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Staatsanwalt wird Verteidiger: Volkert Sackmann im Interview

Volkert Sackmann ©Brandl & Talos

Wien. Volkert Sackmann wurde als Staatsanwalt in großen Causen wie Immofinanz und OeBS bekannt. Jetzt ist er unter die Verteidiger gegangen und hilft das Wirtschaftsstrafrechtsteam von Brandl & Talos auszubauen: Die Kanzlei, die neben dem Strafrecht u.a. auf M&A, Kapitalmarktrecht und Gaming spezialisiert ist, sieht hier Wachstumschancen. Im Interview schildert Sackmann die aktuellen Brandherde im Wirtschaftsstrafrecht.

Der Werdegang und der neue Job

Mag. Volkert Sackmann war seit 2006 bei der Staatsanwaltschaft Wien, zuletzt als Leiter der Wirtschaftsgruppe. Ende 2016 stieß er zum Wirtschaftsstrafrechtsteam von Brandl & Talos-Partner Christopher Schrank, das auch noch einen weiteren Anwalt, vier Konzipienten und vier juristische Mitarbeiter umfasst. Sackmanns Tätigkeitsfelder sind Compliance und die aktive Vertretung der Mandanten in Ermittlung- und Strafverfahren.

Die Lust auf Neues war Motivation für den Wechsel, sagt Sackmann. Gleichzeitig hatte die Kanzlei Bedarf, weil ihr bisheriger Kooperationspartner, der Grazer Strafrechtler Gerald Ruhri, sich fortan verstärkt auf seinen Standort konzentrieren will.

Nicht alles ändert sich

Wie fühlt sich ein Staatsanwalt – also der Ankläger im Namen des Staates – wenn er die Seiten wechselt und in einer Anwaltskanzlei nun den Verteidiger gibt? Sackmann, der die nötigen Prüfungen bereits vor längerer Zeit gemacht hat und nur noch zwölf Monate Praxis bis zur Anwaltszulassung braucht, sieht die Veränderung gelassen: „In Wahrheit mache ich dasselbe wie vorher: Ich lese mir einen Akt durch, suche nach strafrechtlich relevanten Sachverhalten und frage mich: Wo wird die Staatsanwaltschaft nachbohren?“

Was insofern heute leichter ist, als die Unternehmen sich mehr als früher bemühen, „fit and proper“ dazustehen: Das hat sich eindeutig gebessert, sagt Sackmann. Auch als Staatsanwalt sei man ja schon gewohnt, für beide Seiten mitzudenken: „Man kann ja nicht das entlastende Material weglassen.“

Was ihm seine 10 Jahre Erfahrung in der Staatsanwaltschaft allerdings ermöglicht, das ist die risikoträchtigen Bereiche zu erkennen, sagt Sackmann. Und die werden bekanntlich nicht gerade weniger, denn auch die Vorschriften nehmen zu. „Es ist ein wahrer Dschungel“, so der Profi.

Die Gefahr beginnt bereits dort, wo Mitarbeiter Straftaten begehen: Das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) stellt auch den Verband (also das Unternehmen) unter Strafe. „Compliance bedeutet, gar nicht erst in seine Fänge zu geraten.“ Doch was das bedeutet, wissen viele Unternehmer und Manager immer noch nicht. Es kommt beispielsweise gar nicht darauf an, ob Mitarbeiter eigennützig arbeiten. Auch dort, wo sie zum Nutzen des Unternehmens beispielsweise Steuern hinterziehen, ist schon Strafbarkeit gegeben. „Die Tat muss zugunsten des Unternehmens begangen worden sein oder gesetzliche Vorschriften verletzen, zu deren Einhaltung das Unternehmen verpflichtet ist, dann greift das VbVG“, erklärt Sackmann.

Das klingt einfach, doch der Teufel lauert im Detail. Ein Beispiel: Greift ein Mitarbeiter in einem Supermarkt in die Kasse, so wird zum finanziellen Schaden des Unternehmens wohl nicht auch noch ein Compliance-Verstoß treten, denn das Unternehmen hat keine Pflichten verletzt. Ganz anders sieht es freilich aus, wenn der „Griff in die Kasse“ in einem Finanzunternehmen passiert, denn dort liegt dann möglicherweise auch die Verletzung einer gesetzlichen Überwachungspflicht vor: Das Unternehmen hat also zum abhanden gekommenen Geld auch noch eine Strafe zu gewärtigen.

Doch auch andernorts lauern Gefahren: Wer böswillig nicht liefert oder leistet, was in den Augen seines Geschäftspartners vereinbart war, dem droht bekanntlich eine Betrugsanklage, und wer nicht so viel Steuern bezahlt hat, wie der Fiskus erwartet, auf den wartet eine Strafe wegen Abgabenhinterziehung.

Vom Standpunkt des Beschuldigten besteht hier ein großer Unterschied: Werden 300.001 Euro Steuern hinterzogen, dann lautet eine typische Strafe auf 80.000 Euro plus vier Monate bedingt. Bei einem Schaden von 300.001 Euro in Folge von Betrug lautet das Strafmaß dagegen auf ein bis 10 Jahre Haft.

Ein grausames Nachspiel für Sünder

Doch nicht nur das Strafverfahren selbst, auch die späteren Konsequenzen daraus sind bedeutsam und vielen Wirtschaftstreibenden viel zu wenig bewusst: Ein Strafverfahren bedeutet in der Regel, dass das Unternehmen sich von seinem Geschäftsführer distanzieren wird, warnt Sackmann: „Es kann gar nicht anders.“

Denn wenn das Unternehmen nach dem VbVG in die Pflicht genommen zu werden droht, kämpft jeder um sein Leiberl. Sollte das Unternehmen verurteilt werden, dann, so Sackmann, „muss es sich an dem Geschäftsführer schadlos halten.“ Denn ansonsten haben die neuen Geschäftsführer eine Möglichkeit der Schadloshaltung zugunsten des Verbandes nicht wahrgenommen, den sie aber wahrnehmen hätten müssen – und schon wäre der Tatbestand der Untreue erfüllt.

Dazu kommt die gesellschaftliche Ächtung des verurteilten Geschäftsführers, und die rein praktische Tatsache, dass mangelnde Unbescholtenheit bei der Berufsausübung hindern kann – beispielsweise bei den Fit-&-Proper-Tests der Finanzmarktaufsicht bei der Bestellung von Bankmanagern oder bei der Berufung in einen Aufsichtsrat. Schon allein die Eröffnung eines Bankkontos ist bei einem laufenden Strafverfahren schwierig, da die Banken automatische Kontrollen durchführen.

Besser rasch beenden

Grundsätzlich ist die Sache einfach: „Will ein Unternehmen strafrechtliche Konsequenzen vermeiden, dann ist moralisches Handeln immer noch die beste Vorbeugung“, stellt Sackmann klar. Sollte die Vorbeugung jedoch nichts gefruchtet haben bzw. kommt es einmal zu Ermittlungen, dann ist es wichtig, diese möglichst rasch wieder zu beenden. Sackmann: „Das kann beispielsweise durch eine Selbstanzeige vor dem Beginn der Betriebsprüfung geschehen, die dann unter den weiteren Voraussetzungen zur Straflosigkeit führt. Im allgemeinen Strafrecht ist die Möglichkeit einer Tätigen Reue zu prüfen, die ebenfalls einen Strafaufhebungsgrund darstellt.“

Diese Instrumente wirken allerdings nur dann, wenn die Behörde den betreffenden Sachverhalt noch nicht kennt. Sollte aber auch das nichts helfen, so beginnt die klassische Strafverteidigung im Ermittlungsverfahren.

Sackmann sind dabei schon eine Reihe von typischen Irrtümern untergekommen. Viele Entscheidungsträger legen eine gewisse Betriebsblindheit an den Tag: Sie denken nur an den erzielbaren Gewinn – in rein finanzieller Hinsicht und auf kurze Frist. Die moralische Dimension – und die späteren rechtlichen Konsequenzen ihres Handelns – werden nicht berücksichtigt, zum langfristigen Schaden des Unternehmens. Dagegen könnte ein unverstellter Blick von außen helfen. Der Vorstand könnte ethnisch durchmischt sein, es sollte ein weibliches Vorstandsmitglied geben, usw. „Wer das nicht will, kann sich ja Berater von außen holen, die mit einem objektiven Blick sagen was sie vom Handeln des Unternehmens halten“, meint Sackmann.

Andererseits sollte man sich auch auf Berater wohl nicht uneingeschränkt verlassen, denn auch hier hat der ehemalige leitende Staatsanwalt schon eine Reihe von Problemen erleben müssen. So ist der beliebte Satz der Wirtschaftsprüfer, ein Bilanzansatz könne doch „so oder auch so gesehen“ werden, geradezu eine Einladung an die Strafverfolgungsbehörden.

„Wirtschaftsprüfer dürfen nicht aus Rücksicht auf ihre Klienten Falschbewertungen vornehmen oder hinnehmen, nur weil man den Sachverhalt auch >so sehen< könnte“, kritisiert Sackmann. Insbesondere weil die Wirtschaftsprüfer in die Zukunft schauen und sich bewusst machen müssten, was ihre Unterschrift unter die Bilanz für Konsequenzen haben kann, wenn beispielsweise Anleger darauf vertrauen.

Was bringt ein CMS?

Eine immer weiter verbreitete Antwort auf alle diese Probleme ist die Einführung eines ISO-zertifizierten Compliance Management Systems (CMS). Sackmann kann diesem Trend viel abgewinnen: „Ein CMS finde ich unabdingbar, zumindest ab einer mittleren Unternehmensgröße.“ Je sensibler und komplexer das Geschäft, in dem das Unternehmen tätig ist, desto früher ist ein CMS anzuraten.

Doch schützt es auch in jedem Fall davor, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden? Kommt drauf an, sagt Sackmann: „Es ist keine Garantie.“ Im Fall des Falles schaut sich die Staatsanwaltschaft nämlich an, wie das CMS gelebt wird. Und sie stellt dann Fragen wie: Konnten sich die Prüfer wirklich alles ansehen? Gibt es im Unternehmen sozusagen verbotene Zonen (stillschweigend oder ausdrücklich), in die der Compliance-Verantwortliche sich nicht hineinwagen darf?

Sollte die Antwort ja lauten, dann kann das Unternehmen schneller Bedarf an einem Strafverteidiger haben als ihm lieb ist.

Link: Brandl & Talos

 

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