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Business, Tech, Veranstaltung

Finanzbranche: Banken wird es auch weiterhin geben

Zadrazil, Hahn, Frey, Nowotny, Fuhrmann, Sevelda, Kwauka, Zeiner, Redl ©FMVÖ / Bargad
Zadrazil, Hahn, Frey, Nowotny, Fuhrmann, Sevelda, Kwauka, Zeiner, Redl ©FMVÖ / Bargad

Wien. Unter dem Titel „Wozu überhaupt noch Banken?“ lud der Finanz-Marketing Verband Österreich (FMVÖ) gestern zur alljährlichen FMVÖ-Bankendiskussion in die Oesterreichische Nationalbank. Die Fintechs und andere Online-Revoluzzer hatten dabei WIFO-Experten als Fürsprecher – doch die Banken hatten Mark Twain.

OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny, Bettina Fuhrmann (Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik), WIFO Bankenexperte Franz Hahn sowie die Vorstandsvorsitzenden Karl Sevelda (Raiffeisen Bank International) und Robert Zadrazil (UniCredit Bank Austria) sprachen vor dem Hintergrund verschlechterter Rahmenbedingungen und radikaler Umbrüche im Bankwesen über österreichische Banken im Anpassungs- und Überlebensstress. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit dem WdF (Wirtschaftsforum der Führungskräfte) und dem FJF (Finanzjournalistenforum) statt.

Mark Twain und das Ende der Geldhäuser

Nach der Begrüßung durch FMVÖ-Vizepräsident Josef Redl, Gerhard Zeiner (Bundesvorsitzender des WdF), und FJF-Initiator Martin Kwauka, eröffnete Nationalbank Gouverneur Ewald Nowotny die Diskussionsrunde mit einem Eingangsreferat. Hinsichtlich des Veranstaltungstitels „Wozu überhaupt noch Banken?“ verwies er auf das Zitat von Mark Twain, der die Nachricht von seinem Ableben als stark übertrieben bezeichnet hatte.

Dasselbe lasse sich auch auf die Banken umlegen, die außerdem kein homogener Bereich seien. Wie bereits in den 1930er Jahren gäbe es heute wieder eine Tendenz, Investment und Retail als eigene Bereiche zu sehen, wie dies auch der Liikanen-Report vorgeschlagen hatte.

Als zukünftiges System für Österreich wünsche sich Nowotny die „pragmatische Universalbank“: Eine Bank, die für ihre Kunden entsprechende Bank-Dienstleistungen erbringe, das Investmentgeschäft aber bei zurückgefahrenem Risiko nur insoweit als notwendig betreibe und daher auch weniger Erträge erzielen könne.

Eine Reihe von ökonomischen, regulatorischen und technologischen Aspekten, sowie hausgemachte Probleme – wie der höchste Anteil an Fremdwährungskrediten und variabel verzinsten Krediten in der EU oder die geringe Finanzierungsrate auf Kapitalmarktseite – würden Banken allerdings dabei behindern, ihre Funktion zu erfüllen.

„Damit die Banken aufgrund dieser permanenten Dynamik nicht die Stahlindustrie der 2010er Jahre werden, muss man die hausgemachten Probleme seriös abarbeiten“, erklärte Nowotny. Denn dass man auch angesichts großer Herausforderungen und Risiken gut reüssieren könne, hätten Unternehmen wie voestalpine und Böhler erfolgreich vorgezeigt.

Innovationsbewegung als Bedrohung

Was Banken angesichts rasanter technologischer Veränderungen und großer Regularien dagegenhalten könnten, um ihre Rolle gegenüber Fintechs zu verteidigen, erläuterte WIFO Bankenexperte Franz Hahn. Banking sei das zweitälteste Gewerbe der Welt – solange es das älteste Gewerbe gäbe, würde es auch das zweitälteste geben.

Die Dienstleistungen, die derzeit primär von Banken abgewickelt werden, würden laut Hahn weiterhin bestehen bleiben. Aber ob diese von Banken als Institution, wie wir sie heute kennen, angeboten werden, sei für ihn fraglich. Vielmehr sei er der Meinung, dass es Banken in der heutigen Form in 20 bis 40 Jahren nicht mehr geben werde. Das Problem der Banken beginne jetzt aufgrund der neuen Technologien. Kredite als der Wettbewerbsvorteil von Banken würden angesichts unterschiedlicher Formen von „Peer-to-Peer Lending“ an Bedeutung verlieren.

Banken seien auch nicht dazu bereit, Kostenvorteile durch neue Technologien an ihre Kunden weiterzugeben. Kostengünstig operierende Fintechs könnten dadurch den Markt aufrollen. Die Gefahr der Atomisierung und Spezialisierung von Leistungen, die in den letzten 150 Jahren von Banken angeboten wurden, stelle für Hahn das größte Bedrohungsszenario dar.

Hinzu komme das Regulativ, das aus Sicht von Hahn bedenklich und fehlgeleitet sei, da es weiterhin das Hinausdrängen von diversen Leistungen in Schattenbanken ermögliche. „Wie organisiert man die Innovationsbewegung der Fintechs regulatorisch? Wie organisiert man, dass der Finanzbereich nicht nur innovativer, sondern auch sicherer wird?“ brachte Hahn seine zentralen Fragestellungen auf den Punkt.

Chance und nicht nur Herausforderung

Robert Zadrazil, Vorstandsvorsitzender UniCredit Bank Austria, bezeichnete die derzeitige Lage als große Chance und nicht nur als Herausforderung. Zentrale Frage sei, wie man den Status quo in die Zukunft weiterführen könne. Seiner Meinung nach werde es Banking auch weiterhin geben, es ginge eher um die Frage, ob man Banken brauche oder nicht.

Einerseits gäbe es die Relevanz von Banken für die Volkswirtschaft in Österreich. Auch den Kapitalmarkt als zweites Standbein sähe er als Chance, da man die österreichischen Firmen hinsichtlich Finanzmarkt-Finanzierungen beraten könne. Zum Thema Filialschließungen erläuterte Zadrazil, dass der Markt in Österreich gegenüber Holland, wo dreimal so viele Einwohner auf eine Filiale kämen, immer noch über zu viele Filialen verfüge. Hierzulande habe der durchschnittliche Kunde jährlich ca. 80 Kontakte mit seiner Bank, wobei die Hälfte davon bereits online oder mobil passiere. Man müsse daher den optimalen Mix finden, um geändertes Kundenverhalten darzustellen und diesem Verhalten Rechnung zu tragen.

Filialen werden seiner Meinung nach aber weiterhin ein wesentlicher Teil des Gesamtgeschäftsmodells bleiben, ebenso die Beratungstätigkeit. „Online ist kein reines Jugendphänomen, aber man muss bei der jüngeren Zielgruppe stärker an Relevanz gewinnen“, folgerte Zadrazil. Aus diesem Grund investiere man sehr stark in die Digitalisierung und serviciere in der Online-Filiale der Bank Austria mit 270 Mitarbeitern mittlerweile bereits über 100.000 Kunden.

Persönlicher Banker beliebter als eigene Bank

Karl Sevelda, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Bank International, ging auf die langfristige Zukunft von Banken ein. Diese lägen mit ihrem Image zwar ganz am Ende der Skala, aber der persönliche Kundenberater werde sehr wohl geschätzt. Insgesamt würden Banken seit 2008 unter ihrem schlechten Image leiden. Der Konsument lege in hohem Ausmaß Wert auf Beratung und brauche sie auch.

Allerdings ändere sich das Konsumentenverhalten, was beispielsweise bei Online- und Smart-Banking auch im Interesse der Bank selbst sei, denn man könne dadurch versuchen, Kostenprobleme in den Griff zu bekommen – letzteres sei für ihn auch die derzeitige Hauptaufgabe der Banken.

Da Themen wie Compliance, „Know your Customer“, Liquiditätssteuerung oder Sicherheit für zentrale Stellen von enormer Bedeutung seien, würden die Argumente aus Sicht von Nationalbank, Staat und FMA pro Bank sprechen. Die überaus strenge Regulierung tue den Banken kostenmäßig zwar weh, bringe aber andererseits Vorteile und Absicherung für den Kunden.

Banken müssten sich allerdings, wie bereits Unternehmen in anderen Branchen, dem geänderten Konsumentenverhalten anpassen. Aus Seveldas Sicht werde Banken daher in einigen Bereichen Konkurrenz von Fintechs erwachsen: „Man kann viel von Fintechs lernen und man muss Andockstellen schaffen. Man darf Fintechs zwar nicht unterschätzen, man soll sie aber auch nicht überschätzen“, erklärte Sevelda und betonte: „Für gute Qualität ist der Kunde nach wie vor bereit zu bezahlen.“

Vertrauen als Chance

Die gesellschaftliche Rolle der Banken beleuchtete Bettina Fuhrmann (Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik an der WU Wien). Vertrauen sei gerade im Geldwesen ganz wichtig, denn es könne nur funktionieren, wenn man Vertrauen hat, dass Geld einen gewissen Wert hat und diesen, wenn man es anlegt, in nächster Zeit auch behalten werde.

Es lägen zwar keine aktuellen Daten zur Vertrauensfrage vor, einige Probleme der Banken seien jedoch hausgemacht, wie beispielsweise der hohe Anteil an Fremdwährungskrediten. Solche Kredite wurden angeboten, obwohl Risikofreudigkeit bei vielen Bankkunden, die meist einfache Sparbuchsparer seien, nicht vorhanden sei. Dies seien auch Bereiche, worüber Österreicher relativ wenig wissen würden.

So würden Befragte in Österreich bei einem von der OECD entwickelten Fragenset nach dem Wechselkursrisiko sehr schlecht abschneiden, denn 60 % geben eine falsche Antwort. Auch läge das Denken in Zinseszinsen nicht in der menschlichen Natur und beim Konzept der Inflation seien ein Drittel der Befragten hinsichtlich der Konsequenzen ahnungslos.

„Da Konsumenten trotz ihres Unwissens finanzielle Dinge ordnen müssen, könne künftig derjenige gewinnen, der sich als kompetenter Partner präsentiert. Welcher Institution gegenüber hab ich das Vertrauen, dass meine Geldangelegenheiten kompetent und vertrauensvoll abgewickelt werden?“, erläuterte Fuhrmann. Auch müsse man sich ansehen, wie von der Bank zum Kunden kommuniziert werde. Beratung und Kommunikation könnten bzw. müssten anders ablaufen, indem man Wissenslücken fülle und dabei helfe, schwierige finanzielle Entscheidungen zu treffen.

Die Wunschliste

Eine Sache, die man sich hinsichtlich der Zukunft von Banken wünschen würde, erläuterten die Diskussionsteilnehmer zum Abschluss der spannenden Debatte. Während sich Zadrazil intensiv um die eigenen und Neukunden kümmern können möchte, wünschte sich Hahn für die österreichischen Banken, dass man aus 800 Banken 100 machen werde, ein Drittel der Beschäftigen im Bankwesen einspare und mehr auf andere Beratungsformen wie Robo-Beratung setze, um die Kosten schlanker zu machen.

Nowotny betonte, dass die Cost-Income-Ratio der Banken sehr nachteilig sei und sich das – Stichwort: Kosten senken, Erträge erhöhen – verbessern müsse. Fuhrmann wünschte sich Banken, die umfassend und kompetent beraten, maßgeschneiderte Produkte im Auge haben und etwas Geniales anbieten. Wunsch von Sevelda sei es, den Service zu verbessern, die Kosten zu senken und Strukturen zu verschlanken und die Politik zu überzeugen, dass nicht alles regulierbar sei, sondern es auch Bereiche geben müsse, die den 10 Geboten überlassen bleiben.

Link: FMVÖ

Link: Finanzjournlistenforum

 

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