, Manz mischt mit zB „JUSaktuell „ oder der „ÖJZ-App“ mit.

Schließlich wurden auch in LindeonlineOptimierungen für Kleinbildschirme wie Tablet-PCs oder Netbooks vorgenommen. Der Trend geht offenbar dahin, Rechtsdatenbanken nicht nur online sondern sogar mobil nutzen zu können.

Die Nutzungsdaten 

Ein Blick in die Nutzungsdaten der Anbieter belegt einen starken Aufwärtstrend in der Nutzung elektronischer Rechtsdatenbanken.

Wurde zB das RIS im Jahr 2009 knapp 390.000.000 mal abgefragt, hat es 2012 die Milliardenmarke überschritten. Dabei betrafen 85 Prozent der Anfragen das „Bundesrecht“. EUR-Lex weist für das vergangene Jahr insgesamt 63.294.876 Visits mit 179.244.878 Page Views aus. Und zu den Literaturdatenbanken (die ihre Nutzungsdaten weniger gerne bekannt geben), lässt sich zumindest aus Sicht der Karl-Franzens-Universität Graz feststellen, dass das universitätsweite, zentrale Datenbank-Informationssystem DBIS unter den 10 erstgereihten und meistabgefragten Datenbanken vier Rechtsdatenbanken nennt – angeführt von einer juristischen Literaturdatenbank.

Das Fazit 

Insgesamt hat sich in den letzten Jahren nicht nur der Markt an elektronischen Rechtsdatenbanken enorm weiterentwickelt und ausgeweitet, auch die Nutzung der Dienste ist nachweislich deutlich angestiegen. Die Frage, ob Rechtsdatenbanken genutzt werden sollen, stellt sich heute nicht mehr: Die Bewältigung der fachspezifischen Informationsflut – für das Jahr 2009 wurden 3.500 Zeitschriftenartikel, 1.500 Aufsätze in Sammelbänden und 500 Monografien festgestellt, allesamt einschlägige juristische Texte; Tendenz steigend – ist ohne elektronische Hilfsmittel gar nicht mehr zu schaffen.

Autorin Univ.-Prof. Mag. Dr. Elisabeth Staudegger ist Expertin für IT-Recht und Rechtsinformatik am Institut für Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie und Rechtsinformatik der Karl-Franzens-Universität Graz.

Link: Karl-Franzens-Universität Graz

Link: Recht.Extrajournal.Net Dossier

 

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