Wien. Zum 42. Mal lädt der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) zur „Europäischen Präsidentenkonferenz“ nach Wien. Das Thema der diesjährigen Konferenz, „Datenleak – wie reagiert der Rechtsstaat?“, hat in den letzten Monaten gerade durch die Debatte rund um die NSA-Affäre besondere Aktualität erlangt.
„Wir treten seit Jahren gegen die Vorratsdatenspeicherung auf und haben auch alle anderen Maßnahmen, die zu einem Abbau des Rechtsstaates beitragen, von Anbeginn moniert, allein die Politik scheint bislang unbelehrbar“, so ÖRAK-Präsident Rupert Wolff anlässlich der Konferenz.
Der Handel mit Bürgerdaten sei zum Milliardengeschäft geworden: „Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts“, so Wolff in einer Aussendung.
Der Umgang von „weltweit agierenden, sozialen Medienplattformen“ mit den Daten ihrer Nutzer sei ein „eindrückliches Beispiel, wie fragwürdige oder sogar grundrechtswidrige, auf die Sammlung persönlicher Daten ausgerichtete, Geschäftsmodelle mit Daten heute funktionieren“.
Der österreichische Gründer der Plattform „europe-v-facebook.org“, Max Schrems, erklärte in einem Referat, dass der Rechtsstaat dort endet, wo andere Interessen überwiegen. „Der Rechtsstaat reagiert primär mit Untätigkeit, die maximal mit öffentlichen Beteuerungen kaschiert wird“, so Schrems.
Wie Nachrichtendienste das Internet und den Datenfluss kontrollieren, welche technischen Möglichkeiten der Informationsgewinnung eingesetzt werden, und wie sich insbesondere Unternehmen vor derartigen Aktivitäten schützen können, erklärte der ehemalige Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Gert R. Polli.
Thilo Weichert, Datenschutzexperte und Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Kiel, sprach sich für eine weltweite Verankerung des Grundrechtes auf Datenschutz aus. Dies sei zwar in Europa gegeben, nicht jedoch etwa in den USA, deren Regierung sich bislang vehement dagegen wehre.
Außerdem bedürfe der Schutz der persönlichen Daten nicht nur der verfassungsrechtlichen Absicherung, sondern auch einer gesetzlichen Ausgestaltung und Konkretisierung, so Weichert. Auch bei internationaler Kommunikation müsse gewährleistet werden, dass die Betroffenen effektiv Auskunft über ihre Daten erhalten, dass unabhängige Kontrollinstanzen die Aufsicht wahrnehmen, und, dass im Streitfall Betroffenenrechte wirksam eingeklagt werden können.
Rechtsanwälte präsentieren „TrustNetz“ zur sicheren Kommunikation
„Gemeinsam mit der Wirtschaftskammer und dem Notariat ist es uns gelungen, eine erste konkrete Antwort auf die im Tagungstitel eingebettete Frage zu geben: ab sofort können unsere Klienten via „TrustNetz“ sicher, verschlüsselt und ohne von der Vorratsdatenspeicherung erfasst zu sein, mit ihrem Rechtsanwalt kommunizieren“, erklärte Rechtsanwälte-Präsident Wolff.
Es brauche jedoch noch eine Reihe weiterer Maßnahmen: „An den Taten wollen wir euch messen, nicht an den Daten“, so Wolff in seinem Aufruf an die politisch Verantwortlichen. Eine moderne europäische Datenschutz-Grundverordnung müsse endlich verabschiedet werden, so Wolff.
Weiters fordert Wolff eine Überarbeitung nationaler Geheimdienstregelungen, die Evaluierung der seit dem 11. September 2001 verschärften Gesetze im Bereich Überwachung und eine „umfassende“ juristische Aufarbeitung der Rechtsverletzungen durch die NSA.
„Aus dem Kampf gegen Terror darf kein Terror gegen den Rechtsstaat werden“, so Wolff. Mittelfristiges Ziel müsse die Verabschiedung einer internationalen, digitalen Menschenrechts-Charta sein, so Wolff. Weiters müsse das Grundrecht jedes Bürgers auf vertrauliche Kommunikation mit einem Rechtsanwalt, Journalisten, Arzt und anderen der Verschwiegenheit verpflichteten Berufen geschützt und gestärkt werden. „Es handelt sich dabei um einen Grundpfeiler der modernen, rechtsstaatlichen Demokratie, den es zu stärken gilt“, so Wolff.
Aber auch Maßnahmen zur Sensibilisierung der Bürger im Umgang mit ihren persönlichen Daten seien notwendig. „Insbesondere Jugendliche müssen über ihre Rechte und Gefahren in Zusammenhang mit ihren persönlichen Daten verstärkt informiert werden, gerade wenn es um den Gebrauch sozialer Medien geht“, so Wolff. Die Rechtsanwälte seien auf diesem Gebiet Vorreiter, verwies Wolff auf diverse erfolgreiche Schulprojekte der einzelnen Rechtsanwaltskammern.
„Die moderne Politik ist eingeklemmt zwischen unterschiedlichen Interessen, fehlender Tatkraft und mangelnder Sensibilität“, so Wolff.
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