Straßburg/Istanbul/Wien. Der Verband Europäischer Rechtsanwaltskammern (FBE), der 250 europäische Anwaltskammern und mehr als 800.000 europäische Anwälte vertritt, schickt eine offizielle Vertreterin und Prozessbeobachterin nach Istanbul: die türkisch sprechende österreichische Anwältin Banu Kurtulan.
Der Hintergrund: Ümit Kocasakal, Präsident der Rechtsanwaltskammer von Istanbul und neun Vorstandsmitglieder werden angeklagt, weil sie sich dafür einsetzten, dass die Rechte der Verteidigung in der Türkei gewahrt werden, so die FBE. Dabei ging es konkret um den international viel beachteten Balyoz-Prozess gegen 326 türkische Offiziere, denen die Planung eines Staatsstreichs vorgeworfen wurde.
Kurtulan werde als offizielle Vertreterin und Prozessbeobachterin des FBE das Gerichtsverfahren vom 7. Januar 2014 in Silivri in der Türkei beobachten.
Der FBE ist offizieller Berater des Europarats. Gegen zehn Mitglieder des Vorstands der Anwaltskammer von Istanbul wird Anklage erhoben, weil sie versucht haben sollen, Mitglieder des Gerichts zu beeinflussen, heißt es in einer Aussendung. Sie riskieren eine Gefängnisstrafe von bis zu vier Jahren.
Der Hintergrund dieses Prozesses liege darin, dass die Anwaltskammer von Istanbul im Balyoz-Fall im April 2012 intervenierte, als einige türkische Anwälte ihre verfassungsrechtlichen Pflicht, ihre Klienten zu verteidigen, nicht mehr wahrnehmen konnten, wie es heißt. Diese Art der Intervention der Anwaltskammer sei ausdrücklich durch das türkische Anwaltsgesetz Nr. 1136 zugelassen.
Der kontroverse Balyoz-Prozess sollte die Existenz eines Projekts zu einem Staatsstreich durch türkische Offiziere belegen. Nach über 2 Jahren Verhandlungen hat das Gericht die 326 mutmaßlichen Anstifter des fehlgeschlagenen Staatsstreichs zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt.
„Politische Einflußnahme“
Die europäische Anwaltschaft, vertreten durch den FBE, sieht dieses Strafverfahren gegen den Vorstand der Anwaltskammer von Istanbul als unrechtmäßige politische Einflussnahme in das Justizsystem und als Vorwand der türkischen Regierung für einen Angriff gegen die Prinzipien der Gewaltentrennung und der Rechtstaatlichkeit, so der FBE.
Link: FBE