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Business, Recht

VwGH setzt neuen Meilenstein im ewigen Kampf um den Semmeringtunnel: Bauverbot für ÖBB

Wien/Graz/St. Pölten. Seit Jahrzehnten ringen so verschiedene Kräfte wie die Bundesbahn ÖBB, das Land Steiermark, das Land Niederösterreich, Umweltschützer und diverse Bundesstellen um den Bau des Semmering-Basistunnels. Nun hat ein Höchstgericht einen Meilenstein gesetzt, der die ÖBB nicht freuen dürfte: Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hob den Baubescheid auf. Siegreich war unter mehreren Beschwerden vor allem eine von Umweltschützern – wegen eines Fehlers bei der Auswahl der Gutachter.

Update: Wie aus dem VwGH-Entscheid hervorgeht, waren auf Seiten der Gegner des Tunnelbaus unter anderem der Wiener Anwalt Andreas Manak, die Wiener Kanzlei Pflaum Karlberger Wiener Opetnik, der Grazer Anwalt Peter Kammerlander sowie CMS Reich-Rohrwig Hainz aktiv.

Seitens der ÖBB will man an dem Projekt dennoch festhalten, heißt es in einer öffentlichen Stellungnahme: Zwar können die Bauarbeiten vorerst nicht weitergeführt werden, die Bahn kann die Fehler aber zu beseitigen versuchen und dann erneut um Bewilligung ansuchen.

Nach derzeitigem Plan soll der Semmering-Basistunnel bis zum Jahr 2024 fertig werden und in Summe 3,1 Milliarden Euro kosten; ob das weiterhin aktuell sei, wollte die ÖBB allerdings nun nicht mehr öffentlich bestätigen. Der erste Projektantrag für den Semmering-Basistunnel (noch in Variante „1“) wurde übrigens im Jahr 1989 eingereicht, also vor einem Vierteljahrhundert. Der Bau des jetzigen Tunnels läuft seit zwei Jahren.

Ein langes Epos

Die Vorgeschichte der jetzigen Entscheidung laut Aussendung des VwGH: Die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie erteilte der Projektwerberin ÖBB-Infrastruktur AG mit Bescheid vom 27. Mai 2011 für das Vorhaben „Semmering-Basistunnel neu“ die Genehmigung nach dem dritten Abschnitt des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000).

Gegen diesen Bescheid richteten sich 4 Beschwerden, nämlich eine Beschwerde der „Alliance for Nature“, einer eingetragenen Umweltorganisation, und drei Beschwerden von Anrainern, die einerseits durch die Errichtung des gegenständlichen Tunnelbauwerkes, andererseits durch die Errichtung einer Deponie zur Ablagerung von Tunnelausbruch und Baurestmassen betroffen sind.

Knackpunkt Gutachter

Erfolgreich war die Beschwerde der „Alliance for Nature“ insofern, als zumindest bei einem der von der Behörde beigezogenen Sachverständigen in Zweifel steht, ob er die Kriterien des § 31a Abs. 2 Eisenbahngesetz erfüllt, also ob er für die Erstattung von Gutachten der erforderlichen Art im Allgemeinen beeidet ist. In den vorgelegten Verwaltungsakten finde sich kein Nachweis, wonach der Gutachter dafür beeidet wäre; ein solcher Nachweis kann durch die bloße Behauptung der Projektwerberin nicht ersetzt werden, so der VwGH.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht es als unzulässig an, dass der Projektwerber zwar einen geeigneten Sachverständigen beauftragt, dieser Sachverständige sich aber weiterer Personen bedient, die die Voraussetzungen des § 31a Abs. 2 Eisenbahngesetz nicht erfüllen müssen.

Die übrigen Einwände der Umweltorganisation teilte der Verwaltungsgerichtshof nicht, heißt es weiter:

  • Die Frage der „verkehrspolitischen Notwendigkeit“ sei nicht Gegenstand eines Verfahrens nach dem dritten Abschnitt UVP-G 2000; die Behörde habe in überzeugender Weise dargelegt, dass die Errichtung des SBT neu im öffentlichen Interesse liegt.
  • Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass jene Maßnahmen, die im angefochtenen Bescheid im Zusammenhang mit der Zurückhaltung des Bergwassers vorgeschrieben wurden, nicht dem „Stand der Technik“ entsprechen würden, zumal auch der Sachverständige für Hydrogeologie im UVP-Gutachten festgehalten habe, dass die vorgesehenen vorauseilenden Injektionen zur Verhinderung von Wasserzutritten, zur Schonung des Bergwasserkörpers und aus tunnelbautechnischen Gründen wesentlich dazu beitragen, dass die Auswirkungen auf den Grund-/Bergwasserkörper möglichst gering gehalten werden können.
  • Bestimmungen des Denkmalschutzgesetztes waren hier nicht anzuwenden; aus dem UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt lasse sich kein gesetzliches Verbot ableiten, die erteilte Bewilligung zu erlassen. Eine „strategische Umweltprüfung“ gemäß der Richtlinie 2001/42/EG des europäischen Parlaments und des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme musste hier nicht durchgeführt werden, weil es sich um ein einzelnes Vorhaben handelt, welches keine Grundlage für andere Projekte bildet, so der VwGH.

Bauern blitzten teilweise ab

Die Beschwerde jener Betroffenen, deren landwirtschaftlicher Betrieb sich in unmittelbarere Nähe zum „Zwischenangriff (ZA) Göstritz“ (eines zusätzlichen Stollens zur Tunnelherstellung) befindet, war insofern erfolgreich, als sie sich auf die zu erwartende Lärmbelästigung durch die Einrichtung und den Betrieb der Baustelle berufen haben. Dazu hielt der Verwaltungsgerichtshof zunächst fest, dass die Auswirkungen eines Vorhabens nicht nur in der Betriebs-, sondern auch in der Errichtungsphase zu berücksichtigen sind.

Für die Beurteilung der Lärmbelastung wurde der falsche Ort, nämlich jener vor den Fenstern des Wohngebäudes und nicht die näher an der Grundstücksgrenze liegenden, nach den Behauptungen dem ständigen Aufenthalt der Betroffenen und ihrer Kinder dienenden Naturteiche herangezogen, so der VwGH.

Zu Recht wurde gerügt, dass die bestehende Lärmbelastung für ihre Liegenschaft nicht durch Messungen festgestellt, sondern lediglich berechnet wurde; der Messung ist der Vorrang vor einer Berechnung von Immissionen einzuräumen. Unberücksichtigt blieb weiters die Einwendung hinsichtlich etwaiger Aufwachreaktionen, ausgelöst durch Schallpegelspitzen.

Diese Betroffenen haben auch behauptet, durch die Errichtung des Zwischenangriffs Göstritz werde ihre Bio-Permakulturanlage über einen längeren Zeitraum beeinträchtigt, was zu langfristigen Auswirkungen auf den Ertrag der landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft führen könne. Nach dem UVP-Sachverständigen für Landwirtschaft würden die schadensminimierenden Auflagen ausreichen, den Bestand der deutlich mehr als 70 Meter von der Baustelle entfernten und höher gelegenen Permakultur nicht zu gefährden; andererseits hat die Sachverständige für Ökologie festgehalten, dass der Betrieb als Ganzes schwer beeinträchtigt werde und die Befürchtungen der Beschwerdeführer nachvollziehbar seien. Eine Auseinandersetzung mit der Einwendung der Eigentumsgefährdung infolge eines Ertragsverlustes ist dem bekämpften Bescheid nicht zu entnehmen, so der VwGH.

Die Miteigentümer jener Liegenschaften, auf der (unter anderem) die Deponie Longsgraben zur Ablagerung des Tunnelausbruchs und der Baurestmassen errichtet werden soll, waren mit ihrer Beschwerde insofern erfolgreich, als die Deponie keine Eisenbahnanlage ist, weshalb eine Bewilligung nach dem Eisenbahngesetz für die Deponie nicht zu erteilen war (Anmerkung: Für die Deponie ist eine gesondertes abfallrechtliches Verfahren durchzuführen, so der VwGH).

Das Fazit

Die erteilte Genehmigung wurde daher vom Verwaltungsgerichtshof aus den genannten Gründen wegen Rechtwidrigkeit ihres Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Link: VwGH (Zlen 2011/03/0160, 0162, 0164, 0165 vom 19. Dezember 2013)

 

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