Wien. Im Jahr 2010 legte der Vulkan Eyjafjallajökull einen Monat lang den Flugverkehr über Europa lahm. Nun droht durch den Vulkan Bárdarbunga auf Island eine ähnliche Situation. Damals wurden mehr als 100.000 Flüge gestrichen, wodurch bei Fluggesellschaften, Reiseveranstaltern und Privatpersonen Schäden entstanden.
Nach einer Welle von Klagen gegen Reiseveranstalter und Fluglinien musste die Rechtslage hinsichtlich der tatsächlich zustehenden Ansprüche und der zu ersetzenden Kosten neu geklärt werden. Doch welche Möglichkeiten zum Kostenersatz stehen nun tatsächlich zur Verfügung? Barbara Reznicek, Rechtsanwaltsanwärterin bei PHH, erläutert die Situation.
Was Ansprüche der Fluggäste gegen die Fluggesellschaft betrifft, komme es auf die Situation an, so Reznicek. Von bloßen Beförderungsverträgen mit einem Flugunternehmen (Ticketkauf) seien Pauschalreiseverträgen mit Reiseveranstaltern zu unterscheiden.
Bei Abschluss eines Beförderungsvertrages zwischen dem Fluggast und dem Flugunternehmen, der durch einen einfachen Ticketkauf entsteht, haftet das Flugunternehmen seinem Fluggast gemäß den Grundsätzen der Vertragshaftung des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB). Schäden die aufgrund von höherer Gewalt (widrige Wetterverhältnisse und der daraus resultierenden Flugverspätung) entstehen, sind der Fluggesellschaft nicht vorzuwerfen und daher entfällt auch die Ersatzpflicht gemäß ABGB, so Reznicek.
Fluggäste haben in solchen Fällen jedoch immer noch die Möglichkeiten ihre Ansprüche gegenüber der Fluggesellschaft auf Grundlage der „Fluggastrechte-Verordnung“ (Fluggastrechte-VO (EG) 2004/261) geltend zu machen. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Fluggastrechte-VO ist, dass der Flug in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union angetreten wird oder die Fluggesellschaft ihren Sitz in der Europäischen Union hat.
Die Verordnung sehe nämlich in Fällen der Nichtbeförderung, Annullierung oder einer längeren Verspätung (in etwa 2h), je nach Dauer und entstandener Umstände, entweder die Erstattung des Flugpreises, eine anderweitige Beförderung oder Betreuungsleistungen vor. Bisher weigerten sich die Fluggesellschaften jedoch eine Ersatzbeförderung mit Bus oder Bahn zu ersetzen. Auch die Verordnung sieht in Fällen außergewöhnlicher Umstände vor, dass Fluggesellschaften von Ausgleichszahlungen befreit werden, wenn sie kein Verschulden an der Annullierung eines Fluges trifft. Betreuungsleistungen wie beispielsweise Verpflegung und Unterbringung ohne zeitliche und finanzielle Beschränkung sind dennoch weiterhin zu erbringen.
Das Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. Mai 1999 („Montrealer Übereinkommen“) biete bei Flugverspätungen eine weitere Anspruchsgrundlage. Demnach haftet die Fluggesellschaft nicht nur für Schäden, die durch Verspätung bei von Reisenden entstehen, sondern auch für solche die durch Verspätung von Gepäck oder Gütern entstehen.
Diese Haftung entfalle allerdings, wenn durch die Fluggesellschaft nachgewiesen werden kann, dass alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens getroffen wurden oder es nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, Maßnahmen dagegen zu ergreifen. Verspätungen aufgrund gefährlicher Witterungsverhältnisse befreien einen „Luftfrachtführer“ auch nach diesem Übereinkommen von der Ersatzpflicht.
Ansprüche gegen den Reiseveranstalter
Bei Pauschalreisen mit Fluganteil ist die Situation ein wenig anders, so Reznicek: Hier wird der Vertrag mit dem Reiseveranstalter abgeschlossen, welcher auch die Beförderung durch eine Fluglinie mitumfasst. Die Fluggastrechte-Verordnung ist zwar auch auf diese Verträge anwendbar, jedoch nur hinsichtlich des Anspruchs auf eine anderweitige Beförderung. Der weitere Anspruch auf Rückerstattung des Ticketpreises richte sich nach dem ABGB und dem Konsumentenschutzgesetz.
Vor Antritt der Reise können sowohl Fluggast, als auch Reiseveranstalter den Vertrag nach § 31d KSchG wegen höherer Gewalt auflösen. Ein Schadenersatzanspruch des Reisenden werde allerdings ausgeschlossen, da bei Fällen höherer Gewalt kein Verschulden gegeben ist. Bereits gezahltes Entgelt ist zurück zu erstatten.
Gemäß § 31e KSchG muss der Veranstalter auch für eine vergleichbar ähnliche Rückreise sorgen und dem Fluggast bestmöglich behilflich sein. Die dem Fluggast bereits entstandene Kosten für den verlängerten Aufenthalt können gemäß § 1042 ABGB geltend gemacht werden (LG Salzburg 21 R 5/12z), so Reznicek.
Was es bedeutet
Als Fazit lasse sich festhalten, dass ein Fluggast in Fällen außergewöhnlicher Umstände nicht im Regen stehen gelassen wird. Sowohl die internationale als auch nationale Bestimmungen ermöglichen eine kostenlose Rückabwicklung des Vertrages vor Reisebeginn bzw. die Zurverfügungstellung einer Unterkunft und Verpflegung (falls die Heimreise nicht angetreten werden kann).
Bei unvorhergesehenen Ereignissen wie einem Vulkanausbruch sei der Ersatz bloßer Vermögenschäden jedoch mangels Vorliegen eines Verschuldens seitens der Fluggesellschaft nicht ersatzfähig, so PHH-Expertin Reznicek.
Link: PHH