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Recht

60 Mio. Euro EU-Geldbuße: Der EuGH bleibt dabei

EuGH ©Gerichtshof der Europäischen Union

Luxemburg. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Zusammenhang mit dem Phosphat-Kartell eine gegen die Roullier-Gruppe verhängte Geldbuße in Höhe von stolzen 60 Millionen Euro bestätigt: Roullier hatte als einziger Anbieter keinen Vergleich akzeptiert – und dafür eine sogar noch höhere Strafe bekommen als ursprünglich angedroht.

Das Verfahren bzw. seine Vorgeschichte gehen etliche Jahre zurück (C-411/15 P): Die Kommission erlegte im Jahr 2010 sechs Gruppen von Herstellern, die sich an einem Preiskartell beteiligt und über eine Zeit von mehr als 30 Jahren den Markt für Futterphosphate unter sich aufgeteilt hatten, Geldbußen in Höhe von insgesamt rund 175,6 Millionen Euro auf.

Die betroffenen Unternehmen hatten im Rahmen dieses Kartells Absatzquoten nach Regionen und Kunden aufgeteilt und die Preise sowie in bestimmten Fällen die Verkaufsbedingungen abgestimmt, so der EuGH. Der Roullier-Gruppe – zu ihr gehört deren Tochtergesellschaft Timab Industries – wurde wegen ihrer Beteiligung an diesem Kartell in der Zeit von 1993 bis 2004 eine Geldbuße in Höhe von 59,85 Mio. Euro auferlegt.

Anders als die übrigen in das Kartell verwickelten Gruppen wollte die Roullier-Gruppe, als sie die ungefähre Höhe der Geldbuße erfuhr, die die Kommission gegen sie verhängen wollte, keinen Vergleich mit der Kommission schließen. Ein solcher Vergleich diene zur Vereinfachung des Verfahrens: Die betroffenen Unternehmen geben ihre Beteiligung an dem Kartell zu und geben Verpflichtungszusagen ab und erhalten im Gegenzug eine Geldbußen-Ermäßigung von 10%.

Ordentlich und teuer

Die Kommission wandte daher im Fall der Roullier-Gruppe das ordentliche Verfahren an. Dabei handelte es sich um das erste sogenannte Hybridverfahren, d. h., das Vergleichsverfahren und das ordentliche Verfahren wurden parallel durchgeführt.

Die Roullier-Gruppe erhob beim Gericht der Europäischen Union Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission und auf Herabsetzung der Geldbuße. Sie warf der Kommission insbesondere vor, gegen sie eine Geldbuße verhängt zu haben, die über dem Höchstbetrag der im Vergleichsverfahren veranschlagten Bandbreite liege.

Mit Urteil vom 20. Mai 2015  wies das Europäische Gericht (untergeordnete Instanz zum EuGH) die Klage der Roullier-Gruppe ab, wobei es im Wesentlichen ausführte, dass die Kommission die Roullier-Gruppe nicht dafür bestraft habe, dass sie sich aus dem Vergleichsverfahren zurückgezogen habe, und dass sie an die im Rahmen des Vergleichsverfahrens genannte Bandbreite nicht gebunden sei.

Die Roullier-Gruppe war mit der Begründung des Gerichts nicht einverstanden und beantragt beim Gerichtshof die Aufhebung des Urteils des Gerichts. Mit seinem jetzt erfolgten Urteil weist der Gerichtshof jedoch das Rechtsmittel der Roullier-Gruppe zurück und bestätigt die von der Kommission verhängte Geldbuße in Höhe von fast 60 Millionen Euro.

Die weiteren Erläuterungen

Bezüglich des Vorbringens, die Kommission habe gegen die Roullier-Gruppe im ordentlichen
Verfahren eine Geldbuße verhängt, die über dem Höchstbetrag der im Vergleichsverfahren
veranschlagten Bandbreite liege, stellt der Gerichtshof fest,

  • dass das Gericht die sachliche Richtigkeit der von der Kommission im ordentlichen Verfahren vorgenommenen Beurteilung und die von ihr zur Berechnung der Geldbuße herangezogenen Gesichtspunkte ordnungsgemäß geprüft hat.
  • Insbesondere durfte die Kommission eine erneute Prüfung des Betrags der Geldbuße vornehmen und dabei dieselbe Methode anwenden, die zur Ermittlung der Bandbreite der Geldbußen angewandt wurde, die der Roullier-Gruppe im Vergleichsverfahren mitgeteilt wurden.

Wenn wir schon genau schauen müssen…

Der Gerichtshof stellt nämlich in Übereinstimmung mit dem Gericht fest, dass die Kommission im ordentlichen Verfahren neue Informationen berücksichtigen musste, durch die sie gezwungen war, die Akten erneut zu prüfen, die berücksichtigte Dauer des Kartells neu festzulegen und die Geldbuße durch Nichtanwendung der von ihr im Vergleichsverfahren vorgeschlagenen Ermäßigungen anzupassen.

Hierzu führt der Gerichtshof insbesondere aus, dass die Roullier-Gruppe, die im Rahmen des Vergleichsverfahrens die von der Kommission zugrunde gelegte Dauer des Kartells (1978 bis 2004) nicht bestritten hatte, im ordentlichen Verfahren (mit Erfolg) geltend machte, dass sich ihre Beteiligung am Kartell auf die Jahre 1993 bis 2004 beschränkte.

Die Roullier-Gruppe hätte somit vorhersehen können, dass das Bestreiten ihrer Beteiligung am Kartell in der Zeit von 1978 bis 1993 Auswirkungen auf die Ermäßigungen haben würde, die ihr bei der Festsetzung der Geldbuße gewährt werden konnten.

Dieses Paradoxon, das zu einer höheren Geldbuße für eine kürzere Dauer der Zuwiderhandlung führt, sei damit zu erklären, dass die Kommission im Vergleichsverfahren dazu bereit war, der Roullier-Gruppe zusätzliche Ermäßigungen für die Informationen zu gewähren, die von dieser in Bezug auf den Zeitraum von 1978 bis 1993 geliefert wurden.

Da die Roullier-Gruppe ihre Beteiligung am Kartell für diesen Zeitraum schließlich bestritt, war die Kommission der Auffassung, dass der wesentliche Teil der vorgeschlagenen Ermäßigungen für den Zeitraum von 1993 bis 2004 nicht mehr anwendbar sei.

Diese Änderung des Standpunkts der Roullier-Gruppe ist der Grund dafür, dass diese sich nicht auf den Grundsatz des berechtigten Vertrauens in die Aufrechterhaltung der von der Kommission im Vergleichsverfahren übermittelten Schätzungen berufen kann, so der EuGH.

Die Roullier-Gruppe macht außerdem geltend, dass das Gericht nicht innerhalb einer angemessenen Frist entschieden habe (das Verfahren vor dem Gericht dauerte ungefähr vier Jahre und neun Monate). Der Gerichtshof ist in dieser Hinsicht der Auffassung, dass es mangels zusätzlicher von den Parteien vorgetragener Umstände nicht offensichtlich ist, dass das Gericht seine Pflicht, die Rechtssache innerhalb angemessener Frist zu entscheiden, in hinreichend qualifizierter Weise verletzt hat.

Link: EuGH

 

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