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Recht

Lob und neue Reformpläne für Verwaltungsgerichte

Wien. Gute Noten für das Anfang 2014 eingeführte neue System der Verwaltungsgerichtsbarkeit gab es jetzt im Parlament, und zwar von Regierungs- wie Oppositionsparteien. Weitere Reformen werden angedacht. 

Durch den seinerzeitigen Umbau wurden die Unabhängigen Verwaltungssenate (UVS), der Unabhängige Finanzsenat, das Bundesvergabeamt und Dutzende weitere weisungsfreie Sonderbehörden durch neun Verwaltungsgerichte der Länder und zwei Verwaltungsgerichte des Bundes – das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesfinanzgericht – ersetzt.

Drei Jahre danach ziehen sowohl Kanzleramtsminister Thomas Drozda als auch die Opposition eine positive Bilanz, meldet die Parlamentskorrespondenz.

Ingredienzien für eine Erfolgsstory

Die Reform sei eine „Erfolgsgeschichte“, waren sich die Fraktionen zuletzt im  Verfassungsausschuss des Nationalrats einig. Die Akzeptanz der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte ist hoch, laut Rudolf Thienel, Präsident des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH), werden mehr als 90% der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht angefochten. Ähnliches gelte auch für die Verwaltungsgerichte der Länder.

Zur Diskussion im Ausschuss standen auch die Tätigkeitsberichte des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) und des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) 2014 und 2015, wobei laut VfGH-Vizepräsidentin Brigitte Bierlein das 2015 eingeführte Instrument der Gesetzesbeschwerde zwar häufiger in Anspruch genommen wird als ursprünglich erwartet, entsprechende Parteianträge auf Normenkontrolle bisher aber nur in sehr wenigen Fällen erfolgreich waren. Nach wie vor stark belastet seien beide Höchstgerichte mit Asylbeschwerden.

Großes Lob für neue Verwaltungsgerichtsbarkeit

Ausschussvorsitzender Peter Wittmann (SPÖ) erinnerte daran, dass mit der Einführung der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit 120 Behörden aufgelöst wurden. Seiner Meinung nach hätte sich „die größte Verwaltungsreform seit 1929“ ein breiteres Echo in der Öffentlichkeit verdient. Die ÖVP lobte die Praktikabilität des Systems etwa für Bürgermeister.

Lob kam auch von Seiten der Opposition, durch das neue System habe man europäische Rechtsschutzstandards in der Verwaltung sichergestellt, sagte etwa Harald Stefan (FPÖ).

Noch nicht ganz zufrieden sind Albert Steinhauser (Grüne) und Nikolaus Scherak (Neos) mit der Sicherstellung der Unabhängigkeit der Verwaltungsgerichte und der Durchlässigkeit zwischen ordentlicher Gerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Steinhauser kritisierte insbesondere die jüngste Bestellung dreier ehemaliger Ministersekretäre als Verwaltungsrichter und meinte, eine solche Vorgangsweise wäre in der Justiz undenkbar. Auch Scherak sieht – unabhängig von der Qualifikation der Betroffenen – eine äußerst schiefe Optik.

28.000 Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht

Die Zahl der neu anhängigen Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht ist laut Perl sukzessive gestiegen, und zwar von 20.000 im Jahr 2014 auf 23.000 im Jahr 2015 und 28.000 im Jahr 2016, wobei von den 28.000 rund 76% Asylverfahren waren. Diese werden weiter zunehmen, ist Perl überzeugt. Um den Andrang zu bewältigen, wurde die Zahl der Planstellen deutlich aufgestockt. Das Bundesverwaltungsgericht ist mittlerweile mit 592 Planstellen, 220 davon für RichterInnen, das größte Gericht Österreichs.

Dass weniger als 10% der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts angefochten werden, ist für VwGH-Präsident Thienel ein Zeichen für die hohe Akzeptanz der Entscheidungen. Auch bei den Verwaltungsgerichten der Länder ist die Revisionsquote laut Patrick Segalla, Präsident des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, ähnlich gering. Ihm zufolge hat es, mit Ausnahme einiger weniger Kompetenzkonflikte, auch so gut wie keine Umstellungsprobleme gegeben. Die Verfahrensdauer sei mit durchschnittlich fünf Monaten sehr niedrig. Die Verwaltungsgerichte würden einen wirksamen Rechtschutz leisten, ist Segalla insgesamt überzeugt.

Verfahrensrecht soll noch verbessert werden

  • Was das Verfahrensrecht betrifft, sehen sowohl Segalla als auch Perl die Notwendigkeit, noch an einzelnen Schrauben zu drehen, wiewohl sie grundsätzlich zufrieden sind. Als ein offenes Feld sehen sie etwa die Frage der „Präklusion“, also des Verfahrensschlusses. Kanzleramtsminister Drozda plant, in den nächsten zwei Monaten dazu einen Gesetzentwurf vorzulegen.
  • Langfristig kann sich Segalla auf Basis von Erfahrungen in der Praxis auch ein neu kodifiziertes Verfahrensrecht für die Verwaltungsgerichte vorstellen.

Unisono skeptisch äußerten sich Perl, Segalla, Thienel und Bierlein zum Vorschlag, die Ausbildung von VerwaltungsrichterInnen an jene von RichterInnen der ordentlichen Gerichtsbarkeit anzugleichen. Perl und Thienel gaben zu bedenken, dass eine fünfjährige berufliche Praxis ein Ernennungserfordernis für VerwaltungsrichterInnen sei. Man brauche schließlich die Expertise von Personen, die aus der Verwaltung kommen, sagte Thienel. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit sei das System mit dem richterlichen Vorbereitungslehrgang und der vierjährigen Ausbildung dagegen ein anderes, so Bierlein. Segalla machte überdies geltend, dass VerwaltungsrichterInnen – im Gegensatz zu RichterInnen – von Anfang an in der Rechtsmittelinstanz tätig sind. Es gebe aber gemeinsame Fortbildungsangebote, auch an einem einheitlichen richterlichen Berufsbild werde gearbeitet.

Der Präsident und die 40 Richter

Detailliert ging Perl auf die im Herbst erfolgte Bestellung von 40 neuen RichterInnen des Bundesverwaltungsgerichts ein und bekräftigte, dass die Entscheidung wie üblich im Personalsenat des Gerichts – einem siebenköpfigen, von der Vollversammlung gewählten Richtergremium – getroffen worden sei. Man habe dabei ausschließlich nach Qualifikation entschieden.

Verteidigt wurden von ihm auch die Kreuzreihungen bei den Dreier-Vorschlägen, diese seien üblich, um sicherzustellen, dass letztlich die bestgeeigneten BewerberInnen ausgewählt werden. Jemanden nicht zu nehmen, nur weil er einmal in einem Ministerbüro oder sonst irgendwo gearbeitet habe, wäre unfair. Bei ihm habe jedenfalls niemand interveniert, versicherte Perl. Auch Drozda stellte jegliche Intervention von seiner Seite oder in seinem Auftrag in Abrede.

Link: Parlament

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