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Bildung & Uni, Recht, Tipps

Gastbeitrag: Zusammenleben ohne Trauschein birgt Gefahren bei Trennung, Erbschaft, Kindern und mehr

Astrid Deixler-Hübner ©Linde
Astrid Deixler-Hübner ©Linde

Linz/Wien. Im Gegensatz zur Ehe erfährt die nichteheliche Lebensgemeinschaft in der Gesellschaft zunehmende Bedeutung. Viele Paare ziehen es vor, ohne Trauschein zusammen zu leben. Das traditionelle Familienbild hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt und die ne Lebensgemeinschaft – auch als „Ehe ohne Trauschein“ oder als „wilde Ehe“ bezeichnet – erfährt immer mehr an gesellschaftlicher Akzeptanz. Gerade umgekehrt verhält es sich jedoch im Hinblick auf die gesetzliche Regelung. In der österreichischen Rechtsordnung kommt die heterosexuelle Lebensgemeinschaft kaum vor. Nur für gleichgeschlechtliche Paare wurde 2009 mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz ein umfassendes Regelungswerk geschaffen, das sich eng an die Eherechtsbestimmungen anlehnt.

Während sowohl die Eheschließung als auch die Rechte und Pflichten in der Ehe sowie die Eheauflösung und deren Folgen genau gesetzlich normiert sind und vor allem den Schutz des sozial schwächeren Partners sicherstellen, hat die Lebensgemeinschaft heterosexueller Paare kaum gesetzlichen Niederschlag gefunden.

Univ. Prof. Dr. Astrid Deixler-Hübner vom Institut für Europäisches und Österreichisches Zivilverfahrensrecht an der Johannes Kepler Universität Linz beschreibt in ihrem Gastbeitrag die zahlreichen Rechtsprobleme, die sich daraus ergeben können.

Für diese Lebensform bestehen nur marginale Regelungen, zumeist im sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Bereich oder im Verfahrensrecht. Auf zivilrechtlicher Ebene bestehen derzeit – außer im Wohnrecht – hingegen kaum Vorschriften. Vor allem fehlen gesetzliche Regelungen zu einem Unterhaltsanspruch der/des (haushaltsführenden) Lebensgefährtin/Lebensgefährten und auch für gegenseitige Erbansprüche.

Mit diesem Regelungsmanko befindet sich Österreich im Vergleich zu anderen EU-Staaten eher im Schlussbereich. Obwohl der Oberste Gerichtshof die nichteheliche Lebensgemeinschaft bereits zum verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsrecht erklärt hat, fehlt bislang noch eine gesetzliche Definition dieses Begriffs.

Eine exakte Begriffsdefinition scheitert aber auch an den äußerst heterogenen Formen des Zusammenlebens: Von jüngeren Paaren wird die nichtehelichen Lebensgemeinschaft mitunter als Vorstufe zur Ehe, somit als „Ehe auf Probe“ angesehen, manche Paare bezeichnen ihre Gemeinschaft mitunter wenig romantisch als Lebensabschnittspartnerschaft und ältere Paare nehmen oft vom Eingehen einer Ehe aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen Abstand – etwa um die Witwenpension nicht zu verlieren.

Die Kritierien für eine Lebensgemeinschaft

Als Kriterien für das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zieht der Oberste Gerichtshof daher stets die drei Elemente „Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft“ heran. Diese typischen Merkmale sollen zwar möglichst gleichzeitig vorliegen, doch schadet es im Einzelfall nicht, wenn ein Charakteristikum weniger ausgeprägt ist oder sogar ganz fehlt.

Obwohl diese Äußerlichkeiten starke Indizien für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft darstellen, ist für die Rsp aber besonders das Bestehen einer seelischen Gemeinschaft und das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Partnern bedeutsam. Außerdem stellt die Judikatur auch auf einen länger andauernden Zustand des Zusammenlebens ab.

Von der Ehe unterscheidet sich die Lebensgemeinschaft jedoch durch ihre jederzeitige Lösbarkeit. Praktische Konsequenz dieser Judikatur ist aber meist eine für Lebensgefährten nicht gerade günstige: Wird von den Gerichten nämlich eine solche Partnerschaft bejaht, so muss der geschiedene Ehemann (bzw in Ausnahmefällen auch die Ehefrau) keinen Unterhalt während des Bestehens dieser Gemeinschaft leisten.

Regelungen im Wohnrecht

Obwohl die Lebensgemeinschaft im österreichischen Recht nur äußerst dürftig geregelt ist, wurde die Rechtsentwicklung besonders im Wohnrecht vorangetrieben, weil ja dort wichtige Fragen der Existenz auf dem Spiel stehen. Seit der Wohnrechtsnovelle 2002 ist auch für Lebensgefährten ein gemeinsamer Kauf einer Eigentumswohnung gesetzlich möglich; bis dahin konnten das nur Ehegatten tun! Damit werden die Lebensgefährten sogenannte Eigentumspartner. Stirbt ein Partner, so wächst dem anderen der Anteil des Verstorbenen an der Wohnung unmittelbar auf Grund des Gesetzes zu. Sind Erben vorhanden – etwa Kinder des verstorbenen Lebensgefährten –, so ist an diese ein Übernahmepreis für diesen Wohnungsanteil zu bezahlen. Es ist ratsam, für diesen Fall aber noch zu Lebzeiten des Partners erbrechtliche Vorsorge zu treffen und dort bereits die Frage des Übernahmepreises zu klären!

Trennen sich die Lebensgefährten und können sich über das Schicksal der Eigentumswohnung nicht einigen, so bleibt ihnen eine Aufhebungsklage nicht erspart. In diesem Fall wird einem Ex-Lebensgefährten vom Gericht gegen Ausgleichszahlung das Alleineigentum eingeräumt. Kann keiner eine solche Zahlung aufbringen, so wird die Wohnung verkauft bzw versteigert und der Erlös geteilt. Auch für den Fall einer Trennung ist eine vertragliche Vorsorge dringend anzuraten! Dabei könnte etwa für die ersten drei Jahre ab Eintragung der Wohnungseigentümerpartnerschaft im Grundbuch eine solche Aufhebungsklage vertraglich ausgeschlossen werden.

War ein Lebensgefährte Hauptmieter einer Wohnung, so kann nach seinem Tod der – nach der jüngeren Entscheidung des OGH auch gleichgeschlechtliche – überlebende Lebensgefährte in den Mietvertrag eintreten, wenn er ein dringendes Wohnbedürfnis an dieser Wohnung hat und mit dem Mieter bereits drei Jahre im gemeinsamen Haushalt gelebt bzw die Mietwohnung mit diesem bezogen hat. Ein solches Eintrittsrecht gilt auch für Genossenschaftswohnungen.

Waren beide Lebensgefährten Mitmieter der Wohnung, so setzt der überlebende Lebenspartner das Mietverhältnis nun allein fort. Auch dann, wenn man eine Wohnung gemeinsam anmietet, sollte man für den Trennungsfall vertragliche Vereinbarungen treffen. Kann man sich nämlich über das Schicksal der gemeinsamen Mietwohnung nicht einigen, so entscheidet das Gericht über die Wohnungsbenützung unter Abwägung der gegenseitigen Interessenslage, wobei insbesondere auf den persönlichen Bedarf oder das Wohl von gemeinsamen Kindern abgestellt wird.

Ist nur ein Lebensgefährte Alleinmieter der Wohnung, so kann der andere uU mit der Räumungsklage der Wohnung verwiesen werden. Sind beide Lebensgefährten Mitmieter einer Wohnung und verwehrt der eine dem anderen den Zutritt zur gemeinsamen Wohnung – insbesondere durch Anbringung eines neuen Türschlosses –, so stellt eine solche Handlung eine Besitzstörung dar. Das berechtigt den Partner, dem der Zutritt verwehrt wird, innerhalb einer 30-tägigen Klagefrist eine Besitzstörungsklage beim Bezirksgericht des Wohnorts einzubringen. Ist nur ein Lebensgefährte Alleinmieter der Wohnung und verschafft sich der Ex-Lebensgefährte unbefugt Zutritt zur Wohnung, so wird auch der Straftatbestand des Hausfriedensbruchs gem § 109 StGB erfüllt sein.

Univ. Prof. Dr. Astrid Deixler-Hübner ist Vorständin des Institut für Europäisches und Österreichisches Zivilverfahrensrecht an der Johannes Kepler Universität Linz und Autorin des Buch „Partnerschaft ohne Trauschein“ im Linde Verlag.

Im zweiten Teil des Gastbeitrags (morgen, Donnerstag) stehen die Streitigkeiten nach Scheitern der Lebensgemeinschaft im Fokus: Hier können sich gravierende Rechtsprobleme gerade für jenen Partner ergeben, der wirtschaftlich weniger gut abgesichert ist. Weiters wird das Thema der gemeinsamen Kinder nach der Trennung behandelt.

Link: Linde Verlag

Link: JKU

 

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