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Recht

Gastbeitrag: Die Unternehmenskultur in Anwaltskanzleien

Bruno Jahn ©Eric Berger / art+fashion / Jahn
Bruno Jahn ©Eric Berger / art+fashion / Jahn

Gemeinsame Werte. Die Unternehmenskultur prägt die Handlungen und das Verhalten jeder Rechtsanwaltskanzlei, schildert Gastautor und Berater Bruno Jahn. Er plädiert für „Followership“ als Wettbewerbsvorteil im Kampf um guten juristischen Nachwuchs: „Wer nur Geld anbieten kann, der kann diesen Kampf nicht gewinnen.“

Was bedeutet „Unternehmenskultur?“

Unternehmenskultur ist die Grundgesamtheit gemeinsamer Werte, Normen und Einstellungen, welche die Entscheidungen, die Handlungen und das Verhalten der Organisationsmitglieder prägen.

Kulturelle Unterschiede:

Es gibt zB Rechtsanwaltskanzleien, in denen

  • der Schreibstil eindeutig höher bewertet wird als der Inhalt,
  • Partner im Büro und während Besprechungen Tabak kauen,
  • Mitarbeitern gegenüber die Kanzlei als „stark und kräftig“ dargestellt wird, diese (die Kanzlei) aber seit Jahren insolvenzgefährdet ist,
  • Rechtsanwaltsanwärter (Associates) regelmäßig jährlich 1.600 bis 1.700 abrechenbare Stunden haben, was als „gut“ betrachtet wird,
  • Rechtsanwälte eingestellt und danach animiert werden, nach fünf oder sechs Jahren Zugehörigkeit die Kanzlei wieder zu verlassen.

Wodurch unterscheiden sich Rechtsanwaltskanzleien von den übrigen Unternehmen? Während die Kultur von Wirtschaftsunternehmen auf den Erfolg der gesamten Organisation fokussiert ist, ist die Kultur von Rechtsanwaltskanzleien primär individualistischer Natur und auf den Erfolg einzelner Personen konzentriert.

Status quo – „Free-Agent“-Kultur:

Wodurch wird eine Kultur, in der jeder Rechtsanwalt ein „Free-Agent“ (freier Herr) ist, begünstigt? Ein Grund ist sicherlich die Rechtsform „Partnership“, in der jeder Partner – extrem ausgedrückt – tun kann, zu was er/sie Lust hat.

Die „Free-Agent“-Kultur ist ein Hauptgrund dafür, warum viele Kanzleien schwierig zu führen sind.

Vision – „Followership“-Kultur:

Erfolgreiches Management in Rechtsanwaltskanzleien hängt von „Followership“ (Gefolgschaft) ab: Es ist dies die Fähigkeit und Bereitschaft jedes einzelnen Rechtsanwalts, seine/ihre persönlichen Werte und Ziele an jene der Kanzlei anzupassen.

Rechtsanwaltskanzleien sollten über das Thema „Hierarchie“ nachdenken – es könnte ihnen helfen, ihre Performance zu steigern.

Wie kann man „Followership“ umsetzen?

  • Man braucht einen „Leader“ (zB Managing Partner) mit außergewöhnlichem/r Charisma und Vision.
  • Rechtsanwälte sind veränderungsbereit. Die Frage ist nur, ob sie wirklich bereit sind, ein „Follower“ zu werden: Viele Rechtsanwälte betrachten sich als „Leader“ – in ihrem Fachgebiet, in ihrem Team, bei ihren Klienten etc. Sie würden den Status „Follower“ als Unterwerfung, Schwäche und Versagen betrachten.
  • Vertrauen ist ausreichend vorhanden: Das ist zB dann nicht der Fall, wenn Rechtsanwälte vermuten, dass ein Partner die Partnerschaft „verraten“ wird, indem er/sie sich mit dem wertvollen Wissen, das gemeinsam geteilt wurde, davonmacht. Vertrauen ist zB auch dann nicht vorhanden, wenn in der Vergangenheit wiederholt Equity-Partner degradiert wurden („De-Equitization“), um den Gewinnanteil pro Partner konstant zu halten (wurde im Zuge der Finanzkrise gelegentlich praktiziert) oder sogar zu steigern.

Welchen Nutzen bringt eine „Followership“-Kultur?

Die Unternehmenskultur hat einen starken Einfluss beim Kampf um guten juristischen Nachwuchs: Eine Kanzlei kann diesen „Krieg“ nicht gewinnen, wenn Geld alles ist, was sie anbieten kann. Man zieht damit nur Rechtsanwälte an, die „nur“ wegen des Geldes arbeiten.

Differenzierung mittels Unternehmenskultur (was sich in einem Wettbewerbsvorteil niederschlägt) schaffen nur Kanzleien, die eine Einheit bilden („one firm“). Es funktioniert in solchen Kanzleien nicht, die von „Free-Agent“-Anwälten übersättigt sind, die nur ein einziges Ziel haben, nämlich Nummer eins zu werden.

Autor Mag. Bruno Jahn ist Gründer von Jahn Consulting, auf Anwaltskanzleien spezialisiert und Autor des Buches >Überlebensstrategien für Einzelanwälte<.

Link: Jahn Consulting

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Ein Kommentar

  1. Sehr interessanter Artikel,
    die aktive Gestaltung von geeigneter Unternehmenskultur ist in meiner täglichen Arbeit mit Unternehmen oder Organisationen einer der wichtigsten aber meistunterschätzten Grundbausteine. Einerseits für die Umsetzung einer Innovationskultur auf Geschäftsmodellebene, andererseits als absolute Bedingung für den Umgang mit Wissen. Wissensmanagement, Wissenstransfer und die Exploration von implizitem Wissen dürften insbesondere erfolgskritische Faktoren für Kanzleien sein, wenn Erfolg nachhaltig und Planjahr werden soll. Ein wunderbares Tool zur Entwicklung von Unternehmenskultur ist die Culturemap von Dave Grey und Strategyzer…

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