Wien. Die Finanzkrise hat gewaltige Anlegerverluste mit sich gebracht – und in Österreich eine bisher nie dagewesene Welle an Anleger- und anderen Wirtschaftsprozessen. Das mediale Interesse an Wirtschaftscausen ist entsprechend gewachsen und damit auch die Bedeutung der Litigation PR, also der Kommunikation mit der Öffentlichkeit in großen juristischen Streitfällen.
Sowohl in der Defensive wie in der Offensive wird die mediale Stimmungsmache verstärkt eingesetzt: Kläger machen in der Öffentlichkeit Stimmung für ihre Vorwürfe, und die geklagten Unternehmen und Manager wehren sich nicht nur im Gerichtssaal, sondern auch in den Medien. Dieser Trend wird anhalten, sagt Nicole Bäck-Knapp, geschäftsführende Gesellschafterin der Kommunikationsagentur Ecker & Partner, die gerade ein White Paper zur Litigation PR herausgebracht hat: Auch wenn die aktuellen großen Prozesse einmal abgearbeitet sind – die Kommunikation als Bestandteil juristischer Strategien hat sich etabliert.
Kunden fragen die Litigation PR derzeit verstärkt nach, sagt Bäck. Anlegeranwälte nutzen Kommunikationsstrategien schon lange sehr stark; so werden etwa bei großen Pleitefällen wie der Alpine einige Manager wegen angeblichen Fehlverhaltens bei den Behörden angezeigt. „Ob es dieses Fehlverhalten gibt oder nicht – Tatsache ist, dass oft nur deshalb angezeigt wird, damit man dann über diese Anzeige öffentlich reden und damit Stimmung für die eigenen zivilrechtlichen Schadenersatzansprüche machen kann – nach dem Motto: seht, jetzt ermitteln auch die Behörden“, sagt Bäck. „Litigation PR ist ja etwas sehr Persönliches – meistens werden Personen und weniger das Unternehmen selbst geklagt. Es geht dabei um die Reputation, und auch die Strafen sind viel härter geworden.“
Es wird härter gestraft
Tatsächlich haben sich die Zeiten für die Bosse in vieler Hinsicht geändert: Konnte ein Vorstand beispielsweise früher recht zuversichtlich sein, im Fall der Fälle nicht wegen Bilanzfälschung verurteilt zu werden, wenn er ein gültiges Testat eines Wirtschaftsprüfers für seine Bilanz bekommen hatte, so schützt die formale Richtigkeit heute wesentlich weniger. „Das hat dazu geführt, dass die Unternehmen sich bei ihren Entscheidungen immer mehr schon im Vorfeld juristisch beraten lassen, und auch die Kommunikationsstrategie dazu ist daher wichtig.“
An dieser Stelle findet sich freilich ein großer Stolperstein bei der richtigen Kommunikationsstrategie, was (mögliche) juristische Streitigkeiten betrifft: Anwälte und Kommunikationsberater müssen eine Basis gemeinsamen Verständnisses finden. „Viele Anwälte wollen zu heiklen Causen am liebsten schweigen. Dahinter steht die Befürchtung – die auch zutrifft – damit die Sache nicht mehr ganz steuern zu können. Das Problem ist nur: wenn man schweigt, dann steuert immer jemand anderer – nämlich der Gegner.“ Denn dann kommen die Informationen der Öffentlichkeit nur noch von der anderen Seite. „Um die medialen Realitäten zu begreifen und entsprechend vorzugehen, sind also Experten gefragt“, meint Bäck.
Natürlich steht nicht jedes Verfahren dermaßen im Blickpunkt der Öffentlichkeit. In Österreich sind es – von Klassikern der Kriminalberichterstattung einmal abgesehen – vor allem die großen Wirtschaftscausen um Untreue, Betrug, Bestechung, also klassisches White Collar Crime. Doch ein neues Thema macht sich breit. „Ich glaube, dass das Thema Steuern in Zukunft noch wesentlich wichtiger werden wird. Die Finanz glaubt einfach, dass da etwas zu holen ist – und damit wird auch hier das Vorgehen schärfer werden und der Blick der Öffentlichkeit stärker darauf fallen“, meint Bäck.
Ihre Empfehlung: wem vorgeworfen wird, Steuern hinterzogen zu haben, der fährt gerade im süddeutschen und österreichischen Raum – traditionell katholisch – mit einer Kommunikationsstrategie nach dem Motto „ich habe gesündigt, aber ich entschuldige mich“ gut. „Das Best-Practice-Beispiel ist hier sicher das Zeit-Interview von FC Bayern München-Präsident Uli Hoeneß und das Hochegger-Interview in News.“
Behörden sind aktiv
Ein wichtiger Faktor ist, dass die Behörden heute offensichtlich schärfer vorgehen als früher; sie stehen selbst unter (nicht zuletzt öffentlichem und politischem) Druck, Ergebnisse vorzulegen. „Bei Anlegerverlusten steht ja immer der Vorwurf an die Behörden im Raum, angeblich jahrelang zugesehen zu haben. Natürlich wollen sie da demonstrieren, dass sie nicht untätig sind.“
Ein klassisches Mittel im Ringen um das beste Bild in der Öffentlichkeit ist die „Leakage“: eine höchst interne Information dringt aus den Kreisen der an einem Prozess Beteiligten an die Medien. „Viele solche Leakages passieren einfach und sind – im Sinne des Whisteblowing – ein Element der Information der Öffentlichkeit über die Medien und der Demokratie; andere wieder werden gezielt gesteuert und sind ein Instrument in einem Prozess“, weiß Bäck. Auch hier ist der richtige Umgang mit brisanten Informationen wichtig. Tatsache sei: bei Rechtsstreitigkeiten auch über die Öffentlichkeit Stimmung zu machen werde als Trend bleiben – eine Rückkehr zur alten Gemütlichkeit sei auch nach der Wirtschaftskrise nicht zu erwarten.
Link: Ecker & Partner