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Recht, Veranstaltung

RichterInnenwoche: Toleranz, Ignoranz, Akzeptanz?

Tröpolach/Hermagor. Zum Abschluss der RichterInnenwoche 2016 diskutierten Diplom-Psychologe und Islamismus-Experte Ahmad Mansour aus Deutschland, Katrin Wladasch (Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte), Adam Deen (Ex-Mitglied einer extremistischen Organisation und Deradikalisierungsexeperte aus England) sowie Terezija Stoisits, Flüchtlingsbeauftragte des Bildungsministeriums.

Es ging um die Anforderungen an die westliche und insbesondere die heutige europäische und österreichische Gesellschaft in Zusammenhang mit Integration, Islamismus und Radikalismus.

Mansour eröffnet laut Aussendung des Justizministeriums die Diskussion mit im öffentlichen Diskurs bekannten Fragen: „Darf ein Schüler verweigern, einer Lehrerin die Hand zu geben? Ist es zu akzeptieren, dass Schüler nicht am Schwimmunterricht teilnehmen dürfen?“

Er stellt fest, dass Gerichte, die mit derartigen Fragen konfrontiert werden, meist mit Religion argumentieren. In Wahrheit gehe es hier aber nicht um Religion, sondern um radikale Tendenzen und Angstpädagogik. Hinter der Verweigerung des Handschlages stehe beispielsweise eine Ideologie, die mit den Werten der westlichen Gesellschaft nicht vereinbar ist. Dies gelte es zu erkennen und zu erörtern.

Er zeigt auf, dass es um Menschen gehe, die Teil unserer westlichen Gesellschaft sind, aber unsere Werte ablehnen. Es sei daher ganz dringend notwendig, eine offene Wertedebatte zu führen. Mansour appelliert: „Wir dürfen die Menschen nicht in Schubladen stecken. Wir müssen sie erreichen, ihnen pädagogische Konzepte anbieten aber auch klar vermitteln, welche Rahmenbedingungen unsere Gesellschaft  verlangt. Wir müssen die Menschen „mitnehmen“; Ausgrenzung ist keine Lösung! Eine Debatte auf Augenhöhe ist dringend notwendig!“

„Toleranz allein ist zu wenig“

Wladasch fragt: „Wie können Mehrheiten mit Minderheiten umgehen und umgekehrt?“  Jedenfalls meint sie, Toleranz  allein ist zu wenig. Der Zugang, man müsse Dinge bloß „ertragen“ führe zu keiner Lösung.  Auch sie erachtet es als wesentlich, sich die Grundsatzfrage zu stellen: „Was sind die Werte unserer Gesellschaft?“ „Unsere Gesellschaft setzt sich immer mit dem „Anderen“ auseinander, sollte sich aber zunächst mit den eigenen Identitäten und dem eigenen Machtgefüge beschäftigen“, so Wladasch.

Sie warnt  ebenfalls davor, beim Auftreten von Problemen „alle in einen Topf zu werfen“. Von den Richterinnen und Richtern wünscht sie sich, dass diese an der Definition der unverhandelbaren Werte in unserer Gesellschaft mitwirken und aufzeigen, wo sich die Grenzen befinden. Letztlich darf man auch die Startvoraussetzungen in einer Gesellschaft nicht vergessen. Man müsse in der Gesellschaft beleuchten, wer die Möglichkeit hat, sich zu beteiligen und mitzugestalten. Gibt es tatsächlich freie Bildungs- und Berufswahl? – Einschränkungen und fehlende Möglichkeiten führen nämlich dazu, dass sich das „Anderssein“ zementiert.

Radikalisierung und der Weg zurück

Deen erzählt seine ganz persönliche Geschichte, seinen Weg in den Islamismus und den schwierigen Ausstieg. Als sehr an Religionsfragen interessierter Jugendlicher sei er Anfang der 90er Jahre von einem jungen Muslim vor der Universität angesprochen worden, der „seine Sprache sprach“ und ihn  mit den Ideen des Kalifats konfrontierte. Sein Interesse war geweckt, der Islamismus lieferte einfache Antworten auf seine Fragen. Gut und Böse war klar definiert, das Versprechen des exklusiven Schutzes durch Gott verlockend. Er schloss sich der mittlerweile verbotenen britischen extremistischen Gruppe al-Muhajiroun an.

Über den Anschlag am 9. September 2001 empfand er „Joy, that America has been hit“. In den Straßen von London feierte er mit anderen Mitgliedern das Attentat. Nach einer persönlichen Konfrontation mit der Angehörigen eines Opfers zwei Jahre danach empfand er erstmals Unbehagen, er begann die Haltung der Rechtfertigung aller Taten auch von Gewalt zu hinterfragen und eine Desillusionierung setzte ein. Er verließ er al-Muhajiroun, brauchte aber Jahre, um sich ganz vom radikalen Gedankengut zu trennen.

Deen meint, unreflektierte Akzeptanz sei keine Lösung. Die Werte der westlichen Gesellschaft Toleranz, Freiheit und Demokratie müssen ganz klar vertreten und geschützt werden. Die Grenzen müssen sichtbar sein. „Dabei müssen wir aber darauf achten, dass wir aus Angst vor Terror und Muslimen im Allgemeinen unsere eigenen Grundwerte nicht selbst verletzen“, so Deen. Ein Verbot der Minarette wie etwa in der Schweiz lehne er ab.

Auf die Frage, was ihn zurückhalten hätte können, antwortet Deen: „Wenn man mir etwas gegeben hätte, woran ich sonst hätte glauben können. Man hat mir immer nur gesagt ich soll ein guter Moslem sein. Wir brauchen also ein Gegenkonzept, müssen die Werte unserer westlichen Gesellschaft klar transportieren.“

Offene Kommunikation; Bildung und Erziehung

Stoisits hält ein leidenschaftliches Credo für den Dialog und für Aufklärung. Man muss unsere Kultur erklären, offen kommunizieren und bei Bildung und Erziehung ansetzen. Insgesamt sind es 22,2 % Kinder in österreichischen Schulen, die als Alltagssprache eine andere Sprache sprechen. In den Wiener Volksschulen sind es sogar 56,3%. Dort müsse man die entsprechenden Maßnahmen setzen; die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen. Ein großes Anliegen ist es ihr auch, die Mehrsprachigkeit als Ressource sichtbar zu machen und Wertschätzung zu erreichen.

Link: Justizministerium

 

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