Wien. Der momentanen Zustand der Europäischen Union, aktuelle Herausforderungen – wie etwa das bevorstehende Brexit-Referendum oder die schwelende Flüchtlingskrise – und mögliche Lösungsansätze auf Unions-Ebene waren Thema eines hochrangig besetzen Panels: Elizabeth Baroness Symons of Vernham Dean, Herman Van Rompuy und Wolfgang Schüssel diskutierten auf Einladung von DLA Piper und der Diplomatischen Akademie Wien.
Im Festsaal der Diplomatischen Akademie Wien verfolgten rund 100 Gäste aus Politik und Wirtschaft sowie aus dem diplomatischen und juristischen Bereich die unter dem Motto „State of the Union“ stehende Panel-Diskussion.
Bereits die Eröffnungsreden der beiden Gastgeber David Christian Bauer, Country Managing Partner von DLA Piper in Österreich, und Botschafter Hans Winkler, Direktor der Diplomatischen Akademie, nahmen Bezug auf die besondere Komplexität der momentanen politischen Gemengelage. Ein Grundtenor, der auch die nachfolgende Diskussion rund um die Themengebiete Brexit, Russland-Sanktionen, Flüchtlingskrise sowie die heimische Bundespräsidentenwahl beherrschen sollte.
Die EU liefert bereits, muss das mehr zeigen
Herman Van Rompuy, ehemaliger Belgischer Premierminister und Präsident des Europäischen Rats, zeigte sich zu Beginn der Diskussion vorsichtig optimistisch, was den generellen Zustand der Union betrifft. Die EU stehe zwar vor großen Herausforderungen, ist aus solchen jedoch stets gestärkt hervorgegangen. Wenige Jahre nach der Finanzkrise sei die Wirtschaft etwa wieder auf dem Weg der Besserung und Europa „nicht mehr der kranke Mann der Weltwirtschaft“.
Auch die Flüchtlingskrise und die Tatsache, dass die europäischen Außengrenzen weitgehend geschlossen sind, beweise, dass die Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene zwar manchmal langwierig seien, aber im Endeffekt funktionieren und Resultate bringen. Dies sei auch dringend notwendig. „Wir brauchen ein Europa der Resultate“, so Van Rompuy, die Bürger erwarten diese zurecht.
Was aktuell am europäischen Parkett zu beobachten ist, sei „keine Krise der Union, sondern eine Krise der Demokratien.“ Viele Staaten und Demokratien seien aktuell unter starkem Druck, Polarisierung und Fragmentierung der europäischen Landschaft nehmen zu, und das obwohl die akuten Probleme europäische Antworten erfordern. Eine Diskussion über eine weitere Integration der Union bis hin zu den Vereinigten Staaten von Europa ist für Van Rompuy momentan nicht angebracht, träumen wäre jedoch zumindest erlaubt.
Abstimmungen über Europa aus innenpolitischen Gründen
Wolfgang Schüssel, Bundeskanzler a.D., präsentierte sich als glühender Europäer und Optimist: Dass die vergangenen Jahrzehnte die goldenen Jahrzehnte der Union gewesen seien, und jetzt plötzlich nur mehr Krisen dominieren würden, sei schlicht und einfach nichtzutreffend. „Das Problem Europas ist, dass es momentan einfach zu viele Probleme gleichzeitig hat“, so Schüssel.
Europa müsse sich darauf konzentrieren, Stabilität zu exportieren, und nicht Instabilität zu importieren, es solle Hoffnung geben und nicht Angst machen. „Wir müssen uns der emotionalen und kulturellen Gründe für Europa besinnen und brauchen die Union weniger im Detail, sondern mehr in den großen Fragen“, führt Schüssel weiter aus.
Schüssel kritisiert den aktuellen Trend zu Volksabstimmungen aus rein innenpolitischen Gründen: Ein großes Problem der Union sei es aktuell auch, dass viele nationale Politiker aus einer Art Selbstbewusstseinsverlust heraus, auf Referenden als Allheilmittel setzen. Dies sei nicht nur unnötig, sondern auch ein Spiel mit dem Feuer. Ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU könnte ähnliche Forderungen in ganz Europa und somit ein Erdbeben auslösen.
Was ein Brexit nach sich ziehen würde
Elizabeth Baroness Symons of Vernham Dean, britische Oberhaus-Abgeordnete und ehemalige Staatsministerin, ist der Meinung, dass die britische Regierung von UKIP beinahe zum Referendum gezwungen wurde. Die Diskussion über die Zukunft des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union werde auf der Insel vor allem von den drei Themen Wirtschaft, Migration und politische Unabhängigkeit bestimmt.
Speziell zum letzten Punkt hätten viele Briten teils abenteuerliche Ideen. Je näher das Referendum kommt, desto emotionaler werden die Debatten in Großbritannien geführt. Beunruhigend, so Symons, ist vor allem auch die tiefe Kluft zwischen den Generationen in UK. Während sich 72 Prozent der 18- bis 29-Jährigen für den Verbleib Großbritanniens aussprechen, sind lediglich 33 Prozent der über 60-Jährigen für einen Verbleib.
Ein Brexit würde, so die Meinung von Symons, zwangsläufig zu einem weiteren Referendum um die Einheit und Zukunft des Vereinigten Königreichs führen, da die Bestrebungen für eine Unabhängigkeit des pro-europäischen Schottland wiederaufleben würden.
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