Wien. Heute beginnt der Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit seinen Beratungen der Sommer-Session. Sie werden bis Samstag, 4. Juli 2015, andauern. Einige der Themen sind von großer Bedeutung für Österreich, etwa die Causa Hypo Alpe Adria. Auch der Verkauf von E-Zigaretten als neues Privileg der Trafiken, die Zulässigkeit von Genanalysen der Kunden privater Krankenversicherer und mehr stehen auf dem Programm.
Die Session steht zum einen im Zeichen des Verfahrens zum Hypo-Sanierungsgesetz, zum anderen im Zeichen der mittlerweile mehreren Verfahren im Zusammenhang mit dem Hypo-Untersuchungsausschuss, teilt das Höchstgericht mit.
Zum Hypo-Sanierungsgesetz werden die 14 Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter ihre Beratungen fortsetzen. Wie bereits berichtet, wurden zuletzt die Individualanträge von Banken und Versicherungen dagegen aus formalen Gründen zurückgewiesen (weil, vereinfacht gesagt, der Weg zum VfGH über Klagen bei den ordentlichen Gerichten führen muss). Diese wiederum haben sich, wie vorgesehen, mittlerweile zahlreich an den Verfassungsgerichtshof gewendet, weil Bedenken gegen das Hypo-Sanierungsgesetz vorliegen.
Mit einer Entscheidung des VfGH zum Hypo-Sanierungsgesetz sollte bis Ende Herbst zu rechnen sein, heißt es.
Wie geheim ist geheim?
Im Zusammenhang mit dem Hypo-Untersuchungsausschuss sind bislang mehrere Anträge an den Verfassungsgerichtshof gerichtet worden, vorrangig zum Thema Aktenschwärzungen. Ein Verfahren dreht sich um die Frage, ob die Kärntner Landesholding überhaupt ein Organ ist, das dem Untersuchungsausschuss Akten liefern muss. Ein weiteres wiederum wurde von einer Auskunftsperson initiiert: Sie hat sich gegen die Art und Weise ihrer Befragung beschwert.
Wann alle diese Verfahren abgeschlossen sein werden, lässt sich derzeit nicht sagen. Die Entscheidung zu den Aktenschwärzungen des Bundesministeriums für Finanzen (Antrag des Bundesministers für Finanzen sowie Antrag des Untersuchungsausschusses dazu) wird bis Ende Juni vorliegen, so der VfGH.
Abgesehen davon beraten die Verfassungsrichter u.a. noch über folgende Fälle:
Verwendung von Daten aus genetischen Analysen durch private Krankenversicherer
Der österreichische Verband der Versicherungs-Unternehmen sowie mehrere Versicherungen, die private Krankenzusatzversicherungen anbieten, bekämpfen mit einem Individualantrag Passagen im Gentechnikgesetz und im Versicherungsvertragsgesetz. Sie verbieten – vereinfacht gesagt – die Erhebung und Verwendung von Daten aus genetischen Analysen zur Feststellung des Gesundheitszustandes eines (potenziellen) Kunden. Dies soll die „genetische Privatsphäre“ schützen.
Allerdings, so argumentieren die Antragsteller, bewirkten die bekämpften Regelungen, dass damit die Verwendung jeder Laboranalyse durch die Versicherer untersagt sei. Dadurch werde unzulässigerweise in das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums und in die Freiheit der Erwerbsausübung eingegriffen. Außerdem verletzte dieses generelle Verbot den Gleichheitsgrundsatz. Zu diesem Verfahren findet eine öffentliche mündliche Verhandlung statt (23. Juni 2015, 10h30, VfGH).
E-Zigaretten nur mehr in Trafiken
Bislang konnten sogenannte elektronische Zigaretten (E- Zigaretten) frei verkauft werden. Ab Oktober ändert sich die Gesetzeslage: E-Zigaretten dürfen dann (nur mehr) in Tabaktrafiken erhältlich sein. Diese Regelung wird vor dem VfGH bekämpft. Die Argumentation des E-Zigaretten-Handels: Diese Form der Zigaretten sei mit herkömmlichen Tabakzigaretten nicht vergleichbar. Die Funktionsweise sei grundlegend verschieden, einige „Liquids“ würden zudem gar kein Nikotin beinhalten. Die „Monopolisierung“ des Verkaufsweges verletze den Gleichheitsgrundsatz, weil es unsachlich sei, hier keinen Unterschied zu machen. Außerdem werden mangelnde Übergangsfristen kritisiert.
Auch zu diesem Verfahren findet eine öffentliche mündliche Verhandlung statt (24. Juni 2015, 10h30, VfGH).
Bedenken gegen Schaumweinsteuer
Die 14 Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter befassen sich auch mit Bedenken gegen die Schaumweinsteuer (Sektsteuer), die das Bundesfinanzgericht in einem Antrag vorgebracht hat. Das Bundesfinanzgericht ist der Ansicht, dass es nicht angemessen und verhältnismäßig ist, eine spezielle Steuer auf Schaumwein einzuheben, während etwa Prosecco und Frizzante davon unberührt bleiben. Damit liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und ein unzulässiger Eingriff in die Erwerbsfreiheit vor.
Der Verfassungsgerichtshof muss entscheiden, ob er diese Argumente teilt und die Sektsteuer tatsächlich verfassungswidrig ist.
Link: VfGH