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Business, Recht

Kann Handelsabkommen CETA vorläufig in Kraft treten?

Wien. Der EU-Unterausschuss im Parlament hat nach einer heftigen Debatte die Diskussion um das umstrittene Handelsabkommen CETA mit Kanada vertagt: Der Rechtsdienst des Parlaments wird beauftragt festzustellen, ob die EU überhaupt ermächtigt ist, eine „vorläufige Anwendung“ von CETA zu verfügen. Wirtschaftsminister Mitterlehner, ein Befürworter von CETA, legte den Abgeordneten den kompletten Text des Abkommens (1600 Seiten) und auch harte Zahlen zu den erhofften Exportvorteilen auf den Tisch.

Die von der EU geplante vorläufige Anwendung des fertig ausverhandelten Abkommens war der Stein des Anstoßes: Dazu hatte es schon im Vorfeld große mediale Aufregung gegeben, da in den Augen vieler eine solche Vorgangsweise die Umgehung des Parlaments bedeuten würde. Brisant ist das Thema vor allem auch deshalb, weil CETA als Modell für das noch auszuverhandelnde Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) gilt, bei dem es um wesentlich größere Exportvolumina geht.

Nach einer heftigen und teilweise emotional geführten Debatte vertagte der EU-Unterausschuss des Nationalrats mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Neos die Diskussion über CETA, das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada, berichtet die Parlamentskorrespondenz.

Wer ist wofür zuständig

Die Abgeordneten kamen überein, Nationalratspräsidentin Doris Bures zu ersuchen, vom Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienst des Parlaments ein Gutachten erstellen zu lassen, welche Teile des Abkommens in den gemischten, das heißt nationalstaatlichen Bereich, und welche in EU-Kompetenz fallen. Das müsse von heimischer Seite geklärt werden, begründete Christoph Matznetter (SPÖ) seinen Vertagungsantrag, bevor man beurteilen könne, welchen Vorschlag die Kommission für eine vorläufige Anwendung vorlegt.

Ein Antrag der FPÖ, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, ein Gutachten zu dieser Frage erstellen zu lassen, wurde mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Team Stronach abgelehnt. Man wolle das Gutachten im eigenen Haus erstellen lassen, so der Tenor, auch wenn weitere Gutachten von Vorteil wären.

Ein weiterer Antrag der Freiheitlichen sowie ein Antrag der Grünen, eine vorläufige Anwendung von CETA abzulehnen, bleibt weiter in Verhandlung. Die Grünen haben zusätzlich einen Antrag vorgelegt, der darauf abzielt, dass bereits die Beschlussformel zu CETA eine vorläufige Anwendung des Vertrags vor der Ratifizierung durch die nationalen Parlamente eindeutig ausschließt. Auch diese Initiative wird weiter diskutiert.

Große Skepsis gegen vorläufige Anwendung

Die Oppositionsparteien wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine vorläufige Anwendung von Teilen des Vertrags das österreichische Parlament seines Rechts beraubt, über den größten Teil des Pakets und somit über den gesamten Text abzustimmen.

Österreich und sein Parlament müssen selbst bestimmen können, betonte Johannes Hübner (FPÖ) in der Begründung seines Antrags. Der Argwohn sei berechtigt, denn es habe völlig an Transparenz gemangelt, assistierte ihm seine Klubkollegin Barbara Rosenkranz. Auch wenn der Antrag der FPÖ schließlich mehrheitlich abgelehnt wurde, schlossen sich die anderen Parteien – namentlich die Abgeordneten Matznetter, Josef Cap (SPÖ), Hannes Weninger (SPÖ), Reinhold Lopatka (ÖVP), Werner Kogler (Grüne), Wolfgang Pirklhuber (Grüne) und Nikolaus Scherak (Neos) – der Argumentation an, man brauche Klarheit, wo genau die Grenze zwischen EU-Kompetenz und nationaler Zuständigkeit liege, und dies solle durch ein eigenständiges Gutachten des Parlaments, geklärt werden.

Die Regierungsposition

Wirtschaftsminister Mitterlehner stellte im Ausschuss klar, dass Österreich wie die anderen Mitgliedstaaten die Auffassung vertritt, dass es sich bei CETA um ein gemischtes Abkommen handelt, das von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden muss. Eine vorzeitige Anwendung solcher Abkommen sei durchaus üblich und betreffe nur jene Teile, die nicht in den gemischten Bereich hineinfallen, so Mitterlehner.

Eine vorläufige Anwendung sei auch erst dann möglich, wenn das Europäische Parlament dem zugestimmt hat, diese Vorgangsweise entspreche den Bestimmungen des Lissabon-Vertrags und sei auch vom Europäischen Gerichtshof nicht in Frage gestellt worden. Das bedeute, eine vorläufige Anwendung betreffe unter anderem nicht den Investitionsschutz, so Mitterlehner. Österreich werde sich genau an diese Linie halten, versicherte er, wie dies auch bei anderen Abkommen der Fall gewesen sei.

Er informierte den Ausschuss darüber hinaus, dass über die Gesamtanwendung und vorläufige Anwendung von CETA noch nicht im nächsten Rat abgestimmt werde, sondern wahrscheinlich erst im Juni. Dann erfolge die Abstimmung im Parlament.

Die Divergenzen über die inhaltliche Ausrichtung von CETA und TTIP bestehen jedoch nicht nur zwischen Wirtschaftsministerium und Oppositionsparteien, sondern auch innerhalb der Koalition. So ließen Cap und Matznetter einmal mehr mit Skepsis gegenüber CETA und TTIP aufhorchen.

Grundsätzlich halte er Freihandelsabkommen im Interesse des Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum für positiv, sagte Cap, viele solcher Verträge gebe es aber auch ohne privaten Investitionsschutz. Auch die neue Form des Investitionskapitels sehe kein öffentliches Gericht vor, brachte Cap seine Kritik auf den Punkt und stellte allgemein die Frage, warum man in einem Abkommen zwischen Ländern mit funktionierenden öffentlichen Gerichten überhaupt ein solches Investitionsschutzkapitel brauche.

Klubkollege Hannes Weninger sowie Grün-Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber verstärkten die Bedenken unter Hinweis darauf, dass es weder für CETA noch für TTIP eine politische Mehrheit gibt.

Positive Stimmen zu CETA kamen seitens der ÖVP. Georg Vetter sprach von Wohlstandsgewinnen für die Welt und einzelne Länder und gab zu bedenken, dass durch derartige Handelsabkommen der Protektionismus einzelner Länder abgebaut wird. Seine Klubkollegin Angelika Winzig führte insbesondere die hohe Exportquote Österreichs ins Treffen.

Diesmal ist der komplette Text da

Dem EU-Ausschuss liegt nun der vollständige Text des Abkommens vor – ein Konvolut von rund 1.600 Seiten. Laut Wirtschaftsminister Mitterlehner fanden österreichische Positionen weitgehend Eingang in das Schlussdokument. So sei das Investitionskapitel auf österreichisches Betreiben fundamental überarbeitet worden und enthalte jetzt die wesentlichen neuen Elemente des Kommissionsvorschlags für TTIP.

  • In diesem Zusammenhang strich er insbesondere die Einführung eines bilateralen Investitionsgerichts und einer Berufungsinstanz hervor. Die Richter sollen durch die Vertrags- und nicht Streitparteien mit strengen Anforderungen an Qualifikation, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ernannt werden.
  • Außerdem verpflichten sich die Vertragsparteien, an der Etablierung eines multilateralen Investitionsgerichts zu arbeiten. Explizit wurde eine Klausel zum staatlichen Regelungsrecht und Verfahrenserleichterungen für Kleine und Mittlere Betriebe (KMU) aufgenommen.
  • Als wesentliche Punkte aus österreichischer Sicht weist das Papier des Wirtschaftsministeriums auf die umfassende Absicherung der öffentlichen Dienstleistungen und die volle Aufrechterhaltung der Möglichkeit zur Förderung der kulturellen Vielfalt hin. Unterstrichen werden darin die breiten Ausnahmen für die Wasserversorgung, für die Erzeugung nuklearer Energie und für öffentlich finanzierte Bildungs -, Sozial – und Gesundheitsdienstleistungen. Auch bleibe praktisch bis auf wenige Ausnahmen die Arbeitsmarktprüfung bei der Personenbewegung durchgehend aufrecht.
  • Zudem werde dem österreichischen Anliegen nach substantieller Öffnung des kanadischen Beschaffungsmarktes v.a. auf subföderaler Ebene (Provinzen inkl. Gemeindeebene) Rechnung getragen.
  • Neue Exportchancen erhofft sich Österreich durch die kanadische Marktöffnung vor allem auch in den für Österreich interessanten Sektoren Energie und Transport. Ein eigenes Webportal soll den Zugang zu Vergabemöglichkeiten insbesondere für KMUs erleichtern.

Positiv verzeichnet das Wirtschaftsministerium auch die Tatsache, dass das Nachhaltigkeitskapitel integraler Bestandteil des Abkommens ist. Die wesentlichen österreichischen Anliegen seien erfüllt, es werde durch die Wahrung des „right to regulate“ der Vertragsparteien zu keiner Senkung von Sozial- und Umweltstandards zugunsten von Investitionen kommen, versichert man.

Für die EU und Österreich ging es in den Verhandlungen auch darum, den Schutz des geistigen Eigentums in Kanada anzuheben, da es dabei zu Problemen gekommen ist. Dies betrifft vor allem eine Verbesserung des Urheberrechtsschutzes, aber auch die Verstärkung des Schutzes für wesentliche agrarische geographische Herkunftsbezeichnungen der EU wie z.B. für Österreich „Tiroler Speck“, „Steirischeres Kürbiskernöl“. Verbessert wird laut Ministerium auch der patentrechtliche Schutz insbesondere für pharmazeutische Produkte.

Die meisten Zölle fallen weg

Mit CETA fallen die meisten Zölle weg, bei sensiblen Agrarprodukten wurden jedoch Marktzugangsquoten für Kanada vereinbart, wird in der Unterlage des Ministeriums hervorgehoben.

Allgemein erwartet sich Österreich „signifikante wirtschaftliche Vorteile“ durch das Abkommen. Wie das Wirtschaftsressort ausführt, sind die außenwirtschaftlichen Verflechtungen Österreichs mit Kanada im Vergleich zu anderen EU-Staaten noch ausbaufähig, auch wenn mit dem Handelsvolumen im Vorjahr mit 1,5 Mrd. Euro ein neuer Höchstwert erzielt werden konnte.

Laut einer Studie kann Österreich mit einem Exportanstieg bei Waren und Dienstleistungen von 50% bzw. 586 Mio. US-Dollar rechnen, wobei die größten Anstiege bei Nahrungsmitteln (131%), Textilien und Bekleidung (116%), Motorfahrzeugen (88%), sonstiger Transportausrüstung (60,3%) und elektrischen Maschinen (66,2%) erwartet werden.

Link: Parlament

 

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