Wien. Vor knapp vier Jahren wurde die sogenannte >große Kronzeugenregelung< vom Nationalrat beschlossen. Seitdem wurde bisher nur ein Manager im Telekom-Prozess als Kronzeuge anerkannt. Drei weitere Personen gelten als Kandidaten für kleinere Fälle. In Summe ist das also eine sehr geringe Zahl.
Nun soll die Kronzeugenregelung reformiert werden. Aktuell werden die Möglichkeiten vom Wiener Institut für Kriminalsoziologie wissenschaftlich evaluiert, meldet der ORF.
Stefan Prochaska von PHH Prochaska Havranek bringt im Ö1-Interview die Sorgen seiner Klienten mit der Kronzeugenregelung so auf den Punkt. „Den Mandanten war es zu riskant. Sie müssen vorher gestehen, was sie getan haben, und wissen nicht was daraus wird. Das Bangen, ob man den Kronzeugenstatus bekommt, kann Jahre dauern.“ Prochaska hat immerhin Österreichs ersten und bisher einzigen Kronzeugen beim Telekom-Prozess vertreten.
Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek teilt seine Meinung: Man habe sich mehr Resonanz erhofft und daher nun auch eine wissenschaftliche Evaluation in Auftrag gegeben. Als erster Schritt soll das Institut für Kriminalsoziologie erheben, warum nicht mehr Personen als Kronzeugen auftreten wollen. Dazu sollen Richter, Staatsanwälte und Anwälte befragt werden.
Prochaska schlägt anfängliche Anonymität vor
Prochaska plädiert für eine Art Kronzeugen-Vertrag mit anfangs anonymen Zeugen: Ein Anwalt soll das Recht haben, dem Staatsanwalt anzubieten, dass der anonyme Mandant bestimmte Täter mit bestimmten Taten überführe. „Und wenn dann alle meinen, das sei es wert, dann sollte ein rechtsgültiger Titel geschaffen werden“, so Prochaska im Interview. Prochaska befürwortet außerdem einen erleichterten Privatkonkurs für Kronzeugen, um auf zivilrechtliche Schadensansprüche besser zu reagieren.
Die derzeitige Kronzeugenregelung läuft Ende 2016 aus.
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