Salzburg. Woher werden die nächsten Migrationsströme kommen? Das will das „Foresight Cockpit“ unter Beteiligung der Uni Salzburg für Regierungen voraussagen helfen.
Die Europäische Union wurde 2015 von der Flüchtlingskrise überrascht, als hunderttausende Syrer, Afghanen und Flüchtlinge aus afrikanischen Staaten nach Europa strömten, erinnert die Paris Lodron Uni Salzburg: Um derartige Entwicklungen künftig besser einschätzen zu können, wurde in Österreich die Online-Plattform „Foresight Cockpit“ entwickelt, die zukünftig die ressortübergreifende strategische Zusammenarbeit von Ministerien in relevanten Zukunftsfragen erleichtern könne.
Salzburger Soziologen haben im Rahmen des Projekts ein Modell zur Analyse der Migrationsdynamik konzipiert und einschlägige statistische Indikatoren bereitgestellt.
Die Fakten
Im Jahr 2015 hat die weltweite Zahl der Flüchtlinge mit über 65 Millionen ein Rekordniveau erreicht. 244 Millionen Menschen lebten 2015 in einem anderen Land als in jenem, in dem sie geboren wurden.
Die Internetplattform „Foresight Cockpit“ macht die Push- und Pull-Faktoren sichtbar, datenbasiert und theoretisch fundiert, sagt Wolfgang Aschauer, assoziierter Professor am Fachbereich Politikwissenschaft und Soziologie der Universität Salzburg. Dabei geht es grundsätzlich um die Fragen: Woher kommen sie? Wohin wollen sie?
„Das Projekt war schon vor der Flüchtlingskrise geplant, aber durch die dramatischen Ereignisse im September 2015 hat das Thema Migration natürlich stark an Brisanz gewonnen“, so Aschauer. Mit dem Foresight Cockpit könne man Entscheidungsträgern ein Tool an die Hand geben, auf dessen Basis sie frühzeitig Szenarien für künftige Migrationsentwicklungen und nötige Integrationsmaßnahmen entwickeln können. Es entstand in einer Kooperation mit dem Softwareunternehmen RISE und der Wiener Unternehmensberatung Repuco.
Als Partner aus den Ministerien fungierten in diesem Forschungsprojekt das Bundesministerium für Inneres, das Bundeskanzleramt sowie das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport. Sie bildeten die sogenannte „Bedarfsträgerschaft“.
Bei dem Modell wurden 140 statistische Indikatoren ausgewählt, welche die Migrationsdynamik, gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Integrationsherausforderung beschreiben und die im System hinterlegt sind, heißt es weiter. Neben der Arbeitslosenquote, den Armutsdaten, BIP-Zahlen oder dem Gini-Index, der Vermögens- und Einkommensunterschiede darstellt, werden auch Umweltfaktoren oder Angaben zur politischen Stabilität eingesetzt.
Aus welchen Ländern könnten zukünftig Migrationsströme kommen?
Die Veränderungen der Indikatoren über die Zeit lassen Rückschlüsse zu, doch nur auf die Plattform zu schauen ist zu wenig, heißt es. Die Idee von Foresight Cockpit sei, dass ein Entscheidungsträger ein Szenario erstellt, das „von anderen aufgenommen, weiterentwickelt und dann von allen gemeinsam bewertet wird“, so Martin Weichbold, Professor am Fachbereich Politikwissenschaft und Soziologie der Universität Salzburg.
Der Blick könne sich beispielsweise auf den Subsahara-Raum richten – eine der Regionen mit der höchsten Armutsrate der Welt. Oder er kann sich auf Nordafrika richten: Nordafrika stellte sich vor einem halben Jahr noch als weniger problematisch dar als heute. Libyen sei zum Beispiel ein Land, für das die Indikatoren auf einen stark steigenden Migrationsdruck der dortigen Bevölkerung hinweisen.
Das Foresight Cockpit läuft seit Ende September 2016 als Prototyp und werde bereits testweise von den österreichischen Behörden genutzt. Das Projekt wurde von der FFG gefördert und ist vom Sicherheitsforschungs-Förderprogramm KIRAS vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie finanziert.
Link: Foresight Cockpit (KIRAS)