Wien. Der österreichische Verwaltungsgerichtshof hat in einem kürzlich entschiedenen Fall klargestellt, dass es sich bei der sogenannten Bedarfsorientierten Mindestsicherung um eine Sozialhilfeleistung handelt.
Der Erhalt einer solchen Zuwendung dürfe bei der Berechnung einer Wohnbeihilfe nicht zum Nachteil des Betroffenen gereichen.
Konkret ging es in diesem Fall um einen Vater einer fünfköpfigen Familie, zwei seiner Söhne wiesen einen schweren Behinderungsgrad auf. Die den Vater betreffende „Bedarfsgemeinschaft“ erhielt deshalb auf Basis des Wiener Mindestsicherungsgesetzes zehnmal jährlich eine Mindestsicherung in bestimmter Höhe.
Das Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 50, soll die dem Familienvater zunächst gewährte Wohnbeihilfe eingestellt haben, weil das Haushaltseinkommen – bedingt durch die zugestandene Mindestsicherung – eine bestimmte Schwelle überstieg. „Eine dagegen erhobene Berufung des Familienvaters blieb erfolglos. Darauf wandte er sich – mit Erfolg – an den Verwaltungsgerichtshof. Der Gerichtshof hob diese Entscheidung auf“, erklärt Oliver Thurin, Rechtsanwalt bei der Anwaltskanzlei Benn-Ibler in Wien.
Nach dem Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz (WWFSG) ist bei der Berechnung einer beantragten Wohnbeihilfe das Haushaltseinkommen zugrunde zu legen. Was als „Einkommen“ im Sinne des WWFSG anzusehen ist, folgt aus dem Einkommensbegriff des Einkommensteuergesetzes. „Sozialhilfeleistungen stellen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein entsprechendes Einkommen dar“, so Thurin.
Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS), die im Jahr 2010 eingeführt wurde und der Beseitigung einer Notlage dient, soll einen Mindeststandard in den Bedarfsbereichen Lebensunterhalt, Wohnen und Krankheit sicherstellen. „Im Hinblick darauf kann, so der Verwaltungsgerichtshof, aber kein Zweifel bestehen, dass die Gewährung einer BMS eine Sozialhilfeleistung ist und somit für die Berechnung der Wohnbeihilfe nicht als Haushaltseinkommen anzusehen ist“, so Thurin.
„Frühere Entscheidungen sind rechtswidrig“
Diese Entscheidung des Gerichtshofes ist von durchaus praktischer Bedeutung. „Klargestellt ist nun, dass der Einhalt einer BMS bei der Ermittlung der Höhe des Haushaltseinkommens, von der letztlich der Anspruch auf Wohnbeihilfe abhängt, nicht berücksichtigt werden darf. Damit wird aber einer potentiell nicht unbedenklichen Behördenpraxis ein wichtiger Riegel vorgeschoben. Behördliche Entscheidungen, die dieses Judikat des Verwaltungsgerichtshofes nicht berücksichtigen, sind rechtswidrig und können mit einer hohen Erfolgschance bei den Verwaltungsgerichten bekämpft werden“, so Thurin.
Link: Benn-Ibler