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CETA-Vertrag mit Kanada geht an die Startrampe: Österreich zwischen Geschäftschancen und Sorgen

Parlament ©ejn
Parlament ©ejn

Wien. Hauptthema im EU-Unterausschuss des Nationalrats ist derzeit das Wirtschafts- und Handelsabkommen mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA): Die im Mai 2009 aufgenommenen Verhandlungen wurden im Oktober des Vorjahres abgeschlossen, am 5. August 2014 legte die EU-Kommission den Mitgliedstaaten die vorläufigen Abkommenstexte vor – unter heftiger Kritik vieler Parteien und NGOs.

Bei CETA handelt es sich um das das erste umfassende Freihandelsabkommen der EU mit einem Industriestaat, das auch einen Investitionsschutz einschließlich einer Investor-Staat Streitbeilegung (ISDS) umfasst. CETA ist wie das derzeit zwischen EU und den USA in Verhandlung stehende Abkommen TTIP umstritten, vor allem wegen ISDS. Dabei kritisiert sogar einer der wesentlichen Verhandler auf österreichischer Seite, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, überflüssige Geheimnistuerei der Hauptverhandler EU und USA – auch wenn er den Pakt grundsätzlich befürworte.

Mitterlehner bekräftigte gegenüber den Abgeordneten, dass es sich bei dem Vertrag um ein gemischtes Abkommen handle, das auch in den einzelnen nationalen Parlamenten ratifiziert werde. Das sei die Meinung aller Mitgliedstaaten. Sollte die Kommission dies anders sehen, dann werde es im Rat keine Zustimmung geben. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass die neue zuständige Kommissarin Cecilia Malmström die Auffassung der EU-Länder teilen wird, berichtet die Parlamentskorrespondenz.

Bedenken gegenüber Investitionsschutz

Auch im Ausschuss des Nationalrats konzentrierte sich die Diskussion vor allem auf dieses Thema: Es sei nicht einzusehen, Sonderklagsrechte in einem Vertrag zwischen rechtsstaatlich hochentwickelten Ländern vorzusehen, hieß es. Da der Investitionsschutz ursprünglich weder von Kanada noch von der EU Thema gewesen sei und erst später in die Verhandlungen aufgenommen wurde, mutmaßten viele Abgeordnete, dass die diesbezüglichen Bestimmungen als Präjudiz für die TTIP-Verhandlungen dienen sollen.

Der Vizekanzler und Wirtschaftsminister zeigte Verständnis für die artikulierten Sorgen, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass es sowohl bei CETA als auch bei TTIP das sogenannte „right to regulate“ gibt, wonach sichergestellt sei, dass ein Land nicht geklagt werden kann, wenn es nachträglich Gesetze ändert. Man habe auch dafür vorgesorgt, dass amerikanische Konzerne nicht über die Hintertür in Kanada klagen können. Dennoch müsse man prüfen, ob bzw. inwieweit man den Investitionsschutz tatsächlich braucht, wenn das „right to regulate“ ohnehin Teil des Abkommens ist, sagte Mitterlehner.

Grundsätzlich befürworte er das Abkommen; der Nachdenkprozess auch innerhalb der EU sei ohnehin noch nicht abgeschlossen. Der offizielle Abschluss der Verhandlungen soll beim geplanten EU-Kanada-Gipfel am 26. September 2014 verkündet werden, der Vertrag wird aber bei diesem Termin nicht paraphiert. Nach Abschluss der Prüfung des gesamten Abkommenstextes durch die EU-Mitgliedstaaten und der juristische Prüfung erfolgt die Übersetzung der Texte in die EU-Amtssprachen und anschließend ein formeller Vorschlag der Kommission an den Rat zur Unterzeichnung und Genehmigung. Danach wird sich das Europäische Parlament mit dem Abkommens befassen. Schließlich müssen alle 28 EU-Mitgliedstaaten den Vertrag ratifizieren.

Im Jahr 2013 betrugen die österreichischen Exporte nach Kanada 918 Mio. €, österreichische Importe 457 Mio. €. Österreich habe von den Freihandelsabkommen bislang immer profitiert, so Mitterlehner.

Eckpunkte des Abkommens mit Kanada

Konkret sieht das Abkommen den Wegfall der meisten Zölle vor. Ausnahmen gibt es bei einigen Agrarwaren, bei sensiblen Agrarprodukten wurden Marktzugangsquoten für Kanada vereinbart. Laut Information des Wirtschaftsressorts sind die öffentlichen Dienstleistungen abgesichert genauso wie die Förderung der kulturellen Vielfalt. Außerdem sichere das Abkommen eine breite Ausnahme für die Wasserversorgung und die Erzeugung nuklearer Energie sowie die praktisch bis auf wenige Ausnahmen durchgehende Aufrechterhaltung der Arbeitsmarktprüfung im Hinblick auf den Personenverkehr zu, so Mitterlehner.

Des Weiteren, so die Erwartungen, werden sich durch die Marktöffnung auch in den Sektoren Energie und Transport neue Exportmöglichkeiten öffnen. Es werde keine Senkung von Sozial- und Umweltstandards zugunsten von Investitionen geben, versicherte Mitterlehner und wies auf das verankerte „right to regulate“ der Vertragspartner hin. Auch bleibe der Schutz des geistigen Eigentums sowie der Schutz für wesentliche agrarische geografische Herkunftsbezeichnungen gewahrt.

Chancen und Gefahren durch CETA

Nicht nur seitens der Opposition sondern auch vom Koalitionspartner SPÖ kamen kritische Worte. Der Befund sei zwiespältig, sagte Christine Muttonen (SPÖ): CETA biete viele Chancen, die Gefahren seien aber beträchtlich, vor allem was die Sonderklagsrechte betreffen. So sei unklar, ob Investoren im Vergleich zum bereits bestehenden Schutz nun mehr oder weniger Rechte erhalten. Fraglich sei ferner, was vom Investitionsbegriff umfasst ist und was man unter einer „fairen und gerechten Behandlung von Investoren“ zu verstehen hat. Auch beim Thema Nachhaltigkeit hätte sich Muttonen mehr Verbindlichkeiten gewünscht. Er sehe ebenfalls die Notwendigkeit von Nachschärfungen und der Klärung einzelner Fragen, reagierte darauf Mitterlehner. Wozu entwickelte Rechtsstaaten einen übergeordneten Streitbeilegungsmechanismus brauchen, hinterfragte auch Christoph Matznetter (SPÖ) und andere.

Für rechtsstaatlich bedenklich hält die FPÖ das CETA-Abkommen. In einem Antrag auf Stellungnahme, der von Barbara Rosenkranz eingebracht und mit den Stimmen von FPÖ und Grünen keine ausreichende Unterstützung erhielt, warnen die Freiheitlichen vor einer Aushöhlung des demokratischen Rechtssystems, sollten Sonderklagsrechte eingeräumt werden. Auf diese Weise könnten Konzerne die EU-Staaten allein durch die Androhung juristischer Schritte von neuen Auflagen für den Gesundheits- oder Verbraucherschutz abhalten, befürchten sie. Ein solcher Investitionsschutz sei ursprünglich nur für jene Investitionen gedacht gewesen, die in einem Staat mit niedrigen rechtsstaatlichen Standards getätigt werden, so Rosenkranz.

Sowohl auch CETA als auch TTIP werden einen Trend nach unten einleiten, stellte Werner Kogler aus der Sicht der Grünen fest. Da es weder eine völlige Kostenwahrheit noch gleiche Standards gebe, komme es unweigerlich zu Wettbewerbsnachteilen, die eine derartige negative Entwicklung bei Umwelt- und Sozialstandards initiieren würden.

Für Klein- und Mittelbetriebe sei der Investitionsschutz ein wichtiges Thema, warf Angelinka Winzig (ÖVP) ein. Für das Exportland Österreich sei es wichtig auf Fernmärkte auszuweichen und sie halte es für gut, wenn man engere wirtschaftliche Beziehungen mit einem demokratisch und rechtsstaatlich geprägten Land ausbaut.

Warum die Geheimniskrämerei?

Team Stronach und Neos halten derartige Freihandelsabkommen für ein exportorientiertes Land für notwendig, kritisierten jedoch die mangelnde Transparenz im Zuge des Verhandlungsprozesses. Eine derartige Strategie der Geheimhaltung mache die Menschen stutzig und schüre das Misstrauen. Darauf reagierte der Ausschussvorsitzende und Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf mit dem Hinweis, der EU-Unterausschuss sei jene Einrichtung des Parlaments, um mit den zuständigen Regierungsmitgliedern rechtzeitig in Dialog treten zu können. Das sei auch bei TTIP und CETA geschehen.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner unterstrich, sein Ressort binde das Parlament regelmäßig und ausführlich ein, indem sämtliche Dokumente zur Verfügung gestellt werden. Was das Vorgehen der EU und der USA betrifft, so teilte er die Kritik der Abgeordneten. Die Geheimhaltung habe das Misstrauen beschleunigt.

Link: Parlament

 

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