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Business, Recht, Tipps

Urteil im Streit um Negativzinsen: VKI gegen Raikas steht 1 zu 0

Peter Kolba ©VKI
Peter Kolba ©VKI

Feldkirch. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) führt – im Auftrag des Sozialministeriums – eine Verbandsklage gegen die Raiffeisenbank Bodensee. Wie viele andere Kreditinstitute hatte es die Bank abgelehnt, „Negativzinsen“ an ihre Fremdwährungskreditnehmer weiterzugeben. Das Gericht zeigt sich nun sowohl mit der Methode wie mit der Kommunikation unzufrieden (nicht rechtskräftig). 

Die Marge von 1,375 Prozent stelle die Untergrenze der Sollzinsen dar, teilte die Raiffeisenbank seinerzeit ihren Kunden per Brief mit. Solange keine Einwände erhoben würden, gehe man von einer einvernehmlichen Vertragsänderung aus.

Der VKI klagte sowohl gegen diese Form der Vertragsänderung, als auch gegen die einseitig festgesetzte Zinsuntergrenze. Das Landesgericht Feldkirch gab dem VKI Recht. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der Hintergrund

Bei Fremdwährungskrediten wurde die variable Zinsanpassung in der Vergangenheit meist an den Referenzzinssatz LIBOR gebunden. Auf den jeweiligen Wert wurde dann eine Marge vereinbart. Der Sollzinssatz des Kredites setzte sich also aus LIBOR plus Marge zusammen.

In den vergangenen Monaten sank der Indikator nun aber überraschend unter Null. Die Folge: Wenn Negativ-LIBOR plus Marge unter Null zu liegen kämen, müsste die Bank ja doch eigentlich den Kreditnehmern Zinsen zahlen („Negativzinsen“), statt von den Kreditnehmern Zinsen zu bekommen, meint der VKI. Das haben freilich nahezu alle betroffenen Kreditinstitute versucht auszuschließen – und so auch die Raiffeisenbank Bodensee.

Fremdwährungskreditnehmer der Raiffeisenbank Bodensee bekamen im Februar 2015 ein Schreiben der Bank mit folgendem Inhalt: „In den letzten Wochen haben die Turbulenzen an den Geld- und Kapitalmärkten überhand genommen. … Da die … beschriebenen Entwicklungen auf den Geldmärkten (u.a. mit negativen Indikatoren) nicht vorhersehbar waren, wurde dies bei Abschluss des Kreditvertrages nicht geregelt, sodass auf Grund dieser Umstände eine Vertragslücke entstanden ist. Um diesbezüglich Klarheit zu schaffen, werden wir Ihnen daher, solange der Wert des Indikators zum Zinszahlungstermin unter 0% liegt, nur den Zinsaufschlag in Höhe von 1,375% als Mindestzinssatz verrechnen. Dieser Mindestzinssatz ist als Geschäftsgrundlage für die Bedeckung unserer Risiko-, Sach- und Personalkosten notwendig. Wenn wir von Ihnen bis 15.4.2015 keinen anderslautenden Vorschlag erhalten oder Sie keine Einwendungen erheben, gehen wir davon aus, dass Sie unser Angebot zur Vertragsergänzung … akzeptieren und somit annehmen.“

Das Gericht

Das Landesgericht Feldkirch geht davon aus, dass durch dieses Schreiben der Bank dem Verbraucher ein unklares und unzutreffendes Bild seiner vertraglichen Position vermittelt wird. Raiffeisen nehme eine einseitige Vertragsänderung vor, so das Gericht. Der Brief stelle keineswegs – wie argumentiert – eine „bloße Serviceleistung“ dar. Die Erklärungsfiktion sei unwirksam, da sie nicht mit den AGB der Bank in Einklang steht. Verbraucher werden nicht darauf hingewiesen, dass die Zinssatzänderung höher ist, als jene die sich aus der vereinbarten Zinsanpassungsklausel ergibt.

In seinem aktuellen Urteil sieht das Landesgericht aber auch den Inhalt der Klausel selbst für gesetzwidrig an, so der VKI: Die Einführung einer Untergrenze ohne gleichzeitige Obergrenze verstößt gegen das Gebot der Zweiseitigkeit in § 6 Abs 1 Z 5 Konsumentenschutzgesetz. Dem widerspricht nicht, dass der Oberste Gerichtshof „Nullzinsen“ oder gar „Negativzinsen“ bei einem Sparbuch als unzulässig betrachtet. Zwar sind Kreditverträge grundsätzlich entgeltliche Verträge, doch werde vom Kreditnehmer ein solches Entgelt – neben den Zinsen gibt es beispielsweise auch ein Kreditbearbeitungsentgelt – grundsätzlich bezahlt. Eine zeitweilige Verpflichtung der Bank „Negativzinsen“ zu zahlen, spricht dem nicht entgegen.

„Das ist das erste Urteil in dieser umstrittenen Rechtsfrage. Das Gericht folgt darin der Argumentation des VKI. Zinsuntergrenzen ohne entsprechende Obergrenzen sind gesetzwidrig und unwirksam. Negativzinsen können von den Banken auf diesem Weg nicht ausgeschlossen werden, egal ob die Untergrenze Null oder – wie im aktuellen Fall – die Marge sein soll. Weiters kann die Bank solche Vertragsänderungen nicht im Wege einer Erklärungsfiktion vereinbaren“, so Peter Kolba, Leiter des Bereiches Recht im VKI.

Der VKI rät allen betroffenen Kreditnehmern, solchen Schreiben der Bank ausdrücklich zu widersprechen. Im Übrigen bleibe abzuwarten, wie der OGH die Rechtsfrage letztlich entscheiden wird. Gibt auch der OGH dem VKI Recht, dann werden die Banken die zwischenzeitlich angefallenen Negativzinsen zurückzahlen bzw. gutschreiben müssen, heißt es.

Link: VKI-Rechtsportal

 

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