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Europas größte Banken stocken Eigenkapital auf, verlieren Marktanteile an Eindringlinge

Wien. Das Beratungsunternehmen Roland Berger Strategy Consultants hat die größten 100 Banken Europas einem hausgemachten Stresstest unterzogen. Zwar verfügt man nicht über die Befugnisse der Europäischen Zentralbank (EZB), aber immerhin über Erfahrung und einen klingenden Namen. Gefunden hat Roland Berger unter anderem kräftig gestiegene Eigenkapitalpolster der Banken – in Vorbereitung auf den neuen Super-Stresstest der EZB, das „Comprehensive Assessment“. Dadurch steigen aber gleichzeitig die Marktanteile branchenfremder Konkurrenten, die nicht mit einem Auge auf die EZB schielen müssen.

Bei den österreichischen Banken liege der Fokus darüber hinaus noch verstärkt auf der Transformation der Geschäftsmodelle an die neue Regulierungs-Realität. Kurz gesagt: es werde immer noch hauptsächlich in schlechten Krediten, und nicht künftigen Ertragschancen gedacht.

Die wichtigsten Erkenntnisse über die Lage der europäischen Bankenindustrie sind laut einer Aussendung von Roland Berger:

  • Europäische Banken haben sich weiter bemüht, ihre Bilanzen – gemäß den Anforderungen von Basel III und in Vorbereitung auf das Comprehensive Assessment (CA) der EZB – zu stärken. Im Jahr 2013 wurden Schulden im Umfang von 7% der Aktiva reduziert (Deleveraging) und 38 Mrd. EUR Eigenkapital aufgebaut. Damit konnte die Branche ihre Tier 1-Quote 2013 auf 16% erhöhen. Roland Berger erwartet für 2014 einen weiteren Eigenkapitalanstieg von 60 Mrd. EUR.
  • Aufgrund der Bilanzverkürzungen bei Banken stieg der Marktanteil der Nichtbanken bei der Finanzierung der europäischen Wirtschaft von 2008 bis 2013 von 29% auf 38%.
  • Die Erträge des europäischen Bankensektors blieben im Jahr 2013 – trotz der Bilanzverkürzungen – nahezu unverändert (gegenüber einem Rückgang von 2,5% im Jahr 2012). Der Vorsteuergewinn der Branche stieg, vor allem dank des inländischen Privatkundengeschäfts, wieder auf 60 Mrd. EUR. Nach einem unbefriedigenden 2012 wurde damit wieder das Gewinnniveau von 2011 erreicht, so Roland Berger.
  • Die Eigenkapitalrendite (ROE) sei mit 4% weiterhin deutlich zu niedrig. Gemäß Rupert Petry, Partner und Financial Services-Experte bei Roland Berger in Wien, sollte die Eigenkapitalrendite nachhaltig bei mindestens 8-10% liegen.

Die 10 bedeutendsten US-Banken erzielen 9% ROE, und im Schnitt liegen die Marktbewertungen aller US-Banken um 30% höher, heißt es weiter.

Was zu tun ist

Die CEOs der europäischen Banken müssen laut Roland Berger wieder strukturelle Rentabilität aufbauen, um stabile Gewinne bei vorhersehbarem Risikoprofil zu erzielen. Petry: „Der Fokus bei österreichischen Banken liegt – wie auch in anderen europäischen Ländern – aktuell auf der Transformation der Geschäftsmodelle an die neue Regulierungs-Realität sowie nachhaltiger Anpassungen der Kostenbasis. Verschiedene Banken befassen sich bereits wieder mit der Erschließung neuer Ertragsquellen.“

Die Banken in der Region Zentral- und Osteuropa kämpfen noch immer mit hohen NPL-Volumina (Anm.: Non-performing Loans, notleidende Kredite) und der Notwendigkeit, ihre Kostenbasis kontinuierlich zu reduzieren. Petry, der als Managing Partner der Strategieberatung auch für die Region Zentral- und Osteuropa verantwortlich ist: „Im wirtschaftlich schwierigen und politisch unsicheren Umfeld bleibt der Fokus in den CEE Netzwerkbanken auf dem Abbau des NPL-Portfolios. Insgesamt bleibt die Volatilität in der Region auch mittelfristig hoch, was die Führung und Steuerung des Netzwerkes weiterhin herausfordernd macht.“

Insgesamt sei für die CEOs europäischer Banken das Abschließen der Bilanzanpassungen nun bedeutsam, so Roland Berger: Das Comprehensive Assessment (CA) der EZB werde ein bedeutender Meilenstein sein, zu zeigen, dass sich die europäische Bankenindustrie von gefährlich unterkapitalisiert zu gut kapitalisiert entwickelt hat. Die Restrukturierung der Bilanzen werde 2014 bei einigen Banken weitergehen. Die zentrale Herausforderung dieser von der EZB zum ersten Mal absolvierten Übung bestehe darin, das richtige Gleichgewicht zwischen dem Gewährleisten der Robustheit des Bankensystems und der Deckung des Finanzierungsbedarfs der europäischen Wirtschaft zu finden.

Suche nach mehr Banking-Intelligenz

Die jüngste Belastung der Bankbilanzen durch Staatsschulden könnte in einigen Regionen noch zu Spannungen bei der Finanzierung führen, dürfte aber nicht mehr den Bankensektor destabilisieren, heißt es. Doch die Refinanzierung durch die Europäische Zentralbank (EZB) nimmt ab, und Regierungen planen den Verkauf von Bankaktien. Die sanfte Entkopplung von staatlichem Risiko und Bankenrisiko werde weiter voranschreiten.

Für strengere Kostendisziplin werden vergleichbare Muster der Effizienz und Sparsamkeit aus anderen Branchen genannt: radikale Vereinfachung, Modularisierung, Ausgliederungen und Kooperationen. Es gehe nicht um weitere Kostensenkungsübungen, sondern um eine Veränderung der Spielregeln zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.

Auch Mut zu „First Mover“-Innovationen sei für die Banken wichtig: Top-Manager dürfen nicht mehr glauben, dass das Bankwesen eine Branche ist, in der man besser als „Follower“ agiert denn als „First Mover“, heißt es. Auch sei die Geschichte internationaler Banken in den vergangenen Jahren bis auf wenige Ausnahmen von Rückzug gekennzeichnet. Auf der Suche nach neuen Wachstumschancen sollten Banken wieder über Möglichkeiten nachdenken, über Allianzen und Partnerschaften Zugang zum wachsenden Pool von Gewinnen in den Schwellenländern zu erhalten.

Link: Roland Berger

 

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