Tröpolach/Hermagor. Strafnormen als Grenzen religiös-weltanschaulicher Toleranz und das „Paradox der Toleranz“ waren Gegenstände der RichterInnenwoche 2016: Die Pflicht, gegen jene unduldsam zu sein, die Toleranz für eigene Unduldsamkeit ausnützen wollen, wie es Sir Karl Popper formulierte.
Am vergangenen Dienstag behandelte die RichterInnenwoche 2016 im Rahmen von Vorträgen und Workshops unter anderem Fragen nach Religion, Ideologie und Toleranz, heißt es weiter:
- Was ist Toleranz? Das Recht gebe dazu keine Auskunft. Nach allgemeinem Verständnis gilt als Toleranz die Duldung und letztlich auch Akzeptanz anders Denkender und Handelnder. Als tolerant erachtet unsere Gesellschaft die Gewährung ungestörter Religionsausübungsfreiheit. Im religiös neutralen Staat gilt es als Recht des Einzelnen, sein Leben an seinem Glauben auszurichten und auch danach zu handeln.
- Wo sind ihre Grenzen? Einigkeit bestand unter den Anwesenden laut einer Aussendung darin, dass Toleranz als Bestandteil einer Werteordnung in einer Gesellschaft aber nur erwarten dürfe, wer deren allgemein gültige Spielregeln anerkennt und nach diesen handelt. Wer diesen Rahmen verlässt, verliert auch diesen Anspruch. Die Religionsausübungsfreiheit endet dort, wo Gewalt beginnt.
Auch wenn eine religiöse Fundierung hinter dem Handeln steht, könne ein „Glaubenskampf“ nicht geduldet werden: Damit bilden etwa die Terrorismustraftatbestände eine Grenze der Religionsausübungsfreiheit. Erörtert wurden die Grundlagen und Fragestellungen dazu an Hand des deutschen Staatsschutzstrafrechtes, das den österreichischen Normen sehr ähnlich ist.
Die Grenzziehung, was verboten ist und was erlaubt, ist nicht ganz einfach, heißt es weiter: Offen ist in der deutschen höchstgerichtlichen Rechtsprechung etwa noch, ob die Ausreise von jungen Frauen ins Herrschaftsgebiet des Kalifats und ein dortiges Eingehen von Ehen bereits unter das sanktionierte Unterstützen einer terroristischen Organisation im Ausland fällt.
Poppers Paradox der Toleranz
Sir Karl Popper bezeichnete als Paradox der Toleranz, „die Pflicht gegen jene unduldsam zu sein, welche unsere Toleranz als Steigbügelhalter zur Etablierung eigener Unduldsamkeit nützen“.
Vortragender Peter Strasser zeigte in diesem Zusammenhang auf, dass die Gesellschaft die Kultur in der sie lebt als Selbstverständlichkeit erachte, was auch zu Politik- und Demokratieverdrossenheit führe. Die Konfrontation mit religiösem Fundamentalismus mache diese wieder darauf aufmerksam, was sie verlieren könnte. Er sieht es als Aufgabe der Gesellschaft, wachsam zu sein und darauf zu achten, dass politische Ambitionen, die das liberale System kippen wollen, nicht reüssieren können.
Claudia Brunner hinterfragt die im Alltagsverständnis stets positive Konnotation von Toleranz und zeigt diese auch als Technik der Macht. Aus ihrer Sicht gilt Toleranz als generalisierendes „Antivorurteil“. „Die Gefahr dabei ist, dass Toleranz als Leitbegriff neoliberaler Demokratien auch Ungleichverhältnisse überdecken kann“, so Strasser. Als Diskurs der Macht kulturalisiere Toleranz politische Interessen und Differenzen, die dann als unverhandelbar gelten, was repressive Wirkung haben könne.
Link: Justizministerium