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Sehnsucht nach Anoymität, Wunsch nach Kontrolle bei Österreichs Internet-Provider-Tagung ISA 2014

Bauer, Zawodsky, Koman, Brodnig, Zeller, Westphal, Hofer ©Peter Korrak / ISPA
Bauer, Zawodsky, Koman, Brodnig, Zeller, Westphal, Hofer ©Peter Korrak / ISPA

Wien. Die Vereinigung österreichischer Internet-Provider, die ISPA, hat bei ihrem 10. Internet Summit Austria (ISA) ein aktuelles und emotionales Thema in den Mittelpunkt gerückt: In Zeiten von NSA-Enthüllungen, und allgegenwärtiger Verfolgung der User zu Werbezwecken herrscht Sehnsucht nach Anonymität im Netz. Doch gleichzeitig wird der Wunsch nach mehr Kontrolle laut: etwa wenn es um Kriminalität im Internet geht, um den Missbrauch von Kommentarseiten und Social Media für anonyme Hasspostings, Shitstorms und Cyber-Mobbing.

Mehr als 200 Teilnehmer besuchten die ganztägige Veranstaltung in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

„Durch die derzeit sehr intensiv geführte Debatte um die Vor- und Nachteile der Anonymität im Netz hat sich das Thema dieses Jahr geradezu aufgedrängt“, erläutert Andreas Koman, Präsident der ISPA den Schwerpunkt der Veranstaltung.

Die ISA sieht sich als zentrales Forum der Web-Community und der Internetwirtschaft in Österreich, heißt es in einer Aussendung; dieses Jahr wurde die Veranstaltung in Kooperation mit dem Bundeskanzleramt im Rahmen des 1. österreichischen Internet Governance Forums (IGF-Austria) abgehalten.

Das IGF-Austria beschäftigte sich nach der Eröffnung durch Staatssekretärin Sonja Steßl mit den Themen „Internet und Zivilgesellschaft“, „globales versus europäisches Internet“ und „Netzneutralität“, während sich der ISA am Nachmittag mit zwei Keynotes und einer anschließenden Podiumsdiskussion mit teilweise reger Publikumsbeteiligung der Problematik „Anonymität und Identität im Netz“ widmete.

ISPA Internet Summit

Die Anonymität im Internet sei ein sehr aktuelles, breit diskutiertes und durchaus mit Emotionen behaftetes Thema: Einerseits habe uns Edward Snowden vergegenwärtigt, dass die Kommunikationsmittel des 21. Jahrhunderts dem Schutz der Privatsphäre nicht besonders zuträglich sind. Dass aber nicht nur Geheimdienste mehr von uns wissen als unsere engsten Freundinnen und Freunde oder manchmal auch wir selbst, könne man jeden Tag an Werbebannern sehen, die uns im Netz geradezu verfolgen. All das wecke den Wunsch nach mehr Anonymität.

Andererseits verkehrt sich dieser Wunsch ins Gegenteil, sobald man auf die Kommentarseiten diverser Online-Medien oder in die Sozialen Medien blickt. Dort jagt ein „Shitstorm“ den anderen, Hasspostings sind an der Tagesordnung. Übelste Beleidigungen, Verleumdung und auch Gewaltaufrufe erfolgen anonym oder unter einem Pseudonym. Der Schutz der – manchmal allerdings nur scheinbaren – Anonymität und auch das fehlende direkte Gegenüber beseitige bei manchen Userinnen und Usern alle Hemmungen.

Ingrid Brodnig, Autorin eines jüngst zu diesem Thema erschienenen Buches und Journalistin bei der Zeitschrift Falter, ging in ihrer Keynote auf die jüngsten Fälle und den aktuellen Stand der Debatte in Österreich ein und  erläuterte, inwiefern die Anonymität unser Verhalten beeinflusst. Sie machte aber auch klar, dass für sie eine gänzliche Abschaffung der Anonymität im Netz nicht vorstellbar ist und sich der Ton bei Online-Debatten auch durch andere Wege verbessern lässt. „Derzeit wird viel über die Anonymität im Internet gestritten: Soll sie abgeschafft werden, sollen wir nur noch per Klarname miteinander kommunizieren? Ich warne aber vor einem Internet ohne anonyme Freiräume“, so Brodnig.

Mehr Anonymität statt weniger

In der zweiten Keynote erwies sich der ehemalige IT-Journalist Jonas Westphal, der als Analyst und Berater in Sachen digitaler Kommunikation tätig ist und zahlreiche Publikationen zur Digitalisierung von Politik und Gesellschaft verfasst hat, als klarer Befürworter der Anonymität und fordert mehr von derselben: „Freie Kommunikation und unabhängige Informationen durch Medien brauchen Pseudonyme: Sie sind unverzichtbar. Die Welt nach Snowden wird durch Total-Überwachung geprägt. Wir müssen neue, sichere und geschützte Kommunikationsräume schaffen. Eine freie Gesellschaft mit Identifikationszwang ist nicht mehr frei.“

Dass die Sichtweisen bei diesem Thema sehr unterschiedlich sind, kristallisierte sich in der anschließenden Podiumsdiskussion unter der Leitung von Franz Zeller von Ö1 heraus. So plädierte Sebastian Hofer, Journalist beim profil, für die Klarnamenpflicht, um die Hemmschwelle für Pöbelei im Internet anzuheben: „Wem nützt die Anonymität im Netz – wenn es sie denn überhaupt noch gibt? Der Demokratie? Da habe ich meine Zweifel. Eine Zivilisierung von Online-Debatten wäre demokratiepolitisch jedenfalls sinnvoll. Klarnamen können ein wichtiger Schritt zu diesem Ziel sein – und sei es nur als Signal, das sagt: Hier gelten Regeln.“

Jörg Bauer, Sprecher für die DACH-Region bei ixquick, der nach eigenen Angaben „diskretesten Suchmaschine der Welt“, sieht das anders: „Netzfreiheit steht unmittelbar mit unserer Demokratie in Zusammenhang. Die Privatsphäre und damit die persönliche Freiheit hat sich unsere Gesellschaft nach 1945 hart erkämpft. Es wäre mehr als unklug, diese kampflos aufzugeben.“

Auch Pepi Zawodsky, unter anderem Mitbegründer der Austrian Privacy Foundation und Mitveranstalter der monatlich stattfindenden >CryptoParty Wien< brach bei der Veranstaltung eine Lanze für die Anonymität: „Wir nehmen täglich verschiedene Rollen im Leben an. Anonyme Identitäten sind dabei für die persönliche wie auch gesellschaftliche Entwicklung unerlässlich.“

Link: ISPA

 

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