
Luxemburg. Laut seinen Rechtsprechungsstatistiken hat der Gerichtshof der EU 2015 Rekorde bei den neu eingegangenen Rechtssachen erzielt. Während das EU-Gericht schneller arbeitete, sank die Zahl der Entscheidungen am EuGH leicht. Die zuletzt beschlossenen Reformen sollen das Tempo erhöhen.
Wie die Statistiken zeigen, ist das Jahr 2015 durch eine außerordentliche Intensivierung der Rechtsprechungstätigkeit gekennzeichnet, heißt es in einer Aussendung. Grundsätzlich besteht der Gerichtshof der EU aus dem EU-Gericht, dem EU-Gerichtshof (EuGH, am bekanntesten), und dem Gericht für den öffentlichen Dienst.
Das Arbeitspensum
- Bei den drei Gerichten, die das Organ bilden, gingen im vergangenen Jahr insgesamt 1711 Rechtssachen ein. Dabei handelt es sich um die höchste Zahl an in einem Jahr neu eingegangenen Rechtssachen in der Geschichte des Organs. Vor allem der Gerichtshof ist von dieser Zunahme betroffen, da erstmals die Schwelle von 700 neu eingegangenen Rechtssachen überschritten wurde, heißt es in der Mitteilung.
- Mit 1755 im Jahr 2015 erledigten Rechtssachen habe die jährliche Produktivität des Organs gleichzeitig ein Rekordniveau erreicht. Man freue sich über diese Entwicklung, in der man einen Beleg für das Vertrauen sehe, das die nationalen Gerichte und die Rechtssuchenden dem Gerichtshof der EU entgegenbringen.
Zuletzt wurde wie berichtet die Reform seines Gerichtssystems durch die Gesetzgebungsorgane der Europäischen Union am Ende eines 2011 eingeleiteten Gesetzgebungsprozesses beschlossen. Diese Reform werde es durch eine Verdoppelung der Zahl der Richter des Gerichts in einem dreistufigen Verfahren bis 2019 ermöglichen, weiterhin die Zunahme der Streitsachen zu bewältigen.
Die strukturelle Reform ging mit der Erarbeitung einer neuen Verfahrensordnung für das Gericht einher, die am 1. Juli 2015 in Kraft getreten ist. Sie werde die Fähigkeit des Gerichts stärken, die Rechtssachen innerhalb einer angemessenen Frist und unter Achtung der Erfordernisse eines fairen Verfahrens zu bearbeiten, wird versprochen.
Der Gerichtshof
- Mit 713 im Jahr 2015 neu eingegangenen Rechtssachen wurde ein Spitzenwert in der Geschichte des Gerichtshofs 1 erreicht. Diese außergewöhnliche Zahl – eine Erhöhung um knapp 15% gegenüber 2014 – beruhe auf der kombinierten Wirkung einer erheblichen Erhöhung der Zahl der Rechtsmittel (215 Rechtsmittel, d. h. beinahe doppelt so viele wie 2014 und die höchste Zahl in der Geschichte des Gerichtshofs) und der sehr hohen Zahl der dem Gerichtshof vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen (436, d. h. die zweithöchste Zahl nach der 2013 verzeichneten [450]).
- Der Gerichtshof hat 2015 insgesamt 616 Rechtssachen erledigt, was einen Rückgang gegenüber 2014 bedeutet (719), der teilweise auf die geringere Zahl der 2014 neu eingegangenen (622) und damit im vergangenen Jahr entscheidungsreifen Rechtssachen zurückzuführen sei.
- Die Zahl der anhängigen Rechtssachen betrug am 31. Dezember 2015 insgesamt 884, was eine Erhöhung im Vergleich zum Jahresende 2014 (787) bedeutet, aber der Situation Ende 2013 bzw. 2012 fast exakt entspreche.
- Die durchschnittliche Verfahrensdauer liege bei den Vorabentscheidungsersuchen mit 15,3 Monaten nur wenig höher als die Rekordzahl von 2014 (15 Monate). Bei den Klageverfahren betrug diese Verfahrensdauer 2015 17,6 Monate, was eine erhebliche Verkürzung gegenüber den Vorjahren bedeute (zwischen 19,7 Monaten und 24,3 Monaten im Zeitraum 2011-2014). Bei den Rechtsmitteln betrage die durchschnittliche Verfahrensdauer 2015 14 Monate, was der niedrigste in den letzten Jahren verzeichnete Wert sei.
Das Gericht
- Das Gericht habe nach den seit mehreren Jahren eingeleiteten Reformen eine außergewöhnliche Produktivität erreicht. Die Ergebnisse hätten die Erwartungen übertroffen, da das Gericht im Jahr 2015 konkret 987 Rechtssachen erledigt hat, d. h. annähernd 90% mehr als 2010 und über 20% mehr als im Vorjahr.
- Bei den neu eingegangenen Rechtssachen bestätige sich die allgemein steigende Tendenz, die schon seit Gründung des Gerichts zu beobachten ist. Im Jahr 2015 gingen 831 Rechtssachen neu ein, womit der Zufluss an neuen Streitsachen dem im Jahr 2014 verzeichneten Rekordwert (912 Rechtssachen) nahekommt. In den Jahren 2013 bis 2015 lag die durchschnittliche Zahl der jährlich neu eingegangenen Rechtssachen somit um 40% über dem entsprechenden Durchschnitt für die Jahre 2008 bis 2010.
- Gleichwohl war der Anstieg der Produktivität so groß, dass es dem Gericht gelungen sei, die Zahl der anhängigen Rechtssachen beträchtlich zu senken (von 1423 im Jahr 2014 auf 1267 im Jahr 2015). Die 2013 eingeleitete spürbare Senkung der durchschnittlichen Verfahrensdauer setze sich fort: von 23,4 Monaten im Jahr 2014 auf 20,6 Monate im Jahr 2015.
Gericht für den öffentlichen Dienst
- Die Statistiken für das Jahr 2015 zeigen, dass die Zahl der neu eingegangenen Rechtssachen (167) im Vergleich zum Vorjahr (157) leicht gestiegen und die Zahl der erledigten Rechtssachen gleich geblieben ist (152).
- Die Zahl der anhängigen Rechtssachen beläuft sich am 31. Dezember 2015 auf 231 gegenüber 216 im Jahr 2014.
Es sei allerdings darauf hinzuweisen, dass sich das Gericht für den öffentlichen Dienst in den letzten beiden Jahren gezwungen sah, die Prüfung einer großen Zahl von Rechtssachen in Erwartung von Entscheidungen des Gerichts der Europäischen Union auszusetzen.
Die durchschnittliche Verfahrensdauer (ohne Berücksichtigung etwaiger Aussetzungen) ist von 12,7 Monaten im Jahr 2014 auf 12,1 Monaten im Jahr 2015 gesunken (14,7 Monate im Jahr 2013).
Link: EuGH