Wien. Ausgebucht war das Seminar „Neues im Kartellrecht – Was müssen Händler wissen?“ im Handelsverband. Das Publikumsinteresse sei vor dem Hintergrund jüngst gegen Händler verhängter Geldbußen in zweistelliger Millionenhöhe nicht verwunderlich, heißt es.
Entsprechend groß war der Diskussionsbedarf, als Martin Eckel (Taylor Wessing enwc), Natalie Harsdorf und Nathalie Maierhofer (Bundeswettbewerbsbehörde) die seit dem 1. März 2013 geltenden neuen Regeln im Kartellgesetz erklärten.
Zunächst gab Martin Eckel, Partner und Head of Competition bei der Wiener Anwaltssozietät Taylor Wessing enwc, einen Überblick über die grundsätzlichen Regelungen des Kartellrechts sowie die Neuerungen, die am 1. März 2013 in Kraft getreten sind.
Dabei räumte er mit einem Mißverständnis auf: So sei der Aufbau einer marktbeherrschenden Stellung nicht verboten – unzulässig sei es jedoch, die Marktbeherrschung auszunutzen, heißt es in einer Aussendung.
Auch, so stellte Eckel fest, bedarf es keiner expliziten Absprachen, um die Aufmerksamkeit der BWB zu erregen: „Bereits eine abgestimmte Verhaltensweise kann ein Kartell begründen, etwa wenn ein Unternehmen davon ausgehen kann, dass ein Mitbewerber seinem Marktverhalten folgen wird.“ Ebenso ist bereits der Versuch, ein Kartell zu gründen, verboten – selbst wenn er erfolglos ist. „Das Spannende am Kartellrecht ist, dass bei manchen Verhaltensweisen nicht klar ist, ob sie unzulässig sind oder nicht“, so Eckel.
Klar sei jedoch die Gültigkeit der sogenannten „Kernbeschränkungen“: Es ist verboten, mit Mitbewerbern Preise festzusetzen; Erzeugung, Absatz, Entwicklung oder Investition einzuschränken oder zu kontrollieren; und auch, Märkte oder Versorgungsquellen aufzuteilen.
Ausnahmen vom Kartellverbot seien bei Kernbeschränkungen selten, grundsätzlich aber denkbar, wenn durch die Kooperation zum Beispiel auch für die Verbraucher Vorteile entstehen oder durch gemeinsame Forschung und Entwicklung ein Nutzen für die Gesellschaft entsteht, so Eckel.
Generell liege die Verantwortung beim Unternehmen selbst, zu prüfen, ob eine Zusammenarbeit oder Verhaltensweise widerrechtlich ist.
Vertikale Geschäftspraktiken
Besonderes Interesse galt den vertikalen Geschäftspraktiken. Lieferanten ist es verboten, einem Händler Wiederverkaufspreise, Mindestpreise, Handelsspannen oder Rabatte zu diktieren.
Einzig zulässig sind die unverbindliche Preisempfehlung und der Höchstverkaufspreis. Auch Preisaktionen müssen vom Handelsunternehmen ausgehen, die Festsetzung von Aktionspreisen oder Aktionspreisuntergrenzen durch den Lieferanten ist ebenso wie die Aktionsexklusivität unzulässig.
Grundsätzlich seien Preisfestsetzungen nur bei Produkteinführungen und unter Umständen bei sehr beratungsintensiven Produkten erlaubt – im ersten Fall, um die Produkteinführung für den Händler attraktiver zu machen, im zweiten Fall, um Beratungsdiebstahl einzudämmen, so Eckel.
Thema: Marktbeobachtung
Auch das Thema „Marktbeobachtung“ rief beim Publikum großes Interesse hervor: Während die Marktbeobachtung durch eigene Mitarbeiter zulässig sei, ist die Weitergabe von Preiserhebung durch Lieferanten verboten. Von Verbänden oder Forschungsinstituten erhobene Preisvergleiche sind dann kartellrechtlich unbedenklich, wenn sie die Vergangenheit betreffen und die Daten nicht individuell zuordenbar sind.
Auch das Thema Online-Handel wurde behandelt: Das Kartellrecht untersagt die Behinderung des Internethandels etwa durch die Verpflichtung
- zur automatischen Weiterleitung von Kunden auf die Website des Herstellers oder anderer Händler
- zur Unterbrechung von Internet-Transaktionen bei Käufern mit Kreditkarte von außerhalb des Verkaufsgebiets
- zur Festsetzung eines höheren Kaufpreises für Internetprodukte
- und auch zur mengenmäßigen Begrenzung der Internet-Transaktionen.
Rechte und Pflichten bei Hausdurchsuchungen
Natalie Harsdorf, bei der Bundeswettbewerbsbehörde für den Bereich Nahrungs- und Genussmittel zuständig, konzentrierte sich in ihrem Vortrag auf das Thema Hausdurchsuchung und bot einen Überblick über die Rechte und Pflichten der betroffenen Unternehmen.
Dabei räumte sie auch mit manchem Mythen rund um das Thema auf. So ist es zum Beispiel, wie Harsdorf betonte, nur dem Kartellgericht möglich, bei einem begründeten Verdacht Hausdurchsuchungen anzuordnen, die von der BWB in dessen Auftrag durchgeführt werden.
Lebhaft diskutiert wurden auch vom Publikum Fragen rund um den Ablauf der Durchsuchungen, die unmittelbar nach der persönlichen Zustellung des Durchsuchungsbefehls und einem Vorgespräch starten. Auf Interesse stieß, dass die BWB nicht auf das Erscheinen einer Vertrauensperson oder eines Anwalts warten muss, bevor die Durchsuchung beginnt.
Grundsätzlich seien Unternehmen bei der Hausdurchsuchung verpflichtet, den Ermittlern Zutritt zu allen Räumen, Schränken etc. zu geben, keine Daten zu zerstören und die Anfertigung von Kopien zu ermöglichen.
Wenn das Unternehmen diesen Pflichten nicht nachkommt, hat die BWB auch die Befugnis, Dokumente oder Geräte zu beschlagnahmen.
Rund um das Thema IT stellte Harsdorf fest, dass die Sorge, dass eine Durchsuchung ein Unternehmen auf längere Zeit lahmlegt, unbegründet ist: „Auch wir haben kein Interesse daran, den Unternehmen die Arbeit zu verunmöglichen. Wie empfehlen den Unternehmen, in allen Fällen zu kooperieren, denn Kooperation wird bei Geldbußen positiv berücksichtigt und verringert die Dauer der Hausdurchsuchung und damit die Belastung für das Unternehmen.“
So können Computer, Laptops und andere Speicher im Rahmen der Durchsuchung an das BKA übergeben werden, das Datenkopien schnell anfertigt. Meist seien die Geräte nach kurzer Zeit wieder im Unternehmen, so Harsdorf.
Auskünfte von Mitarbeitern
Großes Interesse erregte auch die Frage, zu welchen Auskünften Vertreter und Mitarbeiter betroffener Unternehmen verpflichtet sind. Harsdorf hielt fest, dass die Unternehmensinhaber und deren Vertreter zur Auskunftserteilung verpflichtet sind, außer wenn sie aufgrund ihrer Aussage mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen müssen.
Ebenso können Mitarbeiter geladen werden, unter Wahrheitspflicht als Zeugen auszusagen – eine Aussageverweigerung sei nur in wenigen Ausnahmefällen möglich.
Zuletzt ging Harsdorf auf die Möglichkeit der Versiegelung bestimmter Unterlagen durch das Unternehmen ein. Vor der Novellierung konnte das durchsuchte Unternehmen ganze Datenpakete versiegeln, die in der Folge nur vom Kartellgericht gesichtet werden durften.
Da dieses Recht häufig in Anspruch genommen wurde, was – durch den Ausschluss der BWB von den Daten – zu massiven Zeitverzögerungen führte, ist seit 1. März nur mehr die Versiegelung konkret und einzeln zu benennender Dokumente möglich, so Harsdorf.
Die Kronzeugenregelung
Im Mittelpunkt des Beitrags von Nathalie Maierhofer, ebenfalls Referentin bei der BWB, stand die Kronzeugenregelung. Diese ermöglicht es Unternehmen, Immunität oder eine verringerte Geldbuße zu erreichen, indem es der BWB Kartellrechtsverstöße, an denen es beteiligt ist oder war, zur Kenntnis bringt.
Neu ist seit dem 1. März unter anderem, dass es möglich ist, bei der BWB einen „Marker“ zu platzieren, also eine Art Kurzaussage, der später vervollständigt wird.
Dieser Marker ist deshalb für den Kronzeugen relevant, weil das jeweils erste Unternehmen, der zB ein Kartell zur Anzeige bringt, größere Vorteile aus der Kronzeugenregelung genießt als der zweite und alle nachfolgenden, so Maierhofer.
Grundsätzlich sei das Setzen eines Markers nur möglich, solange die BWB noch keinen Antrag auf Geldbuße gegen den potentiellen Kronzeugen gestellt hat.
Wichtig ist für die Inanspruchnahme der Kronzeugenregelung
- dass der Kronzeuge seine widerrechtlichen Handlungen sofort einstellen muss;
- dass er die Zusammenarbeit mit der BWB geheimhält;
- dass er die anderen Kartellteilnehmer nicht ins Kartell gezwungen hat;
- und dass er uneingeschränkt mit der BWB zusammenarbeitet.
Link: TaylorWessing e|n|w|c
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