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Recht

Mehr Befugnisse für Polizei, Zögern bei US-Datenaustausch

Wien. Die Polizei erhält zur Bekämpfung terroristischer und anderer Straftaten weitere Befugnisse. Vor allem der Aspekt der Prävention stehe im Mittelpunkt einer Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz und begleitender Gesetzesänderungen.

Diese haben jetzt den Innenausschuss des Nationalrats mit breiter Mehrheit passiert, berichtet die Parlamentskorrespondenz: Unter anderem wollen die Abgeordneten mit so genannten „Gefährderansprachen“ und Meldepflichten terroristisch, ideologisch und religiös motivierten Straftaten vorbeugen. Außerdem sollen neue gesetzliche Bestimmungen die Verletzung der sexuellen Integrität von Frauen sowie familiäre Gewalt verhindern helfen.

Besonders umstritten sind neue Wegweisungs- und Strafbefugnisse der Polizei zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Durch die vagen gesetzlichen Formulierungen eröffne man Willkür Tür und Tor, warnen Grüne und Neos. Auch sieht man einen weiteren Schritt in Richtung Überwachungsstaat. Zustimmend zur Gesetzesnovelle äußerten sich hingegen neben den Koalitionsparteien auch die FPÖ und das Team Stronach.

„Gefährderansprache“ und Meldepflichten für radikalisierte Personen

  • Konkret wird es die so genannte „Präventions-Novelle 2016“ dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ermöglichen, zur Verhinderung extremistisch motivierter Straftaten einschlägig auffällig gewordene Personen gezielt zu Gesprächen zu laden und zu regelmäßigen Meldungen zu verpflichten. Bei diesen „Gefährderansprachen“ sollen den Betroffenen etwa die Rechtsfolgen von Handlungen klarmacht und sie auf bestehende Unterstützungsangebote und Anlaufstellen wie Deradikalisierungsprogramme hingewiesen werden.
  • Außerdem soll eine ergänzende Meldepflicht dafür sorgen, dass man mit den Personen in regelmäßigem Kontakt bleibt und Ortsveränderungen zeitnah erkennt.
  • Die Meldepflicht kann überdies dafür eingesetzt werden, die Betroffenen von bestimmten Veranstaltungen fernzuhalten. Ähnliche Instrumente gibt es bereits zur Verhinderung von Gewalt und Rassismus bei Sportgroßveranstaltungen durch amtsbekannte Hooligans.

Besserer Schutz vor massiver sexueller Belästigung

Auch wer Frauen massiv sexuell belästigt hat bzw. in gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt war, muss künftig mit spezifischen behördlichen Ermahnungen rechnen. Entsprechende Bestimmungen wurden mit Hilfe eines Abänderungsantrags in die Präventions-Novelle eingebaut.

  • Demnach können Personen, die „einen gefährlichen Angriff gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung oder einen gefährlichen Angriff unter Anwendung von Gewalt“ begangen haben, von den Sicherheitsbehörden vorgeladen werden, um sie über rechtskonformes Verhalten zu belehren und auf drohende Konsequenzen von fortgesetztem Fehlverhalten hinzuweisen. Vorausgesetzt, dass weitere ähnliche Vorkommnisse drohen.
  • Insbesondere Fremde sind bei dieser Gelegenheit zusätzlich über die Grundwerte des Zusammenlebens in einem demokratischen Staat und über das gesellschaftliche Leben in Österreich aufzuklären, wie in den Erläuterungen festgehalten wird.
  • Personen, die Ladungen bzw. Meldepflichten nicht nachkommen, droht eine Verwaltungsstrafe.

Störung der öffentlichen Ordnung kostet

Darüber hinaus werden mit dem Abänderungsantrag die Bestimmungen im Sicherheitspolizeigesetz in Bezug die die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung neu gefasst.

  • Demnach kann die Exekutive künftig bereits dann eingreifen, wenn eine oder mehrere Personen die öffentliche Ordnung durch ein Verhalten stören, „das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen“. Konkrete Beschwerden müssen nicht vorliegen, auch „ein besonders rücksichtsloses Verhalten“ ist, anders als bisher, keine Voraussetzung für ein polizeiliches Einschreiten mehr.
  • Als Beispiele werden in den Erläuterungen etwa das aufdringliche Nachgehen einer Person oder das Verstellen von Geschäftspassagen genannt. Das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Versammlungsfreiheit darf, innerhalb der allgemeinen gesetzlichen Schranken allerdings nicht beeinträchtigt werden.
  • Neben einer Wegweisung durch die Polizei drohen bei einer Störung der öffentlichen Ordnung auch Geldstrafen, wobei der Strafrahmen von 350 auf 500 Euro angehoben wird.
  • Auch allgemeines aggressives Verhalten gegenüber der Polizei kann künftig als Verwaltungsübertretung geahndet werden, selbst wenn dadurch keine konkrete Amtshandlung behindert wird.

Möglichkeit zur Abnahme von DNA-Proben wird ausgeweitet

  • Ausgeweitet wird auch die Möglichkeit, Personen zum Zweck der Feststellung ihrer Identität erkennungsdienstlich zu behandeln, also etwa ihre Fingerabdrücke abzunehmen. Bisher ist das, abseits von Straftaten, grundsätzlich nur dann erlaubt, wenn sich der Betreffende in einem Zustand der Hilflosigkeit befindet.
  • Außerdem können künftig auch Personen, die im Verdacht stehen, ein vergleichsweise geringfügiges Sexualdelikt begangen zu haben, zur Abgabe einer DNA-Probe gezwungen werden. Derzeit gilt das nur für einschlägige Straftaten, die mit einer mindestens einjährigen Freiheitsstrafe bedroht sind.

Gesetzliche Nachschärfungen bei familiärer Gewalt

  • Zur Vorbeugung familiärer Gewalt ist es künftig möglich, für Kindergärten und Schulen ein gesondertes Betretungsverbot zu verhängen.
  • Außerdem wird eine gesetzliche Grundlage für die „präventive Rechtsaufklärung“ geschaffen. Diese wird seit 2011 durch besonders geschulte BeamtInnen durchgeführt, um mit dem Gefährder seine persönliche Situation zu besprechen und ihm die Konsequenzen seines Verhaltens vor Augen zu führen. Künftig können die Betroffenen auch zwangsweise geladen werden.
  • Ebenso darf die Polizei zur Durchsetzung eines verhängten Betretungsverbots für bestehende Schutzzonen, etwa zur Verhinderung von Drogenhandel rund um Schulen, in Hinkunft notfalls auch Zwangsgewalt ausüben.

Weitere Befugniserweiterungen der Exekutive

  • Weitere Befugniserweiterungen der Exekutive betreffen die Speicherung von Daten mutmaßlich gefährlicher Personen und deren Ausschreibung zur verdeckten Kontrolle sowie die Konfiszierung von Ausweisdokumenten, die von einer ausländischen Behörde zur Verhinderung der Ausreise von „foreign fighters“ für ungültig erklärt wurden.
  • Fahndungsdaten dürfen künftig auch an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bzw. an ausländische Asylbehörden weitergegeben werden.
  • Auch wird es erlaubt sein, aus Anlass der Anmeldung eins Fahrzeugs zu überprüfen, ob dieses zur Fahndung ausgeschrieben ist.
  • Zu mehr Sicherheit sollen darüber hinaus ein Waffenmitnahmeverbot und die Durchführung von Sicherheitskontrollen in Gebäuden des Innenministeriums und nachgeordneter Dienststellen beitragen.

Zentralisierung der Einsatzkoordination

Auf organisatorischer Ebene enthält das Gesetzespaket Bestimmungen über eine Bündelung der Einsatzzentralen der Polizei. Es kommt zu einer Zentralisierung der Einsatzkoordination und beim Notrufrouting.

Gleichzeitig werde die Möglichkeit des sprengelübergreifenden Einschreitens von Sicherheitsorganen ausgeweitet. Damit will man sicherstellen, dass die Exekutive möglichst rasch am Einsatzort eintrifft, unabhängig davon, welcher Behörde die BeamtInnen zugeordnet sind. Unterstützt werden soll die Einsatzkoordination durch ein neues Informationsverbundsystem mit umfangreicher Datenbank.

Grüne und Neos kritisieren vage Gesetzesbestimmungen

Bedenken gegen das Gesetzespaket äußerten insbesondere die Grünen und die Neos. Er verstehe in fast allen Punkten die Motive, die hinter dem Paket stehen, sagte Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz, die gewählte Lösung sei in vielen Bereichen aber nicht gut und teilweise sogar „total missglückt“. Er erachtet es beispielsweise als „keine gute Idee“ zum Begriff des öffentlichen Ärgernisses zurückzukehren. Damit öffne man Willkür Tür und Tor. Was von manchen nur als abweichendes Verhalten wahrgenommen werde, sei für andere schon ein öffentliches Ärgernis.

Justizsprecher Albert Steinhauser veranschaulichte die Kritik der Grünen anhand einiger konkreter Beispiele. Er frage sich beispielsweise, ob sich eine Gruppe von Leuten, die vor einem Lokal steht und raucht, schon strafbar macht, weil sie PassantInnen wegen der Blockade des Gehsteigs zwingt, die Straßenseite zu wechseln und so für Ärger sorgt. Seiner Ansicht nach ist es nicht Aufgabe der Polizei, eine gesellschaftliche Etikette durchzusetzen, es brauche eine gewisse Toleranz, wie dies derzeit der Fall sei. Im Übrigen werde Sozialarbeit auch künftig nicht durch Polizeiarbeit ersetzt werden können.

Verwaltungsvereinfachung für Fundämter

Neuerungen bringt das Gesetzespaket schließlich auch für ehrliche Finder.

  • Sie müssen künftig nicht mehr per Einschreiben vom Fundamt verständigt werden, wenn der abgegebene Wertgegenstand nicht abgeholt wird und damit in ihr Eigentum fällt. Stattdessen soll die Verständigung via SMS, E-Mail oder einfachem Brief erfolgen.
  • Außerdem wird der Wert des Fundes, ab dem eine Verständigung erforderlich ist, von 20 auf 100 Euro angehoben und die Frist für die weitere Aufbewahrung des Gegenstandes durch das Fundamt nach Verständigung des Finders von sechs Monaten auf zwei Monate verkürzt.

Noch keine Fingerabdruck-Daten für die USA

Der Innenausschuss nahm außerdem einen Bericht von Innenminister Wolfgang Sobotka über die Umsetzung des so genannten PCSC-Abkommens mit den USA zur Kenntnis. Demnach wurde der operative Datenaustausch zwischen österreichischen und amerikanischen Sicherheitsbehörden nach wie vor nicht aufgenommen.

Das Abkommen regelt den automatisierten Zugriff auf Fingerabdruck-Dateien der jeweils anderen Seite, wobei im Falle eines Treffers weitere personenbezogene Daten und Informationen erst auf Nachfrage – unter Beachtung des Datenschutzes – übermittelt werden. Laut Sobotka sind aus Sicht Österreichs die Voraussetzungen für den Austausch zwar gegeben, jedoch nicht aus Sicht der USA.

Link: Parlament

 

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