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Business, Recht

Causa Hypo: Wohin die Milliarden-Klagewelle der Gläubiger rollt

Jörg Zehetner ©KWR
Jörg Zehetner ©KWR

Wien. Österreichs Wirtschaftskanzleien wird die Causa Heta – also die frühere Hypo Alpe Adria Bank International – einen heißen Sommer bescheren, sagt Jörg Zehetner, Rechtsanwalt und Partner bei Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte (KWR): Die Klagswellen gegen den geplanten Hypo-Schuldenschnitt erreichen jetzt einen neuen Höhepunkt, denn mit 1. Juni 2015 läuft eine wichtige Frist für alle Hypo-Gläubiger ab, die mit dem ihnen auferlegten Schuldemoratorium nicht einverstanden sind. Für die Gläubiger und für die Republik bzw. das Land Kärnten geht es dabei um 10 Milliarden Euro. Zehetner plädiert für einen Vergleich: „Alle Beteiligten haben viel zu verlieren.“

Aus Zehetners Sicht sehen sich die Heta-Gläubiger bislang zwei „Angriffswellen“ ausgesetzt: Die erste Welle wurde im Sommer 2014 losgetreten, als das erste Hypo-Gesetzespaket (u.a. HaaSanG) in Österreich beschlossen wurde. Dieses sah vor, dass bestimmte Nachrangverbindlichkeiten der Hypo, die mit einer Ausfallshaftung des Landes Kärnten versehen sind, im Ausmaß von insgesamt 890 Mio Euro zur Gänze erlöschen. Gleichzeitig sollten auch die damit verbundenen Sicherheiten und Haftungen, so auch die Ausfallsbürgschaft des Landes Kärnten, erlöschen.

Das Ergebnis dieser Maßnahmen ist ein noch nie da gewesener Schuldenschnitt durch den österreichischen Gesetzgeber, finden die Gläubiger und die sie vertretenden Wirtschaftsanwälte: Das Ergebnis war die erste Welle der Hypo-Klagen.

Auch das KWR-Team für die Hypo um Zehetner, dem u.a. Thomas Haberer, Konstantin Köck, Elisabeth Fischer, Wolfgang Brenner, Andreas Mätzler und Magdalena Habsburg-Lothringen angehören, wurde von prominenten Mandanten damit beauftragt, rechtliche Schritte gegen den Schuldenschnitt einzuleiten, gegen dessen Rechtmäßigkeit verfassungs- und europarechtliche Bedenken bestehen. Der Verfassungsgerichtshof wird nun voraussichtlich noch dieses Jahr entscheiden und gegebenenfalls das HaaSanG und die darauf gestützte Verordnung (HaaSanV) ganz oder teilweise aufheben, hoffen die Gläubigervertreter.

Ein berühmter FMA-Bescheid

Die zweite Welle wurde heuer mit dem Bankensanierungs- und Abwicklungsgesetz (BaSAG) und einem darauf aufbauenden dramatischen FMA-Bescheid losgetreten. Zunächst trat am 1.1.2015 das BaSAG in Kraft, mit dem die neuen EU-Regeln zur Abwicklung von Banken (die Bankenrestrukturierungsrichtlinie oder BRRD) in Österreich umgesetzt werden.

Am 1.3.2015 hat die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) dann darauf aufbauend einen sogenannten „Mandatsbescheid“ erlassen. Mit diesem Bescheid wird die Fälligkeit (von einigen Ausnahmen abgesehen) sämtlicher von der Heta ausgegebener Schuldtitel um 15 Monate, also bis zum Ablauf des 31. Mai 2016, hinausgeschoben (Moratorium). Grundlage für diese Maßnahme ist § 58 Abs 1 Z 10 BaSAG. Die Heta wird damit zum ersten Anlassfall der neuen EU-Bankenabwicklung.

Doch an dieser Stelle beginnen schon die zahlreichen bedenklichen Rechtsfragen, die Zehetner ortet: Die Heta ist kein Kreditinstitut mehr, sondern eine Abbaueinheit. Da von vornherein höchst fraglich war, ob die EU-Richtlinie damit überhaupt für sie gilt, hat der Gesetzgeber das einfach in § 162 Abs 6 BaSAG ausrücklich so bestimmt – doch sei es nun weiterhin fraglich, ob damit die zugrundeliegende Richtlinie überhaupt korrekt umgesetzt wurde, oder ob es sich um eine (allenfalls unzulässige) überschießende Umsetzung handelt, so Zehetner.

Eine weitere wichtige Frage sind die von der FMA angeordneten Abwicklungsmaßnahmen: Sie hat zwar laut § 58 Abs 1 Z 10 BaSAG die Befugnis, die Fälligkeit der von einem in Abwicklung befindlichen Institut ausgegebenen Schuldentitel (einschließlich der Zinsen) zu ändern, doch gilt dies nicht für sogenannte „besicherte Verbindlichkeiten“.

Eine wichtige offene Frage sei daher, ob die durch die Ausfallsbürgschaft des Landes Kärnten besicherten Verbindlichkeiten nicht unter den in der Richtlinie und im BaSAG verwendeten Begriff der „besicherten Verbindlichkeiten“ fallen – und die FMA-Zwangsmaßnahmen daher gar nicht auf sie angewendet werden dürfen.

Schließlich lässt das FMA-Moratorium auch die Haftung des Landes Kärnten unberührt. Hier stellt sich die Frage, ob dieses Moratorium (selbst wenn es rechtmäßig ist) nicht bereits die Haftung des Landes Kärnten auslöst. Nur Banken, nicht aber Dritte sollen durch die BRRD geschützt werden. Wurde die Haftung bereits ausgelöst könnte Kärnten bereits in Anspruch genommen werden, so Zehetner.

Wie vorgegangen wird

Jedenfalls stellt sich aber die Frage, ob und wie gegen den Mandatsbescheid der FMA vorgegangen werden soll, so Zehetner: Gegen den Bescheid kann binnen 3 Monaten (ab 1.3.2015) das Rechtsmittel „Vorstellung“ erhoben werden. Diese wichtige Frist läuft daher nun am 1. Juni 2015 ab.

Über diese „Vorstellung“ entscheidet zunächst wieder die FMA. Gegen diesen (neuen) Bescheid der FMA besteht die Möglichkeit einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts besteht die Möglichkeit einer Beschwerde an den VfGH (oder eventuell an den VwGH). Zu beachten ist, dass die Vorstellung keine aufschiebende Wirkung hat, so Zehetner.

KWR empfiehlt den betroffenen Gläubigern, gegen den Mandatsbescheid der FMA das Rechtsmittel der Vorstellung zu erheben. Wird kein Rechtsmittel fristgerecht erhoben, bestehe die Gefahr, dass der Mandatsbescheid gegenüber diesen Gläubigern rechtskräftig wird. Weiters verlieren betroffene Gläubiger ihre Parteistellung, mit welcher auch die Ausübung der sonstigen Parteirechte wie insbesondere des Rechts auf Akteneinsicht verbunden ist. Zudem sprechen auch zivilrechtliche Überlegungen im Zusammenhang mit den bereit gestellten Länderhaftungen für die Erhebung einer Vorstellung, heißt es.

Wie geht es danach weiter

Daher gehen nun die Heta-Gläubiger gegen das FMA-Schuldenmoratorium in Stellung. Und sie beobachten mit Argusaugen, was als nächstes passiert. Denn auch wenn der FMA-Bescheid zunächst nur die Zahlung der Heta-Schulden bis 31.5.2016 hinausgeschoben hat, so ist doch danach oder schon davor ein Schuldenschnitt zu erwarten – und das ist natürlich für die Gläubiger wesentlich unangenehmer als eine bloße Verzögerung. Hypo-Spezialist Jörg Zehetner erläutert im Gespräch mit Recht.Extrajournal.Net die nun drohenden Hypo-Szenarien.

Recht.Extrajournal.Net: Die von Österreich getroffenen Maßnahmen in Sachen Hypo-Schulden folgen einer Art stufenweiser Eskalation. Zunächst wurde im Vorjahr nachrangige Verbindlichkeiten im Ausmaß von 890 Mio. Euro samt Haftungen Dritter gelöscht, dann heuer im Frühjahr die Fälligkeit der übrigen Schulden hinausgeschoben und 2016 soll es zu einem teilweisen Schuldenschnitt bezüglich des Gesamtpakets von rund 10 Milliarden Euro Heta-Schulden kommen. War diese Abfolge in Ihren Augen von vornherein geplant, oder ist sie eine Folge der Umstände?

Jörg Zehetner: Man fragt sich wirklich, ob das eine geplante Strategie ist, oder ob die Verantwortlichen einfach nur aus der Situation heraus agieren. Zweifellos ist die Lage schwierig. Ich kann nicht sagen, dass wir, die wir wie andere Kanzleien die Gläubiger vertreten, einen Königsweg sehen, auf dem der gesamte Fragenkomplex Hypo ganz einfach lösbar wäre. Die Politik steht aufgrund von Fehlern der Vergangenheit mit dem Rücken zur Wand und setzt daher Schritte. Diese scheinen teilweise Strategie und teilweise aus der Not heraus geboren zu sein. Es ist aber nicht ungeschickt gemacht, das muss ich sagen. Wir stehen hier vor außergewöhnlich komplexen Rechtsfragen, die nur in einem Team von Experten lösbar sind.

Zum Beispiel müssen alle Gläubiger jetzt bis 1. Juni ein Rechtsmittel („Vorstellung“) gegen den FMA-Bescheid erheben, um ihre Rechte zu wahren. Es wird bei der Hypo dabei viel juristisches Neuland betreten, im Europarecht, im Verfassungsrecht, etc. All das hat klarerweise den Nebeneffekt – ob beabsichtigt, kann ich nicht sagen – die Gläubiger zu verunsichern, weil sie sich über ihre Aussichten nicht klar sein können. Das könnte der Öffentlichen Hand dabei helfen, später einen günstigen Vergleich mit den Gläubigern zu erzielen.

Man will also den Boden für eine spätere Lösung aufbereiten?

Zehetner: Mir tut es nur leid, dass die Rechtsstaatlichkeit Österreichs deswegen jetzt international manchmal öffentlich in Zweifel gezogen wird, zum Beispiel von Politikern in Deutschland. Und viele Investoren stellen sich die Frage, ob dieses Vorgehen auch in anderen Ländern Schule machen könnte. All das schadet der Reputation staatlicher Haftung an sich. Alle Beteiligten haben also etwas zu verlieren.

Was ist der nächste wichtige Meilenstein, bei dem der weitere Gang der Dinge in Sachen Hypo absehbar sein wird?

Zehetner: Das nächste bedeutende Ereignis wird die Entscheidung des VfGH zur ersten Klagewelle sein. Ich rechne damit Ende Sommer, Anfang Herbst. Der VfGH sagt ja schon jetzt, dass es die komplexeste Frage ist, mit der er sich jemals zu beschäftigen hatte. Ich rechne damit, dass er das Gesetz oder die Verordnung (HaaSanG, HaaSanV) zumindest teilweise aufheben wird. Aus unserer Sicht ist die Streichung der Verbindlichkeiten und der Haftungen aus mehreren Gründen verfassungswidrig. Mit der Aufhebung wäre meines Erachtens das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit Österreichs auch wieder hergestellt. Selbst wenn die Politik, sagen wir „kreative“ Wege beschreitet, ist dann doch auf unsere Justiz Verlass. Das wäre ein gutes Signal.

Und wenn der VfGH das nicht tut?

Zehetner: Dann tritt dieser Effekt nicht ein. In jedem Fall wäre meines Erachtens aber eine wirtschaftliche Lösung sinnvoll. Es ist auf jeden Fall vernünftig, in diese Richtung zu denken, denn auch bei einer Aufhebung fallen diese Forderungen dann halt in die zweite Wellte, also unter das Bankensanierungsgesetz. Bei dieser zweiten Welle ist das Endergebnis derzeit sogar noch schwerer abzusehen als bei der ersten. Und es wird auch länger dauern, bis eine Entscheidung fällt.

Österreich sollte also auf einen Vergleich setzen, statt die Causa Hypo auszujudizieren?

Zehetner: Es wäre gut für Österreich, wenn das Ganze mit einem Vergleich gelöst würde. Österreich oder eigentlich das Land Kärnten könnten zB versuchen die Hypo-Verbindlichkeiten von 10 Milliarden Euro den Gläubigern zu einem guten Preis abzukaufen.

Was wäre ein guter Preis?

Zehetner: Das kann ich nicht beurteilen. Nehmen wir, als Hausnummer, 75 Prozent an. Die Hypo-Anleihen werden im Moment am Markt zu etwas mehr als 60 Prozent gehandelt, aber zu diesem Preis verkauft kaum jemand. 75 Prozent wären vielleicht ein Preis, der angenommen werden würde. Nicht von allen freilich – dafür gibt es einfach zu viele Hypo-Gläubiger. Trotzdem sollte man sich mit einem Vergleich beeilen, denn im Moment hat man es noch mit konservativen Gläubigern, vor allem deutsche Banken, Versicherer und Pensionskassen, zu tun. Viele warten im Moment einmal ab, was passieren wird. Später könnten vermehrt Hedgefonds auf den Plan treten, die den bisherigen Gläubigern ihre Forderungen abkaufen. Die Hedgefonds verfolgen da natürlich eine aggressivere Strategie, die judizieren die ganze Sache eher aus. Aber im Moment sind sie aus meiner Sicht noch nicht massiv vertreten.

Wie viel wurde bisher eingeklagt?

Zehetner: Schwer zu sagen. Wir haben für unsere Mandanten in der 1. Welle das Landesgericht Klagenfurt dazu gebracht, das Gesetz beim VfGH anzufechten. Das war eine der beiden möglichen Strategien, die man sicherheitshalber beide verfolgen musste: Die direkte Anrufung des VfGH war der zweite, schnellere aber unsichere Weg.

Wie viel wird jetzt also noch eingeklagt werden?

Zehetner: Ich glaube, dass jetzt alle Gläubiger den FMA-Bescheid beeinspruchen werden, und zwar bis 1. Juni – das müssen sie, denn sonst verlieren sie ihre Parteirechte. Das wird wohl bei den ganzen 10 Milliarden Euro schlagend werden. An irgendwelche Schläfer glaube ich nicht. Manche Gläubiger klagen auch schon auf Zahlung, vor allem in Deutschland, weil man hofft dass die Gerichte dort sich über die genannten österreichischen Gesetzen hinwegsetzen. Dies hat etwa jüngst, allerdings nur erstinstanzlich, das LG München tatsächlich getan.

In Österreich ist der Ablauf nun folgender: Gegen den FMA-Bescheid vom Frühjahr muss mittels einer „Vorstellung“ Einspruch erhoben werden. Diese Vorstellung geht wieder an die FMA, die sozusagen erst nach Eintreffen ein ordentliches Verfahren eröffnet, wo sie dann jeden Einzelfall prüft. Es ist zu erwarten, dass sie dabei wieder zum gleichen Ergebnis kommt, also Stundung der Hypo-Schulden. Dieses Ergebnis teilt die FMA in Form eines „Vorstellungsbescheids“ dem Gläubiger mit. Dagegen kann man dann Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) erheben. Danach kann man noch den VfGH (Beschwerde) und den VwGH (Revision) anrufen.

Wann wäre eine endgültige Entscheidung zu erwarten?

Zehetner: Das ist schwer absehbar, denn das BVwG könnte die europarechtlichen Fragen, die es ja in dem Verfahren gibt, dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen. Daher könnte es bis zum Endergebnis ohne weiteres bis 2020 dauern. Auch das ist ein gutes Argument für eine schnelle Lösung mittels Vergleich, was den Löwenanteil der Heta-Schulden betrifft.

Die Verfahren verursachen natürlich auch Kosten für die Republik, das Land Kärnten und alle anderen Beteiligten der Öffentlichen Hand. Kann man das abschätzen?

Zehetner: Schwer, aber eines stimmt auf jeden Fall nicht: Nämlich dass Österreich jetzt unter den Klagen etwa gar bereits leiden würde. Rufmäßig schon und dies hat auch insbesondere für unsere Bundesländer, aber auch für eine Reihe österreichischer Banken schon zu negativen Konsequenzen (Stichwort: Downgrading durch Rating-Agenturen) geführt. Die Prozessführung selbst ist aber für Österreich durchaus auch vorteilhaft. Und zwar dank eines weiteren Österreich-spezifischen Kuriosums, nämlich unserer im Europavergleich enorm hohen – und nach oben ungedeckelten – Gerichtsgebühren.

Die liegen bekanntlich vereinfacht gesagt bei 1,2% des Streitwerts, also der eingeklagten Summe, in der 1. Instanz, dann 1,8% in der zweiten und 2,4% in der dritten Instanz. Der Effekt ist, dass die Justiz wohl in ihrem Jahresbericht 2014 sehr erfreut über die Causa Hypo – konkret die Klagen der 1. Welle – sein wird.

Sie meinen, im Moment verdient Österreich an den Hypo-Klagen?

Zehetner: Ich glaube, dass Justizminister Brandstetter mit seinem Ressort im Vorjahr mehrere Millionen Euro an Gerichtsgebühren allein aus der Hypo-Causa vereinnahmen konnte. Und das geht natürlich so weiter, solange weitere Klagen eingebracht oder Rechtsmittel erhoben werden.

Link: KWR

 

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