Wien. Um die Digitalisierung als Revolution oder Evolution ging es beim SOT-Frühjahrsgespräch vor rund 100 Gästen in der Kontrollbank.
Auf Einladung der SOT Süd-Ost Treuhand Gruppe und Libertas Intercount Wien fanden sich rund 100 Gäste im Reitersaal der Kontrollbank in Wien ein, um an dem bereits traditionell gewordenem SOT-Frühjahrsgespräch teilzunehmen.
Diesmal befasste man sich mit dem Thema der Digitalisierung und der Frage, ob diese eher eine Revolution oder Evolution sei.
Nach der Begrüßung durch Friedrich Spritzey, Partner SOT Süd-Ost Treuhand Graz/Libertas Intercount Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaft zeigte Karl-Heinz Leitner vom Austrian Institute of Technology mit seiner Keynote auf, dass Österreich durch seine Industriekultur und der Ingenieurtradition, sowie F&E Förderung zwar gute Voraussetzungen für das Zeitalter der Digitalisierung hätte, aber der Mangel an Risikofinanzierung und Anerkennung unternehmerischer Tätigkeit, sowie die noch nicht ausreichende Infrastruktur (Breitbandversorgung) ein Hindernis darstellen. Er sieht die Entwicklung eher als Evolution, der sich Unternehmen eben zu stellen haben, heißt es weiter.
Die Diskussion
Moderiert von Kommunikationsprofi Karin Keglevich-Lauringer diskutierten Karl-Heinz Leitner, Hanno Bästlein, Aufsichtsratsmitglied der B&C Holding GmbH, Josef Kranawetter, GF Fa. Weidmüller GmbH, Maschinenbau und Betriebstechnik, Peter Zellmann, Leiter des Forschungsinstituts für Lebensstil und Zukunftsforschung, sowie Spritzey.
- Hanno Bästlein erwartet einen starken Produktivitätsschub durch die Digitalisierung und mahnt gleichzeitig ein, dass dieses Thema ein Management-Thema und dementsprechend auch von dieser Ebene mit Umsicht zu implementieren sei. „Das ist keine Marketingaufgabe, denn wir stehen an der Schwelle einer neuen industriellen Produktion- wenn nicht gar Revolution. Digitale Vernetzung, Selbststeuerung und Optimierung der Fertigungsprozesse über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg werden Realität werden. Die Digitalisierung birgt enorme Chancen, aber auch die Gefahr ganze Geschäftsmodelle in Frage zu stellen“.
- Peter Zellmann deponierte, man solle nicht immer die Ängste der Menschen vor Arbeitsplatzverlust in den Vordergrund stellen. Studien belegen, dass die Verunsicherung bei MitarbeiterInnen deshalb sehr groß sei, da es die Politik bisher verabsäumte die nötigen Rahmenbedingungen für das „neue“ Arbeiten zu implementieren. Die Menschen wollen mehr Selbstbestimmung, starre Arbeitszeiten etc. können die neuen Entwicklungen nicht fördern. Hier sind auch die Sozialpartner gefordert ihr Beharrungsvermögen aufzugeben und endlich in den Betrieben entsprechende Vereinbarungen zwischen MitarbeiterInnen und Unternehmen abschließen zu lassen. Kollektivverträge seien dafür nicht mehr geeignet.
- Josef Kranawetter, der sich in seinem Unternehmen schon sehr intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt hat, weiß, dass neue Management-Methoden gefordert werden. „Die MitarbeiterInnen werden in Zukunft wesentlich selbstständiger arbeiten müssen, dies erfordert eine hohe Vertrauensbasis. Die Sicherheit der Daten ist und wird die größte Herausforderung.“ Er sieht noch bei vielen Unternehmen eine abwartende Haltung, ist aber überzeugt: “In Sachen Wohlstand, verhält sich die Digitalisierung wie in vielen Bereichen: lassen wir sie einfach geschehen, profitieren nur wenige davon. Gestalten wir sie, könnte der größte Wachstumsschub noch zünden“.
- Karl Heinz Leitner ergänzte, dass vor allem kleine Unternehmen und Start-ups von dieser Entwicklung stark profitieren können, da sie wesentlich flexibler sind als große. Innovationen scheitern oft nicht an der Technologie sondern an mangelnder organisatorischer Einbettung, schlechten Strategien oder falschen Geschäftsmodellen.
- Friedrich Spritzey wiederum sieht die Politik gefordert. „Auf der einen Seite weiß man wie wichtig die betriebliche Aus- und Weiterbildung für die MitarbeiterInnen ist, auf der anderen Seite wurde im Rahmen der Steuerreform hingegen gerade der Bildungsfreibetrag abgeschafft.“ Die Diskussion über eine mögliche Wertschöpfungsabgabe sieht er noch in den Anfängen. „Hier muss sich die Politik entscheiden. Entweder entwickelt man ein wirklich zukunftsfähiges Steuermodell, welches u.a. auch international tätige Unternehmen und It-Plattformen, wie Amazon, Ebay, Airbnb, etc. zu einer adäquaten Steuerleistung in Österreich bringt oder man „verschlimmbessert“, aus reinem Klienteldenken, weiterhin das Steuersystem und belastet die heimischen Unternehmen noch mehr. Das kann aber auf die Dauer nicht gut gehen“. Auch auf Wirtschaftsprüfer, Vorstände und Aufsichtsräte sieht Spritzey neue Herausforderungen zukommen. „Denn hier wird neues Wissen und ein Verstehen von digitalen Entwicklungen eingefordert, wodurch manchmal auch ganze Geschäftszweige in Frage gestellt werden müssen.“
Ganz neue Rahmenbedingungen
All diese Herausforderungen bedürfen neuer Rahmenbedingungen:
- So brauche Österreich ein völlig neues Steuerkonzept.
- Darüber hinaus sei die Gesellschaft auf dem Weg die klassische Arbeitszeit zu verlassen. Starre Arbeitszeiten werde es immer weniger geben.
- Work-Life-Balance, Work-Life-Blending – also das Vernetzen von Arbeit und Freizeit – werde zunehmen. Dafür gebe es jedoch keinerlei rechtliche Rahmenbedingungen. Der Sozialstaat sei dafür nicht vorbereitet, weder die Politik, noch die Gewerkschaften oder Arbeiter-, bzw. Wirtschaftskammer.
Die Institutionen werden sich mit Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung auseinandersetzen und ihre Beharrungspolitik aufgeben müssen, wenn Unternehmen in Österreich nicht den Anschluss verlieren sollen, so die Veranstalter.
Unter den Gästen gesichtet wurden u.a.: Dr. Stefan Brezovich, ÖRAG Österreichische Realitäten AG, Dr. Erwin Brunnmair, bublon GmbH, Alceo Bulgarini d´Elci, Bankhaus Spängler, Dr. Alix Frank, Alix Frank Rechtsanwälte GmbH, Dr. Cornelius Kodrnja, Libertas Intercount GmbH, Mag. Alexander Liaunig, Waagner Biro AG, Dipl.-Ing Takashi Linzbichler, FH Joanneum, Dipl.-Ing. Johannes Pohl, Binder+Co AG, Mag. Helmut Sattler, Neudoerfler Office Systems GmbH, Albert Wiedner, Capital Bank, Wolfgang Schwarzbauer, OeKB Österreichische Kontrollbank AG.
Link: SOT